Mit einem festlichen Gottesdienst in der bis auf den letzten Platz gefüllten evangelischen St. Johanniskirche ist am Sonntag die mittlerweile sechste Vesperkirche Schweinfurt eröffnet worden. Am ersten Tag wurden 384 Essen ausgegeben. Die Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski tauschte den Talar mit der Servierschürze und half wieder im Service.
Für Bornowski ist die Vesperkirche ein Ort ohne Unterschiede. "Hier treffen sich Familien, Geschäftsleute, Alleinstehende und auch Menschen, die sich sonst kaum eine Mahlzeit leisten könnten", sagte die evangelische Theologin am Sonntag im Gottesdienst zur Eröffnung. Bis zum 9. Februar werden in der Vesperkirche von Kirche und Diakonie täglich von 11.30 bis 14.30 Uhr für 1,50 Euro ein warmes Mittagessen mitsamt Kaffee und Kuchen sowie Beratungen und Informationen angeboten.
Bornowski sagte, die Einladung, "hier in der Kirche miteinander zu essen, zu trinken, einander zu begegnen, miteinander ins Gespräch zu kommen", sei ein Zeichen der grenzenlosen Liebe "und ein Zeichen der neuen Welt, die mit Christus begonnen hat". Sie forderte die Zuhörer auf, sich auf Neues einzulassen. Immer sei es Aufgabe der Christen gewesen, Grenzen einzureißen, so Bornowski. Vieles, was heute normal sei, auch die Vesperkirche, aber ebenso die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren, wäre vor 50 Jahren noch nicht vorstellbar gewesen.
Doch heute würden vielerorts wieder neue Grenzen aufgebaut: Europa schütze seine Außengrenzen, die USA bauten eine Mauer, um sich vor Flüchtlingen zu schützen. Wohin solche Grenzen führen können, "daran erinnern wir am morgigen Gedenktag 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz", sagte Bornowski. "Wir müssen vereint sein im Kampf gegen Antisemitismus, Faschismus und jeder Art von Ausgrenzung."
Sie rief dazu auf, sich Petrus zum Vorbild zu nehmen: "Sich einladen lassen, auf den Weg machen, auf Gottes Stimme hören, miteinander essen und trinken, einander persönlich begegnen, sich verändern lassen." In diesem Sinne stehe die Vesperkirche "zeichenhaft für Gottes neue Welt", sagte die Regionalbischöfin.
Dekan Oliver Bruckmann sagte in seiner Begrüßung, während Hunderttausende auf der ganzen Welt auf der Flucht seien, lade St. Johannis alle ein, gemeinsam teilzunehmen und teilzuhaben an einem Stück Himmel auf Erden. Die Vesperkirche stehe zeichenhaft für Gottes neue Welt, in der alle Grenzen aufgehoben seien. "Gott sieht nicht auf die Person".
Vesperkirche Schweinfurt in der Johanniskirche
Am Aktionsstand gab es am ersten Tag Informationen zu Hilfen der Diakonie. Die Johanniter boten eine Blutdruckmessung an. Auf der Homepage www.vesperkirche-schweinfurt.de werden die weiteren Programmpunkte des Rahmenprogramms veröffentlicht.
Die Schweinfurter Vesperkirche startete vor sechs Jahren als bayernweites Pilotprojekt von bayerischer Diakonie und Landeskirche. In Baden-Württemberg haben Vesperkirchen eine lange Tradition. Dort gibt es mehr als 30 solcher Angebote, meist in größeren Städten und oft ökumenisch organisiert. In Bayern gibt es neben Schweinfurt unter anderem zwei Gemeinden in Nürnberg, die regelmäßig Vesperkirchen anbieten. In katholischen Kirchen gibt es aktuell keine Vesperkirchen. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm unterstützt die Schweinfurter heuer mit einer Spende von 5.000 Euro.