Wer schon einmal einen Gottesdienst in einer anderen Konfession besucht hat, kennt das Gefühl der Verunsicherung: andere Abläufe, andere Gerüche, andere Klänge. Für Katholik*innen wirkt der evangelische Gottesdienst oft nüchtern, für Evangelische die Messe mitunter überladen.

Dabei werfen schon die Begriffe Fragen auf: Warum heißt es Pastor, Pfarrer oder Priester? Und wo lohnt es sich überhaupt zu gendern? Denn in der katholischen Kirche ist das geistliche Amt bis heute ausschließlich Männern vorbehalten.

"Priester" bleibt eine männliche Kategorie. Die evangelische Kirche hingegen ordinierte Frauen seit den späten 1950er Jahren – es ist also korrekt, von Pfarrerinnen und Pfarrern oder Pastorinnen und Pastoren zu sprechen.

Weniger Glaubensgrenzen im Alltag, mehr Unterschiede im Gottesdienst

Dabei zeigt die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung: Konfessionen spielen im Alltag vieler Gläubiger kaum noch eine Rolle. Die Bruchlinien verlaufen heute anders – zwischen kirchlich Verbundenen und Konfessionslosen, nicht zwischen Katholik*innen und Protestant*innen.

Auf den ersten Blick scheint das auch für die Liturgie zu gelten. Gesang, Gebet, Predigt – diese Trias bildet das Gerüst beider Gottesdienstformen. Sowohl Messe als auch evangelischer Gottesdienst beginnen mit einer Eröffnung, münden in die Verkündigung und enden mit dem Segen. Wer sonntags hin und wieder eine Kirche betritt, könnte meinen: so weit, so ähnlich.

Doch wer genauer hinsieht, erkennt durchaus Unterschiede – in Aufbau, Gewichtung und theologischem Selbstverständnis.

Das Herzstück der Liturgie: Eucharistie oder Predigt?

Das Zentrum der katholischen Messe ist die Eucharistie – die "Danksagung", wie die Übersetzung des griechischen Wortes es verrät.  Sie gilt als eines von sieben Sakramenten und wird jeden Sonntag in der Messfeier als Vergegenwärtigung des Opfers Christi am Kreuz gefeiert – als das sogenannte Messopfer.

Im evangelischen Gottesdienst hingegen ist das Abendmahl – ein Rückgriff auf die Terminologie Martin Luthers – zwar ebenfalls Sakrament, aber nicht der liturgische Schwerpunkt. Neben der Taufe ist es das einzige Sakrament, und die Gemeinde entscheidet selbst, wie oft das Abendmahl gefeiert wird – in der Regel monatlich.

Diese unterschiedliche liturgische Gewichtung zieht weitreichende Folgen nach sich – für die Gestaltung des Gottesdienstes wie für das Selbstverständnis der Gemeinden und die Erfahrung der Gottesdienstbesucher*innen.

Wer darf mitfeiern – und wer nicht?

Die katholische Eucharistie ist ausschließlich Katholik*innen vorbehalten. Andere Christ*innen dürfen nur in Ausnahmefällen teilnehmen, etwa bei Todesgefahr – eine Praxis, die viele Priester als unbefriedigend empfinden.

Für Evangelische bedeutet das: Sie bleiben oft ausgeschlossen, sitzen schweigend in der Bank – ein Symbol der Ausgrenzung. Wein und Hostie, das dünne, ungesäuerte Brot, markieren diese Grenze.

Dabei teilen viele Evangelische, besonders Lutheraner*innen, den Glauben an eine "Realpräsenz Jesu Christi" in Brot und Wein – allerdings mit Unterschieden: Katholik*innen glauben an die "Transsubstantiation", die vollständige Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Lutheraner*innen sprechen von der Gegenwart Jesu "in, mit und unter" Brot und Wein, ohne substanzielle Veränderung.

Das heißt, Christus ist real anwesend – ohne dass sich Brot und Wein wirklich verwandten. Reformierte sehen die Gaben als Zeichen und Erinnerung – ein "Erinnerungsmahl".

Für Evangelische gilt: Jede*r Getaufte ist eingeladen, am Abendmahl teilzunehmen, unabhängig von Konfession oder Status. Dies entspricht dem protestantischen "Priestertum aller Gläubigen", das die Gleichheit aller Christ*innen vor Gott betont.

Die Predigt als Herzstück des evangelischen Gottesdienstes

Die Gewichtung der Predigt ist ein entscheidender Unterschied: Im katholischen Gottesdienst fällt sie kurz aus, selten länger als fünf bis zehn Minuten, und erläutert vor allem die Tageslesungen.

Im evangelischen Gottesdienst hingegen steht die Predigt im Mittelpunkt. Sie dauert meist 15 bis 25 Minuten und bietet eine ausführliche Auslegung der Schrift. Dass das Wort im Zentrum steht, ist also mehr als ein Klischee.

Martin Luther hat die Verkündigung ins Zentrum gerückt. Das reformatorische Prinzip "Sola scriptura" – allein die Schrift – fordert von den Besucher*innen vor allem eines: aufmerksam zuzuhören.

Liturgische Vielfalt: Einheit und Variabilität

Der liturgische Ablauf der katholischen Messe folgt weltweit einem nahezu einheitlichen Muster, dem "Ordo Missae". Ob in München, Manila oder Mombasa, die Grundstruktur bleibt dieselbe. Das schafft Vertrautheit und einen liturgischen Wiedererkennungseffekt, der über alle kulturellen Grenzen hinweg verbindet.

Zugleich wirkt das Ritual manchmal streng, fast unbeweglich. Spielräume gibt es, aber sie sind klein – etwa in der Sprache, der Musikauswahl oder der Gestaltung besonderer Festtage.

Der evangelische Gottesdienst ist dagegen variabler. Zwar gibt es auch hier liturgische Grundordnungen, doch Form und Ausgestaltung unterscheiden sich teils deutlich – von Landeskirche zu Landeskirche, manchmal sogar von Gemeinde zu Gemeinde.

Zwei Grundtypen prägen dabei das Bild: Eine lutherisch geprägte Form, die viele Elemente der lateinischen Messe übernimmt, und eine reformierte, die auf schlichte Predigtgottesdienste setzt. Dort erklingt deshalb kein Kyrie, kein Gloria, oder Sanctus. Anstelle des Altars steht außerdem ein einfacher Abendmahlstisch im Raum.

Rituale und Beteiligung: Körper, Klang und Sprache

Die Unterschiede zeigen sich auch in Details: Katholik*innen beginnen mit Buße und Vergebung, Protestanten mit Lob und Gebet. Katholische Liturgie umfasst mehr Bibeltexte – nach festgelegter Leseordnung –, wovon aus dem Evangelium nur Priester oder Diakone vortragen. Protestant*innen setzen stärker auf die Auslegung und beteiligen Laien.

Körperlich ist die katholische Messe reicher an Ritualen: mehr Kniebeugen, Kreuzzeichen, festgelegte Bewegungen. Evangelische Gottesdienste setzen eher auf gemeinsames Singen.

Fazit: Ökumene braucht Verständnis – auch für die Unterschiede

Diese Unterschiede zeigen: Ökumene ist mehr als nur guter Wille – sie erfordert auch das bewusste Verstehen der verschiedenen Gottesdienstformen.

Für die Besucher*innen sind die Unterschiede spürbar – manchmal irritierend, oft schmerzlich. Gerade dann, wenn sie schweigend sitzen bleiben, während die Karawane vorüberzieht. Ein Ritual der Ausgrenzung, das beide Seiten längst überwinden wollten.

Kommentare

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truk911 am Mi, 18.06.2025 - 22:38 Link

Das Opferverständnis (Abendmahlsverständnis) trennt uns im Gottesdienst. Das kath. Verständnis fußt auf der V orstellung: Wir bringen Gott unser Opfer, wir opfern...
Das evang. Verständnis fußt auf dem Bekenntnis, dass Gott selbst in Christus das einmalige Opfer bringt, wir haben teil an Gottes Gabe, der Versöhnung. Das sollten evang. Christen schon wissen, um nicht in eine Ökumene-Romantik zu verfallen. Das Dogma trennt uns.

Florian Meier am Don, 19.06.2025 - 12:42 Link

Zum einen sind leise Zweifel angebracht wie detailliert sich die durchschnittlichen Gottesdienstbesucher mit der Dogmatik heute noch auseinander setzen, zum anderen wird die Kommunion durch die Unterschiede aus evangelischer Sicht nicht ungültig oder entweiht. Wenn also alle Getauften eingeladen sind, so ist das durchaus ernst gemeint und tut aus unserer Sicht keinen Schaden. Genauso ist es zu respektieren, wenn Christen nicht teilnehmen wollen, weil sie sich aus welchen Gründen auch immer gerade nicht dazu in der Lage sehen - sei es weil der Rahmen oder die innere Einstellung nicht stimmen. Es ist nicht eine Frage der Quantität sondern der Qualität. Die Form hat sich dabei auch immer einmal wieder geändert. In den 1980ern waren Kinder meist ausgeschlossen - heute sind sie bei uns selbstverständlich dabei, dafür gab es auch damals schon moderne Gottesdienste, wo statt einem Kelch ein Tonbecher, statt Wein Traubensaft mit Sprudel und sogar Schwarzbrot statt Hostien zum Einsatz kamen. In Covidzeiten kam dann das "Stamperl" wie es vorher schon in Spitälern üblich war und Antialkoholiker haben heute immer die Alternativoption, was früher nicht selbstverständlich war. Mal wird das Mysterium gesprochen, mal sagte mir jemand wie unpassend das für Lutheraner sei. Mal kniet man vorm Altar, mal steht oder sitzt man im Kreis, mal reiht man sich in einen Vorbeizug ein. Auch an der Liturgie wurde gefeilt, wenngleich die Kernelemente gleich bleiben. Es ist verständlich, dass das für manche eher abschreckend und beliebig wirkt. So ist es aber nicht, es sind Versuche die Erinnerung lebendig und die Gabe plausibel zu machen in einer sich immer wandelnden Welt. Was der einzelne dabei genau denkt und erlebt, weiß er/sie und Gott allein.

Florian Meier am Mi, 18.06.2025 - 06:11 Link

Das oben Gesagte ist in der bayrischen Landeskirche durchaus üblich. Hier in Österreich sind mir allerdings ein paar Unterschiede aufgefallen, die vielleicht mit der starken katholischen Mehrheit im Land zu tun haben: Das Abendmahl wird auch im evangelischen Gottesdienst normal eher wöchentlich gefeiert, es gibt Ausnahmen, wenn man übermäßige Längen vermeiden will oder bei Abendgottesdiensten, aber ohne wirkt der Gottesdienst fast etwas unvollständig. Sehr typisch für die katholische Messe ist, dass insbesondere in der Vorbereitung auf die Eucharistie gekniet wird, während evangelische normalerweise eher Stehen oder sitzen. Allerdings gab es hier früher für das Abendmahl eine Kniebank, die nach Umbau allerdings zugunsten eines vergrößerten Altarraums wegfiel. Keine Regel ohne Ausnahme also. Typisch katholisch sind die Schellen als Achtungssignal (insbesondere beim Einzug und Wandlung) und der Weihrauch, die Messgewänder und die Ministranten.

alfons am Di, 17.06.2025 - 21:07 Link

Vielen Dank für den Versuch einer Gegenüberstellung von katholischer Messe und evangelischem Abendmahl. Sie ist an einigen Stellen aber falsch. Wenden wir uns zunächst den Fakten zu: Anders als dargestellt, wird die Hostie von Laien, auch Frauen, ausgeteilt. Auch die mindestens eine, häufig zwei biblischen Lesungen, ausgenommen aus den 4 Evangelien, dürfen von Laien vorgelesen werden. Lediglich das Vorlesen aus dem Evangelium ist dem Priester vorbehalten. - Zumindest suggestiv klingt die Aussage "Protestanten... setzen .... auf die Auslegung und ... Laien" so, als ob Laien im evangelischen Gottesdienst predigen dürften. Das ist regelmäßig derzeit nicht der Fall, und kommt nur ausnahmsweise in Betracht.

Kommen wir dann zur Wertung: Dass die Eucharistie nur Katholiken vorbehalten sei, sei ein Symbol der Ausgrenzung. Nun, evangelische Christen dürfen an der Messe teilnehmen, sie dürfen die Lieder zu Ehren der Gottesmutter Maria singen, sie dürfen einstimmen im Gebet für den Papst, sie dürfen sich mit Weihwasser bekreuzigen oder zu bestimmten Situationen in der Messe knien. Viele evangelische Christen machen das nicht und grenzen sich aus. Dass man sich dann ausgegrenzt fühlt, verwundert nicht.

Florian Meier am Mi, 18.06.2025 - 21:42 Link

Hier sei ein leiser Widerspruch erlaubt. Die Laienpredigt ist bei uns durchaus üblich freilich durch geschulte Lektoren. Wir hatten zeitweise ein halbes Dutzend in der Gemeinde und auch wenn die Festgottesdienste üblicherweise der Pfarrer übernimmt, so können sie ihn doch erheblich entlasten. Mit dem Ausschluß ist das so eine Sache. In der katholischen Kirche hat sich der Friedensgruß als schöne Tradition gebildet, der völlig unkompliziert eine kurze Interaktion ohne konfessionelle Bedenken ermöglicht. Zwar lädt die evangelische Kirche formal meist alle ein, aber de facto ist auch das aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses nicht ganz unproblematisch und es bleiben auch da manche freiwillig sitzen. Das hat auch nichts mit Ausschluß zu tun sondern mit Respekt für die Vorstellung der anderen oder die eigene Überzeugung. Neben Katholiken sitzen nämlich längst oft auch atheistische oder anders religiöse Personen mit in der ev. Kirche und vice vers, wenn etwa eine Familienfeierlichkeit ansteht. Ich finde das nicht so schlimm. Man hat dann einen ruhigen Moment um auf die anderen Teilnehmer zu sehen oder stille Gebete zu sprechen oder der Musik zu lauschen. Der Vorwurf der Intoleranz ist jedenfalls unangebracht, denn da gibt es manchmal Nickeligkeiten auf beiden Seiten und manchmal ist es sehr unkompliziert. Es hängt immer stark vom individuellen Gegenüber ab wie aufgehoben man sich fühlt oder nicht. Außerdem vom eigenen Standpunkt. Wenn man in seiner Konfession zufrieden ist, kann einen das andere wenig aus der Bahn werfen. Hier gab es früher konfessionsbedingte Vertreibungen, Geheimgottesdienste und versteckte Bibeln. Die Zeiten sind zum Glück lange vorbei.