Die Begeisterung stand Monika Jagfeld ins Gesicht geschrieben als sie bei der Bekanntgabe der Preisträger des Europäischen Kunstpreises im Kontext geistiger Behinderung den Namen ihres Schweizer Landsmannes Felix Brenner verkündete.
"Eigentlich müsste ich mich ein wenig zurücknehmen",
sagte die Museumsdirektorin aus St. Gallen, denn sie kenne den Künstler persönlich. Aber dann verfiel sie doch in eine bunte Beschreibung des 65-Jährigen, den sie als einen komplizierten Charakter vorstellte.
Er habe in seiner Vergangenheit "eine lange Drogenkarriere gemacht", die auch dazu führte, dass er einst sein gesamtes künstlerisches Werk vernichtete. Von diesem selbstzerstörerischen Weg sei er allerdings schon vor Jahren abgekommen, sodass seine Werke, die er wie Jagfeld betonte, "nicht für eine Ausstellung oder einen Preis geschaffen hat", am Samstag Pressevertretern präsentiert werden konnten.
Den Lebensstil Brenners beschrieb Jagfeld als komplett auf die Kunst fokussiert, ein Satz der wohl auf jeden der 16 Nominierten und insbesondere die drei Preisträger zutraf.
Ernste Kunst
Der Kölner Andreas Maus etwa sei ein Beispiel für die beeindruckende Ernsthaftigkeit, die die Künstler in ihren Werken zeigen, "die die Intensität professioneller Künstler teils sogar übertreffe", sagte Ulrich Wilmes, ehemaliger Hauptkurator aus Tutzing.
Sinnbildlich hierfür sind auch die Themen, die Maus in seiner Kunst anspricht. Viele seiner Werke befassen sich zum Beispiel mit der NS-Zeit und der DDR, die er in seinen Notizbüchern und fast gravurartigen Kugelschreiber-Zeichnungen kritisch und detailreich darstellt.
Die Bilder und Texte sind Zeugnis einer jahrelangen intensiven und emotionalen Auseinandersetzung mit dem Thema. Und auch wenn sich Wilmes nicht genau erklären kann, warum ausgerechnet dieser Teil deutscher Geschichte den Künstler so beschäftigt, sei er dennoch erstaunt von dessen Wissensstand und versierter Haltung.
Eigene Welten
Dem aus dem holländischen Goes stammenden KarHang Mui schrieb Carla Schulz-Hoffmann, ehemalige stellvertretende Direktorin der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, die Fähigkeit zu, "mit seiner Technik einen neuen Kosmos aufzumachen".
Der jüngste der drei Preisträger arbeite mit sehr eigenwilligen Methoden auf kleineren Formaten und schaffe es in seinen Werken den Betrachter "mit einer beeindruckenden Starkfarbigkeit in eine Fantasiewelt hineinzuziehen".
Großes Teilnehmerfeld
Brenner, Maus und Mui setzten sich gegen 13 weitere Nominierte durch. Diese Shortlist aus 16 Künstlern ging aus einem Teilnehmerfeld von insgesamt 341 Künstlern hervor, die sich aus 22 Ländern für den Euward beworben hatten.
Die letztendlichen Sieger auszuwählen, sei laut Thomas Röske, Leiter der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg, "eigentlich ganz einfach gewesen, aber wir haben es uns schwer gemacht". Denn tatsächlich hätten sich die späteren Gewinner schon früh in dem Bewertungsprozess hervorgetan.
Kunst mit Charakter
Die Preisträger selbst waren bei der Bekanntgabe jedoch nicht vor Ort und auch die lebhaften Beschreibungen der anwesenden Jury Mitglieder konnten ihre Anwesenheit nicht in Gänze ersetzen. Doch die Werke sprachen für sich und ließen erahnen, was für besondere Charaktere die Künstler sein müssen.
In einer provisorischen Ausstellung präsentierte Kurator Klaus Mecherlein die eingereichten Stücke aller 16 Nominierten und kam dabei immer wieder ins Schwärmen über die sehr hohe Qualität, die dieses Jahr im Teilnehmerfeld zu erkennen gewesen sei.
"Das herausragende Merkmal ist die sehr persönliche Sprache der Kunstwerke",
so der Leiter des Augustinum Atelier in München. Er hob besonders den sozialen Aspekt des Euward-Kunstpreises hervor und erläuterte die Intention hinter der Preisverleihung, neue, bisher unbekannte Talente zu finden und ihnen eine Bühne zu geben.
Ausstellung ab April
In diesem Sinne sollen im Anschluss an die Preisverleihungszeremonie am 29. April 2021, bei der auch die genaue Platzierung der drei Preisträger bekannt gegeben wird, die Werke der 16 Nominierten bis zum 27. Juni im Haus der Kunst ausgestellt werden.
Ausstellungskuratorin Sabine Brantl betonte dabei, dass es sich, im Gegensatz zu dem aktuell im Haus der Kunst gastierenden Euward-Archiv, nicht nur um eine Gast-Ausstellung handeln werde.
Die Preisträger erhalten neben der öffentlichen Präsentation ihrer Werke noch Geldpreise und einen Katalog im Gesamtwert von rund 19.000 Euro. Der Euward-Kunstpreis wird seit dem Jahr 2000 vom Sozialkonzern Augustinum vergeben und von der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung München gefördert.