"Mehr seelisch, verstehen's?", seufzte einst der Monaco Franze, bevor er sich zur geistigen Regeneration ins Kloster zurückziehen wollte. Doch was ist das überhaupt, die Seele? Und wenn ja, wie viele? 

Laut Johanna Haberer ist die Seele so gut wie tot

Mit "Die Seele" hat die Theologin Johanna Haberer ein leidenschaftliches Plädoyer geschrieben, in der sie zur Rettung der Seele aufruft. Nein, stimmt nicht ganz. Eher zu einer Wiederbelebung. Denn der Autorin zufolge ist die menschliche Seele so gut wie tot, zumindest als Begriff. Oder, das passt vielleicht noch besser, als Konzept. Für das sie starke, eindrucksvolle Worte findet wie die folgenden:

"Visionen und Träume, Fantasien und Utopien, all das findet Ursprung und Heimat in dem Spielraum, den wir Seele nennen."

Doch wer hat sie getötet? Folgt man Johanna Haberer, so fing das langsame Aussterben der Seele schon mit Descartes' "Ich denke, also bin ich" an. Damit beginnt für sie die Idee vom Gehirn als Zentralorgan des Menschen. Von dort zieht sie eine direkte Linie zur modernen Technik und zur Digitalisierung. Schließlich entspreche Descartes' Vorstellung vom Gehirn in etwa der eines Computers

Digitalisierung als Bedrohung der Seele

In der Digitalisierung sieht die Autorin tatsächlich eine große Bedrohung für die Seele. Diese habe uns nicht nur Annehmlichkeiten wie Amazon, Wikipedia und die Google-Suche beschert. "Sie ist auch dabei, unsere Gefühle, Empfindungen, Meinungen und Ansichten zu vermessen und zu beeinflussen." Zwar wüssten wir, was wir mit den neuen Techniken der Vernetzung gewonnen hätten. Doch geradezu apokalyptisch stellt Haberer die Frage: 

"Welcher Reichtum an religiösen, geisteswissenschaftlichen, philosophischen und poetischen Welten wird mit dem kleinen Wort Seele untergehen?"

Um es klar zu sagen: Natürlich darf man an diesem Dualismus Logik vs. Seele seine Zweifel haben. Auch an der Untergangsrhetorik darf man sich stören. Und man darf sich auch fragen, ob die Seele nicht schon seit jeher viel besser in der Kunst, in Musik, Tanz, Theater und Lyrik aufgehoben war als in der Wissenschaft. 

Maschinen sind keine Dämonen

Doch um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Autorin geht es nicht um ein plattes Dämonisieren von Maschinen. Auch nicht um eine Sehnsucht nach vermeintlich seligeren (sic!) Zeiten vor der Aufklärung und Fortschritt. Und schon gar nicht um ein "Zurück zur Natur" à la Rousseau. 

Nein, mit "Die Seele" warnt Johanna Haberer vor einer sehr realen Bedrohung: Dass die Träume einiger größenwahnsinniger Milliardäre aus dem Silicon Valley Wirklichkeit werden und unsere Zukunft aussieht wie in den Filmen der Reihe "Matrix". Dass Menschen wirklich, wie es einige dieser Milliardäre hoffen, zu seelenlosen Maschinen, ja, zu unsterblichen Daten auf Datenträgern werden. Um diese Auswüchse geht es der Autorin. 

Diesen Horrorvisionen setzt sie das Konzept vom Rätsel der beseelten Schöpfung entgegen:

"Die Seele steht weiter für die Bereitschaft, groß vom Menschen zu denken und sein Geheimnis zu bewahren."

Man muss ihr gar nicht in allen Argumenten folgen, um das als interessanten Ansatz zu würdigen – und um in "Die Seele" viele kleine und große Gedankenanstöße zu finden. Mehr seelisch, verstehen's?

Die Seele. Versuch einer Reanimation

Johanna Haberer

Verlag: Claudius Verlag München

Seitenzahl: 152 Seiten

ISBN: 978-3532628614

16,00 Euro

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