Frau Gerlach, Ihr Ministerium hat eine Strategie gegen Cyberkriminalität erarbeitet. Um welche Straftaten geht es dabei?

Judith Gerlach: Cybercrime ist nie statisch, von daher müssen wir immer wieder neue Entwicklungen in die Strategie aufnehmen. Ein Beispiel ist, dass ein Einbruch in den digitalen Lebensraum lange nicht so bestraft wird wie einer in die eigenen vier Wände. Dabei kann er genau dieselben schwerwiegenden Folgen haben.

Im Bundesrat setzen wir uns dafür ein, dass ein Einbruch in den digitalen Raum genauso schwer bestraft wird wie in die eigenen vier Wände.

Wie können sich Nutzer vor Cybercrime schützen?

Gerlach: Natürlich geht es darum, wie ich mit meinen Daten umgehe, wie viel ich von mir preisgebe und welche Passwörter ich verwende. Auf der Homepage unseres Ministeriums bieten wir einen Passwort-Check an, um dafür zu sensibilisieren, sich über das Passwort Gedanken zu machen und das Passwort nach sicheren Kriterien zu wählen. Man sollte nicht ein einfaches Kennwort für mehrere Zugänge verwenden.

Sprachassistenten speichern Audiodaten, um den Service für ihre Nutzer zu verbessern – sagen die Anbieter. Was tut Bayern dafür, dass es hier nicht zu Datenschutzverletzungen kommt?

Gerlach: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bietet europaweit den Rahmen für den Umgang mit persönlichen Daten, gleichzeitig gilt es, eigenverantwortlich seine Daten zu schützen: Nutzer sollten sich bei jedem Gerät und jeder Anwendung die Einstellungen zu den privaten Daten anschauen. Damit nicht ungewollt Daten abgerufen oder weiterverwendet werden, muss man sich immer genau überlegen, welche Daten man tatsächlich zur Verfügung stellt.

Sie fordern ein finanzstarkes Digitalisierungsprogramm für Schulen. Was müssen Kinder und Jugendliche lernen und wie will der Freistaat sie dabei unterstützen?

Gerlach: Unser erster Schritt sind 50.000 digitale Klassenzimmer. Dafür sind Hardware und Software wichtig.  Dazu kommt aber nicht nur, dass die Lehrkräfte die digitalen Kompetenzen erhalten, mit den Geräten umgehen zu können.

Wir müssen auch das Lehren und Lernen neu denken: wie Lehrer mit den Schülern zusammenarbeiten, nicht frontal, sondern interdisziplinär und in neuen Formaten, um die Schüler für technische Berufe und MINT-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – zu begeistern.

Denn das sind Berufssparten, die wir in Zukunft immer mehr brauchen. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit dem Netz und den sozialen Medien muss in den Lehrplänen verankert werden. Kinder haben damit immer früher zu tun und müssen vorbereitet werden.

Stiftungen, Vereine und NGOs haben häufig keine Mittel für die Digitalisierung ihrer Einrichtungen. Was muss passieren, um eine Marginalisierung kleinerer Player zu vermeiden?

Gerlach: Wir müssen die Digitalisierung in die Breite bringen und Jung wie Alt, Stadt und Land und natürlich auch Vereine mitnehmen. Es gibt verschiedene Ansprechpartner und Veranstaltungen, die die Digitalisierung fördern und für Risiken sensibilisieren. Aber auch der Freistaat bietet Unterstützung, etwa durch die Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern, die BayernLabs oder die Digitalen Gründerzentren, die junge Gründer auf ihrem Weg hin zu einem hoffentlich erfolgreichen Unternehmen unterstützen.

Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Bayern mit der Digitalisierung Schritt hält?

Gerlach: Ich glaube, was das Thema Digitalisierung anbelangt braucht es auch weiterhin Schwung im Freistaat. Mit der Gründung des ersten Digitalministeriums Deutschlands nehmen wir hier Fahrt auf. Mit der Strategie BAYERN DIGITAL haben wir zudem ein wuchtiges Programm mit sechs Milliarden Euro bis 2022 aufgelegt. Wir müssen aber heute schon viel weiterdenken und weiter voranschreiten, weil die digitale Transformation wahnsinnig schnell und disruptiv erfolgt. Hierbei wollen wir die Menschen nicht allein lassen.

Was heißt das konkret?

Gerlach: Wir müssen nicht nur viel Geld in die Hand nehmen und Strukturen auf den Weg bringen, sondern die Digitalisierung auch mit allen Chancen und Risiken diskutieren und jeden mitnehmen.

Digitale Teilhabe ist ein ganz wichtiges Stichwort, gerade für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung. Hier hat die Digitalisierung einen großen sozialen Aspekt, der wichtig für unser christliches Zusammenleben ist.

Was die Schule anbelangt: durch die rasante technische Entwicklung werden immer wieder aktuelle Anpassungen erforderlich sein. Unser Ziel, digitale Klassenzimmer einzurichten, werden wir erreichen, aber damit ist es nicht getan. In ein paar Jahren werden wir wieder vor die Frage gestellt werden, ob wir neue Materialien und Technik brauchen. Digitale Schulen sind ein Dauerbrenner.

 

Das Interview mit der Digitalministerin Judith Gerlach fand im Rahmen eines Redaktionsgesprächs im Evangelischen Presseverband für Bayern unter der Leitung von Direktor Roland Gertz statt.