Die EU hat Großbritannien eine Gnadenfrist gewährt, doch es bleibt ungewiss, was am 12. April passieren wird, sollte das britische Parlament dem Austrittsabkommen zum dritten Mal eine Abfuhr erteilen.
Der Brexit entwickelt sich immer mehr zu einem nationalen Albtraum. Der Kontrast zu den Versprechungen der Brexit-Befürworter könnte kaum größer sein. Hatten die Boris Johnsons und Nigel Farages vor dem Referendum vor knapp drei Jahren nicht versprochen, mit dem EU-Austritt gewinne man die Kontrolle, die nationale Unabhängigkeit zurück und werde endlich die Brüsseler Fesseln los?
Nichts von alledem ist eingetreten. Großbritannien hat zurzeit keine handlungsfähige Regierung mehr. Das Kabinett ist gespalten, die Regierungspartei und die größte Oppositionspartei ebenfalls. Es gibt eine Mehrheit im Parlament für die Ablehnung des Brexit-Deals, den die britische Regierungschefin mit der EU ausgehandelt hat, aber nicht für eine Alternative.
Ein politisches Beben mit Ansage
Man darf erwarten, dass sich bis zum 12. April das politische Beben entfacht, das sich seit Monaten ankündigt. Denn kaum jemand glaubt noch daran, dass das Unterhaus den Brexit-Vertrag bis dahin billigt. Politisch ist jetzt fast alles möglich: ein Sturz der Regierung, Neuwahlen oder ein weiteres Referendum.
Mehr als 1000 Tage nach dem Brexit-Referendum sind viele Briten einfach nervös. Hunderttausende gingen bereits auf die Straße: die Brexit-Gegnerin, die für ihre Enkel kämpft, damit diese weiterhin Reisefreiheit haben und in ganz Europa arbeiten und studieren können; oder die Familie aus Nordirland, die befürchtet, dass sie die durch den Friedensprozess gewonnenen Freiheiten wieder verliert. Andere Teilnehmer bangten um Jobs und Wohlstand. Wieder andere nannten als Grund, dass globale Probleme gemeinsam mit der EU besser angegangen werden als im Alleingang.
Aber leider ist das Brexit-Chaos auch ein Paradebeispiel für parteipolitische Verbohrtheit und zynischen Machtpoker. Wo bleibt die Vernunft, wo die Kompromissbereitschaft?
Eigentlich bräuchte es einen längeren Aufschub, um die Blockade zu lösen. Allerdings fände sich Großbritannien dann in der bevorstehenden Europawahl wieder: Welch surreales Unterfangen! Im Grunde ist kein Ausstieg mehr denkbar ohne Neuwahlen oder ein zweites Referendum. Die Sache gehört zurück in die Hände des Wählers.