Momentan verlieren die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland weiter Menschen. 2017 sank die Zahl der Mitglieder der evangelischen Kirche auf 21,5 Millionen. 23,3 Millionen Menschen gehörten der katholischen Kirche an, wie aus den aktuellen Statistiken hervorgeht. Die 20 protestantischen Landeskirchen haben dabei mehr Mitglieder (390 000) verloren als die 27 katholischen Bistümer (270 000). Insgesamt sind es also 660 000 Christen weniger in Deutschland. Das ist die schlechte Nachricht.
Bei der Ursachenforschung über die vielen Menschen, die der Kirche den Rücken kehren, dürfte nichts anderes an den Tag kommen, als was die jüngsten Mitgliedschaftsstudien und sonstigen Umfragen ergeben haben: Nur wenige Menschen treten aus Verärgerung über den Pfarrer, den Bischof oder den Papst aus der Kirche aus.
»Religion und Kirche spielen für viele Menschen maximal noch eine Nebenrolle im Leben«, sagt der Religionssoziologe Gert Pickel. »Es gab nichts, was man konkret falschgemacht hat.« Anders als in Jahren zuvor hat es in den Kirchen keine Skandale wie etwa um Finanzen gegeben, die die höheren Austrittszahlen erklären könnten.
Es sind vor allem langfristige gesellschaftliche Prozesse, die sich ungünstig auf die Kirchenbindung auswirkten: der zunehmende Wohnortwechsel junger Menschen, der für viele der »erste Bruch« mit der Kirche ist. Zudem bemühen sich Eltern weniger um eine religiöse Erziehung ihrer Kinder. Sie wollen ihren Kindern die Intensität ihrer Beziehung zur Kirche selbst überlassen.
Die gute Nachricht: Immer noch gehört mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Bevölkerung in Deutschland einer der beiden großen Kirchen an. Hinzu kommen Christen aus orthodoxen Kirchen und den Freikirchen. In einer immer komplexer werdenden Gesellschaft gibt es gute Gründe, in der Kirche zu sein: Sie bietet eine geistliche Beheimatung, Seelsorge und Gemeinschaft.
Möglicherweise finden in einer gesellschaftspolitischen aufgeladenen Situation wieder mehr Menschen durch ein konkretes Engagement einen Zugang zum christlichen Glauben und zur Kirche. Nicht die Positionierung im Streit der Parteien um die bessere Politik wird dann wichtig sein, sondern das eigene Handeln. Nicht Mahnung, Appell und Forderung, sondern glaubwürdige Nächstenliebe.