Schriftstellerin Suza Kolb schreibt eigentlich am liebsten Abenteuergeschichten, die von frechen, wilden Heldinnen und Helden handeln. Doch auch das Thema Geschichte liegt der im Rheinland geborenen, nach Bayern ausgewanderten Bestsellerautorin am Herzen. Wie es zu ihrem Buch "Und zwischen uns eine Mauer" kam, was ihr persönlicher Bezug zur DDR-Geschichte ist und warum es ein Jugendbuch geworden ist, erzählt sie im Gespräch mit sonntagsblatt.de.

Was ist denn Ihr persönlicher Bezug zum Thema deutsche Teilung?

Suza Kolb: Meine Mutter stammt aus dem Erzgebirge – ich habe die deutsche Teilung also ganz intensiv miterlebt. Schon von jüngster Kindheit an. Meine Mutter hatte neun Geschwister, die Hälfte ist geflüchtet und die andere Hälfte ist im Osten geblieben. Ich habe als Kind außerdem auch fünf Jahre mit meinen Eltern und einem meiner Brüder in West-Berlin gelebt und habe viel Zeit in der damaligen DDR verbracht.

Das heißt, das Buch ist auch zum Teil autobiografisch?

Suza Kolb: Ja, das erkläre ich auch im Nachwort geschrieben. Erst soll man die Geschichte lesen – und dann erkläre ich, wieso ich überhaupt das Buch geschrieben habe.

In welchem Alter haben Sie denn festgestellt, dass es die deutsche Teilung überhaupt gibt?

Suza Kolb: Das habe ich eigentlich schon recht früh kapiert. Wir sind ja immer mit dem Auto oder mit dem Zug von West-Berlin in die Bundesrepublik oder eben in die damalige DDR gefahren und mussten natürlich jeweils die Grenze passieren. Da bekommt man das mit. Also auch wenn wir auf der Transitstrecke mal im Auto angehalten haben war klar, man durfte mit niemandem reden.

Gab's noch mehr Regeln?

Suza Kolb: An der Grenze hatten wir von unseren Eltern die Anweisung, nicht zu lachen, am besten gar nicht zu reden, sich in keiner Weise auffällig zu verhalten. Die Grenzsoldaten waren sehr empfindlich! Und wenn wir zu unseren Verwandten in die ehemalige DDR reisten, galt: möglichst unauffällige Kleidung, und natürlich keine Bücher, keine Kassetten mitnehmen.

Aber war Ihnen da die politische Dimension von all dem bewusst?

Suza Kolb: Doch, das habe ich schon hinterfragt. Das kommt vielleicht auch aufgrund meines familiären Hintergrundes. Da wurde das immer diskutiert, und ich wusste auch, dass meine Mutter die DDR mit 13 Jahren verlassen hatte, weil ihre Mutter gestorben war. Sie war die Jüngste von neun Kindern und sie ist dann zu einer Schwester im Westen gebracht worden, ganz offiziell, so als Erholungsurlaub. Und dann ist sie einfach dortgeblieben.

Konnte sie denn dann wieder zurück in die DDR?

Suza Kolb: Nachdem ich und mein ältester Bruder geboren wurden hat sie einfach mal einen Einreise-Antrag gestellt. Sie hat nicht damit gerechnet, dass sie kommen durfte, aber es wurde erlaubt. Naja, sie haben auch gleich erfahren, wieso: Meine Eltern haben beide in Bonn studiert. Das war seinerzeit 1968. Da war ja gerade die Studentenrevolte. Und dann haben sie versucht, meinen Vater eben bei der Stasi anzuwerben.

Okay, verstehe. Hatten Sie dann immer ein beklommenes Gefühl, wenn Sie in die DDR gefahren sind?

Suza Kolb: Nein, ich bin trotzdem immer sehr unbedarft reingefahren, deswegen erzähle ich die Geschichte im Buch auch so. Für mich war das immer wie eine Zeitreise. Meine Verwandten lebten auf dem Land. Das war in meinen Augen fast idyllisch: Verwunschene Gärten, Schusterstuben. Das war Abenteuerurlaub. Das andere habe ich natürlich auch verdrängt.

Haben Sie das Thema lange mit sich herumgetragen, bevor Sie dann ein Buch darüber geschrieben haben?

Suza Kolb: Ja, das habe ich. Ich habe mich zuerst nicht getraut – über sich selbst zu schreiben, oder über Menschen, die man sehr gut kennt, ist nicht einfach. Aber mir geht es auch darum, diese Erinnerungen zu bewahren. Ich meine, meine Söhne sind jetzt auch schon 25. 26. Die haben ja keinen blassen Schimmer davon, wie das war, als die Mauer existierte.

Also finden Sie es wichtig, an solche historischen Begebenheiten zu erinnern, vielleicht auch, um solche Zustände in Zukunft zu verhindern?

Suza Kolb: Ja, genau. Ich finde es sehr wichtig, die Freiheit zu haben, vor allem im Kopf. Nicht sagen und denken zu dürfen und nicht die Musik hören zu dürfen und nicht die Bücher lesen zu dürfen, die man möchte – das finde ich schlimm. Und das fanden ja auch viele Menschen damals schlimm und haben ja versucht, sich zu wehren – oder sie haben sich eben nicht gewehrt, haben es hingenommen. Und so eine Situation kann man sich heute, wenn man in einem Land wie dem unsrigen lebt, nicht vorstellen. Aber es ist noch gar nicht so lange her, dass es an einem Teil unseres Landes so war.

Sie haben gerade auch die erwähnt, die sich nicht gewehrt haben. So eine Figur kommt in Ihrem Buch auch vor: Die linientreue Marietta. Gab es für die ein reales Vorbild?

Suza Kolb: Ja, da gab es in der Nachbarschaft meiner Verwandten die eine oder andere Person. Aber es ist niemand konkretes damit gemeint.

Ist es denn ganz bewusst ein Jugendbuch, weil Sie damit gerade die Generation erreichen wollen, die die deutsche Teilung gar nicht mehr selbst erlebt hat?

Suza Kolb: Ja, das war ganz bewusst. Und zwar auch nicht ein Jugendbuch ab 14 oder 16, sondern ab 10 oder ab 12. Und da wird eben jetzt auch keiner auf der Flucht erschossen. Also ursprünglich war es mehr für ein bisschen Ältere angelegt, aber dann hab ich das abgeändert und versucht, es ein wenig leichter zu erzählen, damit eben auch Kinder in einem früheren Alter oder Jugendliche mit der Materie vertraut gemacht werden.

Und zwischen uns eine Mauer

Suza Kolb

Die 13-jährige Luisa aus West-Berlin verbringt im Sommer 1983 drei Wochen ihrer Ferien bei Verwandten in der DDR. Schnell freundet sie sich mit dem Nachbarsjungen Uwe an, der ein glühender Fan westlicher Musik ist und diese heimlich hört, dessen parteitreue Zwillingsschwester Marietta es aber gar nicht gern sieht, dass die beiden sich immer besser verstehen. Für Luisa sind die Ferien im Osten zunächst ein großes Abenteuer: die Fahrten im Trabi, kein Telefon im Haus, mit anderen Leuten zum Einkaufsladen stürmen und dort dann ewig Schlange stehen, weil es angeblich etwas Seltenes zu kaufen gibt – dies und einiges mehr unterscheidet sich von ihrem Leben im Westen. Luisa muss aber feststellen, dass das Leben in der DDR ganz anders ist, als sie es bei früheren Besuchen wahrgenommen hat, dass sie als Klassenfeindin kritisch beobachtet wird und dass es hier durchaus gefährlich sein kann, seine Gedanken mit Freunden oder sogar der Familie zu teilen...

Verlag: Knesebeck Von Dem GmbH

Seitenzahl: 203

ISBN: 3957284929, EAN: 978-3957284921

Jetzt bestellen über den sozialen Buchhandel: Buch 7.