In einem Spielzeugmuseum freuen sich Besucherinnen und Besucher über Teddybären, Puppenküchen und Modellbahnen. Kann man ihnen zwischen nostalgischen Spieluhren und Barbiepuppen mit Themen wie weißer männlicher Dominanz, Kolonialgeschichte und Sklaverei kommen?

Die Leiterin des Nürnberger Spielzeugmuseums Karin Falkenberg und ihr Team finden, dass man das muss. Stellvertretend für die anderen Museen der Stadt will sie das Thema Rassismus anpacken. "Wir erklären, was warum rassistisch ist", kündigt sie an.

Eine amerikanische Touristin machte auf rassistisches Spielzeug aufmerksam

Der Impuls kam vor gut drei Jahren mit dem Besuch einer schwarzen amerikanischen Touristin, die sich aufgewühlt an der Kasse beschwerte: "Sie stellen rassistisches Spielzeug aus. Dieses Objekt verletzt mich und alle Menschen mit afro-amerikanischen Wurzeln".

"Coon Jigger", ein Blechspielzeug zum Aufziehen, hatte ihren Ärger erregt. Den schlaksigen schwarzen Mann aus Alabama kann man mittels eines Federantriebs zum Tanzen bringen. Ein Produkt der Nürnberger Firma Paul Lehmann Patentwerke.

Falkenberg stimmt der Frau aus Amerika zu. "Coon" ist in den USA eine heute nicht mehr sehr geläufige Beleidigung für einen Menschen schwarzer Hautfarbe. Das Blech-Ding, ein Spielzeug für weiße Kinder, ist ein Relikt aus der Sklaverei-Geschichte.

Aber die traumatischen Erlebnisse der Kolonialgeschichte und der Sklaverei, die die empörte Reaktion der amerikanischen Besucherin auslöste, können weiße Menschen nicht nachvollziehen, stellt Falkenberg fest. "Was wir als eine nicht böse gemeinte Bemerkung verstehen, wirkt beim Gegenüber schnell verletzend".

Zunächst sollte mehr Bewusstsein im Museumsteam geschaffen werden

Das Antirassismus-Vorhaben hat also damit begonnen, beim Museumsteam selbst Bewusstsein zu schaffen. Ein Workshop für alle stand zuerst auf dem Programm, um dem "Rassismus in uns" auf die Spur zu kommen.

Dann ein Gang zusammen mit Menschen anderer Hautfarben durch die Sammlung des Nürnberger Spielzeugmuseums, der verdeutlichte, es gibt einige Objekte, "bei denen die Trigger-Warnung angehen muss," so Falkenberg. Schwarze Puppengestalten, denen man die Stereotype ganz schnell ansieht, oder Sparbüchsen, die auf das Klischee vom gierigen ehemaligen Sklaven anspielen.

Im Sommer wird es eine Ausstellung zu rassistischem Spielzeug geben

Das Spielzeugmuseum wird in den kommenden Jahren komplett umgebaut, will sich zu einem "emotionalem Weltmuseum" entwickeln. Dabei soll unter dem Motto "Eine Ecke weiterdenken" die bisherige europazentrierte Sichtweise hinterfragt werden, problematische Objekte nicht mehr unkommentiert zu sehen sein, erklärt Falkenberg.

Schon in diesem Sommer wird es eine erste Sonderausstellung geben, die für Rassismus bei Spielzeug sensibilisieren soll. "Kontext" ist hier das Schlüsselwort. Klischeehafte, stereotype beleidigende Sammlungsgegenstände werden nicht entfernt, sondern aus ihrer Zeit heraus erklärt. Damit ist Museums-Volontärin Mascha Eckert befasst.

Im Spielzeugmuseum soll über den Kolonialismus aufgeklärt werden

Sie will darüber aufklären, wo Stereotype ihren Ursprung haben oder welche Bedeutung der Kolonialismus für die deutsche Gesellschaft hat. In den Lehrplänen der Schulen werde der nur am Rande behandelt, stellt Eckert fest.

Es halte sich die Meinung, Deutschland habe nicht viele Kolonien gehabt und die auch nur sehr kurz. Dabei seien schon früh die Fugger und die Welser am Sklavenhandel beteiligt gewesen. "Da möchte ich ein paar Fakten auf den Tisch hauen, die bei den Leuten nicht so präsent sind", sagt Eckert.

Solches Vorwissen zu den Objekten soll verhindern, "dass nicht ganz schnell wieder die Problematik entsteht, dass im Grunde Stereotype reproduziert werden". Sie plane noch, wie sie mit den gezeigten Gegenstände umgehe, und habe das Gefühl, sich davon befreien zu müssen, wie traditionell Museum gemacht werde. "Man muss die Sachen auf den Kopf stellen - manchmal vielleicht wortwörtlich", denkt die Volontärin nach.

Eckert: "Auch Spielzeug ist nicht unschuldig"

Eckert ist sich darüber im Klaren, dass ein Anti-Rassismus-Projekt gerade im Spielzeugmuseum nicht überall auf Begeisterung stößt. "Ich kann es nicht mehr hören", schreiben Kommentatoren im Netz. Die Museumsleute werden als "Moralapostel" betitelt. Aber, gibt Eckert zu denken, "auch Spielzeug ist nicht unschuldig" - gerade wenn es schwarze Menschen mit schmerzvollen Erfahrungen konfrontiere.

Natürlich könne man auch weiterhin durch das Spielzeugmuseum gehen "und sich nette Sachen anschauen und in Erinnerungen schwelgen", stellt die Kuratorin fest. Aber die Ausstellung habe auch das Potenzial, Menschen die Augen zu öffnen, die sich auf das Projekt einlassen.

Die Ausstellung soll Bewusstsein für Rassismus schaffen

Eckert denkt auch an die Leute, die der festen Überzeugung seien, sie betreffe Rassismus nicht, weil für sie alle Menschen gleich seien. "Das wäre schön, wenn es so wäre, aber das ist nicht die Realität", stellt die Museumswissenschaftlerin und europäische Ethnologin fest.

Wer beispielsweise am N-Wort festhalte, obwohl er wisse, dass es schwarze Menschen verletzt, reproduziere Rassismus. "Über uns weiße Menschen sagt das aus, dass wir die Deutungshoheit sehr ungern abgeben".