An der Schweinfurter Friedrich-Fischer-Schule (FFS) sind "Juden" oft Thema. Auch über Antisemitismus und Rechtsradikalismus wird häufig gesprochen - im Unterricht, aber auch im Zusammenhang mit Ausstellungen und Vorträgen. "Unsere Fach- und Berufsoberschule war die erste 'Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage' in Schweinfurt", erklärt Lehrer Jörg Nellen, der seit zehn Jahren an der FFS tätig ist. Antisemitismus soll an der Schweinfurter Bildungseinrichtung keine Chance haben.

Er selbst, sagt Nellen, hat an der FFS noch nie antisemitische Äußerungen gehört. Was nicht heißt, dass es das nicht gäbe. Seit drei Jahren besuchen arabischstämmige Geflüchtete die Integrationsklassen der Schule: "Ein Kollege hat mir berichtet, dass dort die Vorurteile der arabischen Medien durchaus präsent sind." Kämen ihm solche Vorurteile unter, wüsste er genau, was er zu tun habe, sagt der stellvertretende Vorsitzende der GEW Unterfranken. Sein den Schülern vermitteltes Credo lautet: "Es ist egal, woher du kommst, wie du aussiehst, wie du dich kleidest und wie du sprichst, solange du unsere Werte teilst, die im Verfassungskern niedergelegt sind."

Schulen müssen früh gegen Antisemitismus vorgehen

Je früher gegen Antisemitismus und Intoleranz vorgegangen wird, desto eher kann es gelingen, einer Verfestigung von Vorurteilen vorzubeugen. Jüdische Bildungsexperten fordern, pädagogische Strategien gegen antisemitische Haltungen in der Schule zu entwickeln. "Antisemitismus kritische Bildung wird noch vernachlässigt", erklärt ein jüdischer Spezialist für den interreligiösen Dialog, der namentlich nicht genannt werden möchte. Dabei machten sich antisemitische Haltungen verstärkt öffentlich bemerkbar. Lehrkräfte, kritisiert der Pädagoge, gingen häufig "zu wenig engagiert" hiergegen vor.

Für die Friedrich-Fischer-Schule, betont Nellen, gilt das nicht. Hier wird intensiv über Antisemitismus und antijüdische Israelkritik reflektiert. "Vorfälle mit rassistischem oder rechtsradikalem Hintergrund werden mit Konsequenz pädagogisch aufgefangen und in der Schulfamilie veröffentlicht, um die Wiederholungsgefahr zu minimieren", sagt der Lehrer. Judenfeindliche Israelkritik werde mit Argumenten im Keim erstickt: "Wer Israels Politik als 'jüdisch' kritisiert, kann deutsche Politik genauso stimmig als 'blond' kritisieren." Beides sei absurd.

Ideologie als Gefahr

Wie verhängnisvoll sich extremistische Ideologien auswirken können, wird in allen Schulen des Freistaats gelehrt, erklärt Daniel Otto vom bayerischen Kultusministerium: "Unser Ziel ist es, Kinder und Jugendliche stark zu machen, damit sie antisemitischen Einstellungen entgegentreten können." Dabei müsse der Blick unbedingt auch in die Vergangenheit gerichtet werden. Das Thema "NS-Diktatur und ihre Folgen" sei daher fest in den Lehrplänen aller weiterführenden Schulen verankert.

Zwei Quellen aus Berlin werden oft herangezogen, wird ein zu lascher Umgang mit Antisemitismus kritisiert: Die Studie "Antisemitismus in der Schule" (hier kann das PDF heruntergeladen werden) sowie die Untersuchung "Die universitäre Lehre über den Holocaust". Letztere konstatiert, dass es "einer systematischen Verbesserung der Lehrerausbildung im Bereich der Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus" bedürfe. Dieses Ergebnis darf jedoch nicht pauschalisiert werden, warnt Manfred Pirner von der Universität Erlangen. "Bei uns zum Beispiel hat die Auseinandersetzung mit christlichem Antijudaismus und politischem Antisemitismus an Bedeutung gewonnen", sagt der Theologe.

Schulung für Lehramtsstudenten

Lehramtsstudenten würden in Erlangen motiviert, nicht wegzugucken und nicht wegzuhören, wenn sich Schüler antisemitisch verhalten oder judenfeindlich äußern. Dass die Problematik wächst, wird von Pirner bestätigt: "In den letzten Jahren ist eine Zunahme solcher Vorfälle an Schulen zu beobachten." Aus diesem Grund wird an der Erlanger Uni auch gerade eine Tagung zu dieser Thematik für Studierende der Evangelischen Religionspädagogik und der Evangelischen Theologie organisiert. Ende November wollen sich die Teilnehmer drei Tage lang mit der Frage befassen, was Pädagogen gegen Antisemitismus tun können.

Auch an der Augsburger Uni werden Lehrer in spe befähigt, Antisemitismus Paroli zu bieten: Sie können im Ergänzungsstudium das Zertifikat "Interreligiöse Mediation" erwerben. Zwei bis vier Semester werden den Studentinnen und Studenten pädagogische Grundlagen interreligiöser Bildung vermittelt, außerdem erhalten sie ein Basiswissen über die drei monotheistischen Religionen. Auch bereits ausgebildete Lehrer haben die Möglichkeit, sich für das Ergänzungsstudium einzuschreiben und das Zertifikat zu erwerben.

Schüler sind auch eine wichtige Zielgruppe für Institutionen, die über den Holocaust und den aktuellen Antisemitismus aufklären. Dies geschieht zum Beispiel im Lern- und Erinnerungsort "Dokumentation Obersalzberg", der vom Münchner Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Freistaats konzipiert wurde. "Rund 170.000 Menschen besuchen jedes Jahr unsere Ausstellung", informiert Bildungsreferent Mathias Irlinger. Darunter auch Schüler und Lehrer. Dass sich ein Jugendlicher im Lernort als Antisemit geoutet hätte, hat Irlinger noch nie erlebt.

Umgang mit NS-Begriffen: Schulungen für Schülerinnen

Viele Schüler gingen sehr reflektiert mit NS-Begrifflichkeiten um: "Das nehmen wir als überaus positiv wahr", sagt Irlinger. Wie geraten Menschen eigentlich ins gesellschaftliche Abseits? Wie konnte geschehen, was im Dritten Reich geschah? Darüber wird in der "Dokumentation Obersalzberg" ausführlich mit den Jugendlichen gesprochen. "Nach unserer Einschätzung ist durchaus Sachwissen zur Geschichte des Holocaust vorhanden." Es werde allerdings oft "in Schubladen" gedacht. Aus diesem Grund sei es wichtig, junge Menschen über die subtilen, schleichend verlaufenden Prozesse aufzuklären, die zu Ausgrenzung führen können.

Weil Israel selbst für weit gereiste Schüler oft Neuland ist, erhalten Bayerns Schulen ab dem kommenden Schuljahr insgesamt fast 300.000 Euro an Zuschüssen für Studienfahrten nach Israel. Auch dadurch soll Antisemitismus an Schulen nachhaltig entgegengewirkt werden. Die Schüler sollen israelische Schulen, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, historische Orte und moderne öffentliche Räume erleben. "Indem sie die lebendige Realität der einzigen Demokratie im Nahen Osten wahrnehmen, werden sie lernen, den Staat Israel und seine Bürger wertzuschätzen", ist Ministeriumssprecher Otto überzeugt.