Die Theologin Susanne Bei der Wieden ist seit Samstag die erste Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche. Synodenpräses Norbert Nordholt führte die 54-Jährige bei einem Gottesdienst in der Großen Kirche in Leer in ihr neues Amt ein. Ihre Amtsgeschäfte nahm die leitende Theologin bereits am Mittwoch auf. Die Gesamtsynode hatte die frühere Pastorin aus Frankfurt am Main im März mit großer Mehrheit zur Nachfolgerin von Martin Heimbucher gewählt, der im Juli in den Ruhestand ging.

In ihrer Predigt warb Bei der Wieden angesichts wachsender weltweiter Probleme wie Flucht und steigender Armut für einen neuen Blick auf die biblische Botschaft. "Wir werden in Zukunft ganz anders gefragt sein, was uns vom Evangelium her geboten ist", sagte sie. Die Frage sei nicht mehr, wie attraktiv die Kirche für Menschen sei, die ohnehin zu ihr kämen. Entscheidend werde die Frage sein, "wer bleibt, wenn Gottes Wort uns dahin ruft, in seinem Namen Position zu beziehen an der Seite der Schwachen, der Verlierer, im Dienst des Friedens und der Versöhnung". Vielleicht kämen gerade deshalb Menschen wieder neu zur Kirche.

Evangelisch-Reformierte Kirche: Haltung zeigen

Der frühere Berliner Bischof Markus Dröge gratulierte der neuen Kirchenpräsidentin im Namen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er ermutigte die reformierte Kirche, der Gesellschaft Orientierung zu geben: "In unseren Zeiten muss die Kirche nach draußen gehen, den Anschluss suchen, mit den gesellschaftlichen Kräften kooperieren." Dabei gelte es, "Haltung zu zeigen, so wie die reformierte Kirche es vorbildlich beim Thema Geflüchtete getan hat". Die Kollekte in dem Gottesdienst war für die Seenotrettung im Mittelmeer bestimmt. Die EKD unterstützt dabei die Arbeit des Bündnisses "United4Rescue", das das Rettungsschiff "Sea-Watch4" entsandt hat.

Die Präsidentin des Landeskirchenamtes der hannoverschen Landeskirche, Stephanie Springer, überbrachte die Glück- und Segenswünsche der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. In den vergangenen Jahrzehnten hätten sich die Kirchen in dieser Kooperation untereinander zu schätzen gelernt, sagte sie. Es gehe darum, "mit Worten, aber vor allem mit Taten gemeinsam für eine freiheitliche, solidarische, tolerante und demokratische Gesellschaft einzutreten", betonte Springer.

Der Präses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrich Oelschläger, bedauerte mit einem Augenzwinkern den Wechsel von Susanne Bei der Wieden aus ihrer bisherigen Heimatkirche in die reformierte Kirche: "Du wirst uns fehlen - mit deinem wachsamen theologischen Blick, deinem aufmerksamen Ohr, deiner oft prägnant zusammengefassten Analyse und deinen ökumenischen Kontakten."

Bei der Wieden ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Als Kirchenpräsidentin vertritt sie künftig die Evangelisch-reformierte Kirche in der Öffentlichkeit und leitet das Landeskirchenamt in Leer mit rund 80 Mitarbeitenden. Zur reformierten Kirche mit Sitz in Leer gehören rund 168.500 Mitglieder in 143 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu.

Die Evangelisch-reformierte Kirche

Die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz im ostfriesischen Leer zählt zu den kleineren der 20 Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Zu ihr gehören 143 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu mit zusammen 165.400 Mitgliedern. Ihre Wurzeln liegen in der Schweizer Reformation des 16. Jahrhunderts. Zu ihren Vätern zählen die Reformatoren Ulrich Zwingli (1484-1531) aus Zürich und Johannes Calvin (1509-1564) aus Genf.

In reformierten Kirchen gibt es in der Regel keine Altäre, keine Kruzifixe und keine Wandmalereien, weil das biblische Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“ sehr ernst genommen wird. Im Mittelpunkt der Gottesdienste steht die Predigt. In der reformierten Kirche herrscht überdies ein striktes Gleichheitsprinzip: „Keine Gemeinde darf über eine andere, kein Gemeindeglied über ein anderes Vorrang oder Herrschaft beanspruchen“, heißt es in der Kirchenverfassung, die auf der „Emder Synode“ aus dem Jahr 1571 fußt.

Die Evangelisch-reformierte Kirche wurde 1882 auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen gegründet, nachdem Kaiser Wilhelm I. den reformierten Gemeinden im damaligen Preußen die Einberufung einer eigenen Synode ermöglicht hatte. 1989 kamen die reformierten Gemeinden aus Bayern hinzu. Später schlossen sich auch die bis dahin eigenständigen Gemeinden in Hamburg, Braunschweig und Göttingen an.

Reformierte Kirchen gibt es - neben lutherischen und katholischen Kirchen - auf allen Kontinenten. Nahezu 230 Kirchen in 108 Ländern weltweit gehören zur Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, die ihren Sitz 2014 von Genf nach Hannover verlegte. Die Zahl der reformierten Christen insgesamt wird auf rund 80 Millionen geschätzt.

Die Theologin Susanne Bei der Wieden von der Evangelisch-reformierten Kirche stellt sich vor.