Was gibt es zu berücksichtigen, wenn ein Moscheebau bevorsteht? Welche Kooperationen sind möglich? Wer hilft bei der Beratung von Geflüchteten? Sind islamische Bestattungsriten mit lokalen Friedhofssatzungen in Einklang zu bringen?

Ein Team aus drei Experten steht Kommunen und Verbänden bei solchen Fragen ab Januar 2019 als "Islamberatung in Bayern" zur Seite - vor Ort, telefonisch oder per E-Mail. Anfragen können bereits jetzt auf der Homepage der Einrichtung gestellt werden. Die Federführung hat die Eugen-Biser-Stiftung, deren Studie "Brückenbauer in Bayern" der neuen Anlaufstelle vorausgegangen ist. Fachliche Kompetenz kommt vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE). Mit beteiligt ist auch die Robert-Bosch-Stiftung, die 250.000 Euro für drei Jahre zuschießt. Sie fördert bereits seit 2015 eine ähnliche Islamberatung in Baden-Württemberg.

Einer der Väter der Idee, der Leiter des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa (EZIRE) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Professor Mathias Rohe, sieht die Aufgabe der Islamberatung darin, "Leute zusammenzubringen und sie zu beraten, welche Schritte man in konkreten Situationen tun kann".

 

Herr Rohe, welche Art Anlaufstelle soll die neue Islamberatung "Brückenbauer zwischen muslimisch geprägten Lebenswelten und Kommunen" sein?

Mathias Rohe: Wir bekommen immer wieder Anrufe, dass ein Moscheebauprojekt geplant ist, wie soll man damit umgehen. Oder in den islamischen Gemeinden läuft gerade viel in Sachen Flüchtlingsberatung. Die sind dort oft hoffnungslos überfordert. In kleineren Städten und Organisationen wissen die Akteure oft schlichtweg nicht, mit wem man kooperieren kann. Hier geht es erst mal darum, Leute zusammenzubringen, sie zu beraten, welche möglichen Schritte kann man in konkreten Situationen tun. Oft genug geht es um Querschnittthemen. Da mischen sich die Dinge und deswegen ist es möglicherweise sinnvoll zu überlegen, wie kann eine mittelgroße Kommune eine solche Stelle einrichten, an der man sich nur um Islamfragen kümmert.

Ich kann da also beispielsweise als Gemeinderat zur Beratung hingehen und fragen, ob ich mit einer bestimmten muslimischen Gemeinde zusammenarbeiten kann?

Die Frage kommt recht oft, mit wem kann ich eigentlich kooperieren? Jetzt, da DITIB sehr kontrovers im Gespräch ist, bekommen wir Anfragen, ob eine Schulklasse dort noch einen Moscheebesuch machen kann. Die Unsicherheit ist groß und da kann man helfen, eine klarere Linie zu finden. Wir können sehr wohl Ratschläge geben, was bei der Auswahl von möglichen Kooperationspartnern beachtet werden soll und für welche öffentlichen Reaktionen man sich wappnen muss.

Können Sie da ein Beispiel nennen?

Das hat man jetzt wieder auf der Islamkonferenz gesehen.

Es gibt ein paar Protagonisten, die sehr zu Verallgemeinerungen neigen, zum Beispiel mit dem Wording: In "den" Moscheen Deutschlands wird Folgendes gepredigt. Das ist aus meiner Sicht Unsinn, weil es hier keine einheitliche Linie gibt.

Leute, die so darüber reden, haben keine Ahnung, was in den einzelnen Moscheen gepredigt wird, aber das wird dankbar von einem Teil der Medienöffentlichkeit aufgegriffen.

Meinen Sie damit Publizisten, die sagen, dass keine muslimische Frau freiwillig ein Kopftuch trägt?

Ja, so ein Zeug, oder wer auch immer sich zu Wort meldet, dessen Undifferenziertheit und magere Faktenkenntnis zwar auf Resonanz stoßen und einiges zur Verunsicherung beitragen. Da ist es eben wichtig, dass man Leuten hilft, indem man deutlich macht, ja es gibt Probleme, das darf man nicht kleinreden - aber es gibt nicht immer und überall Probleme.

Manchmal sind es ja auch die unterschiedlichen Strukturen, die Probleme bereiten.

Exakt. Es sind Kleinigkeiten, zum Beispiel, wenn man Treffen vereinbart, darauf zu achten, dass, was für uns Dienstangelegenheiten sind, für die Beteiligten aus dem muslimischen Spektrum Treffen sind, für die sie unbezahlten Urlaub nehmen müssen. Oder, wenn Frauen involviert sind, muss auch die Kinderbetreuung bedacht werden. Oft scheitern Begegnungen schlicht an der Machbarkeit für Leute, die eine ganz normale Existenz führen.

Und auf solche Probleme sollen die Inhaber der Islamberatungsstellen hinweisen?

Genau, sie sollen Ratschläge geben, wie man vorgeht. Da hat sich eine Menge an Erfahrungswissen angesammelt: Wo ist etwas gutgegangen, wo nicht, Erfahrungswissen, das man nicht ohne weiteres nachlesen kann. Am Ende kommt es auf die konkrete Situation an.

Warum hat sich die Gesellschaft noch immer nicht an die sehr große Gruppe der Muslime gewöhnt?

Nun ja, viele haben sich ja gewöhnt.

Aber man stellt fest, dass der traditionell orientierte Islam, der sichtbare Islam zum Teil ganz gezielt zum Feindbild aufgebaut wird. Die AfD hat es zum Programm gemacht und das finde ich eine neue Qualität, weil sich die Partei ja im demokratischen Spektrum verortet. Und mit einer Anti-Islam-Politik Stimmung zu machen, sickert durch.

Was ich auch erlebe, ist eine allgemeine Verunsicherung. Da kommen wieder irgendwelche Bücher von Herrn Sarrazin und solchen Leuten auf den Markt, die sehr plakativ Ängste schüren, unbeleckt von jeder Faktenkenntnis, und vorhandene Probleme falsch diagnostizieren oder übertreiben. Und wer schon Ängste hat, lässt sich in den Ängsten bestätigen.

 

Stimmen zur Islamberatung aus Politik, Wissenschaft und islamischen Gemeinden

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt, er begrüße die neue Anlaufstelle sehr, sie leiste "wichtige Hilfestellung". Es gehe darum, Ängste und Vorbehalte abzubauen und das Verständnis füreinander zu fördern. Herrmann zeigt sich froh, dass die Islamberatung von der Eugen-Biser-Stiftung organisiert ist: "Es ist nicht Aufgabe des Staates zu erklären, was religiöse Inhalte sind". Zudem spricht er sich für eine Fortsetzung des Modellversuchs Islamunterricht an bayerischen Schulen aus. Dieser läuft nach mehreren Verlängerungen seit acht Jahren. Im Juli 2019 endet er offiziell.

Haci-Halil Uslucan, Direktor des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung an der Universität Duisburg-Essen, verweist auf den starken Zusammenhang von Religion und Migration. In der Fremde biete die Religion verstärkt Identifikation und Orientierung. Der Anteil der Migranten, die sich als "sehr religiös" bezeichneten, sei zuletzt angestiegen. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass Religion ein Integrationshemmnis darstelle; entscheidend sei vielmehr der soziale Hintergrund. Obwohl die Wahrnehmung von Muslimen häufig negativ sei, fühlten sich Muslime der zweiten Generation zu mehr als 80 Prozent der deutschen Gesellschaft zugehörig.

Behörden fehlt es laut Uslucan häufig an Offenheit gegenüber muslimischen Anliegen. Auf der anderen Seite wirke es oft provokativ, wenn muslimische Gruppen nicht präsent oder transparent seien. Oguz Tasdelen, Geschäftsführer der Ditib Jugend Bayern, sagt: "Das größte Problem ist, wenn internationale Konflikte auf die kommunale Ebene heruntergebrochen werden." Türkisch-muslimische Jugendliche seien oft verstört, wenn sie pauschal als "Agenten Erdogans" verleumdet würden.

Der Penzberger Imam Benjamin Idriz hat überwiegend gute Erfahrungen der Zusammenarbeit mit den Kommunen gemacht - in Penzberg wie beim Münchner Forum für Islam. Dies habe jedoch "keine Entsprechung auf staatlicher Ebene", sagt er. Die ausgestreckte Hand werde von der Staatsregierung nicht ergriffen, doch die neue Islamberatung werde hoffentlich auch diese Kooperation befördern.