Noch ist es nur ein Bauloch. Nahe dem Universitätsklinikum im Augsburger Westen kann man noch nicht erkennen, dass hier später einmal ein großer Neubau mit dem Namen "Westhouse" entstehen soll. In dem Gebäude soll dann auch ein besonderes Hotel einziehen. Im Hotel "einsmehr" sollen einmal die Hälfte der 24 Mitarbeitenden Menschen mit Beeinträchtigung sein. Hinter dem Inklusionsprojekt steckt der gleichnamige Verein "einsmehr".

Vor 18 Jahren hat sich der Verein als Selbsthilfegruppe gegründet. Die Teilnehmer dieser Gruppe waren allesamt Eltern von Kindern mit Downsyndrom. Heute gehören rund 130 Familien zum Verein. Sie alle erleben immer wieder, wie schwer sich die jungen Erwachsenen mit geistiger Beeinträchtigung auf dem ersten Arbeitsmarkt tun. "Wir fragten uns, wo gibt es Bedarf, etwas zu ändern?", sagt Jochen Mack von "einsmehr". Bei einem Ausflug vor einigen Jahren sei den Mitgliedern die Idee für das Hotel gekommen. Rasch war eine Arbeitsgruppe gebildet, doch: "Wir hatten keine Ahnung vom Hotelwesen oder was wir an Kapital brauchen", ergänzt Vereinsvorsitzende Karin Lange.

"Einsmehr" sammelte schon mehrere hunderttausend Euro Spenden

Dann sei man auf das "Westhouse" im Augsburger Stadtteil Kriegshaber aufmerksam geworden, in dem sich junge Unternehmen ansiedeln sollen. "Wir haben dem Bauträger unsere Idee präsentiert und er war angetan", erzählt Mack. Zwei Businessberater prüften die Hotel-Idee und entschieden, dass es in Augsburg möglich sei. Die nächste größere Hürde war die Finanzierung. Denn der Verein braucht zur Verwirklichung seines Projekts rund 1,6 Millionen Euro. "Wir begannen Spenden zu sammeln und wurden total überrascht", sagt Lange. Bisher seien es schon einige hunderttausend Euro. Vom Bezirk Schwaben und dem Inklusionsamt Bayern gebe es weitere hohe Zuschüsse. Zuletzt sagte auch die Stadt Augsburg einen Zuschuss von 150.000 Euro zu.

Im Mai fand ein Spendenlauf statt, an dem 120 Läufer teilgenommen haben. Auch Marco Richter, Junioren-Nationalspieler des FC Augsburg, half mit. Am Ende hatte man Spenden in Höhe von 21.000 Euro beisammen, erzählt Mack. Der nächste Lauf sei für Mai 2020 geplant. Immer wieder würden auch Institutionen oder Vereine auf "einsmehr" zukommen und Hilfe anbieten. So will eine Pfarrgemeinde aus Augsburg ihr Pfarrfest zugunsten des Vereins abhalten und ihre Einnahmen spenden. "Es läuft", sagt Mack.

Die erste Stelle im Inklusionshotel ist schon besetzt

Das Hotel soll zunächst 73 Zimmer haben. Die erste Stelle hat der Verein bereits besetzt: Ab 1. Oktober wird eine Pädagogin ihre Arbeit aufnehmen. Man kooperiere mit anderen Hotels, um eine Kerngruppe von Hotelangestellten auszubilden. Noch wird aber ein Hoteldirektor gesucht. "Wir haben mehr als 40 Bewerbungen erhalten, wir sind daher zuversichtlich, den oder die Richtige zu finden", sagt Mack.

Von den 24 Angestellten wird die Hälfte eine Beeinträchtigung haben. "Wir wollen eine gute Mischung finden und gleichzeitig früh die Mitarbeiter schulen", erklärt Mack. Die Menschen mit Beeinträchtigung können im Hotel nach ihren eigenen Fähigkeiten arbeiten. "Wenn einer eher weniger Kontakt zu den Gästen haben will, dann hilft er eben hinter den Kulissen mit", sagt Lange.

Behinderte sollen erste Berufserfahrungen machen

Ziel des Hotels sei es, den Menschen erste Berufserfahrungen zu ermöglichen, und sie dann an andere Firmen oder Unternehmen weiterzuvermitteln. "Die Zeit und die Gesellschaft sind reif für ein solches Projekt", sagt Lange. Schon jetzt fragten andere Projekte immer wieder nach, ob sie Ratschläge vom Verein bekommen können.

Bereits im Winter kann der Verein mit der Inneneinrichtung beginnen, dann ist das Loch nahe der Universitätsklinik Geschichte. Hilfe bekommt "einsmehr" dann von einem Augsburger Innenarchitektenbüro. "Wir mussten uns viele Gedanken machen", sagt Mack. Welche Fliesen benutzt werden, welche Möbel es braucht und wie der Stil sein soll. Wenn es nach Lange und Mack geht, steht der Eröffnungstag des Hotels aber schon fest: der 1. September 2020. Bis dahin jedoch ist es noch ein langer Weg - und einige Spenden braucht es noch.