"Lustig ist die 'Fosernacht', wenn die Mutter Küchle backt, wenn sie aber keine backt, dann pfeif' ich auf die 'Fosernacht'." Dieses Lied sangen wir Kinder am Fastnachtsdienstag verkleidet als Bäcker, Zimmermann, Cowboy, Indianer oder Sheriff voller Freude und zogen fröhlich und gut gelaunt von Haus zu Haus. Unsere Nachbarn kannten uns und erfreuten sich an unseren Späßen. Sie gaben uns Süßigkeiten, Küchle und Krapfen mit auf den Weg.

Mit dem Aschermittwoch konnten wir als Kinder nicht viel anfangen. Es war das traurige Ende des lustigen und fröhlichen Fastnachtstreibens.

Die ruhige und nachdenkliche Zeit begann.

Als Kommunalpolitiker besuche ich Prunksitzungen, Fastnachtsveranstaltungen und Umzüge. Immer häufiger erlebe ich in diesen Tagen verunsicherte Menschen. Können wir noch ausgelassen feiern, wenn in der Ukraine Krieg und Gewalt herrschen, Frauen und Kinder fliehen und ihre Heimat verlassen müssen, Zivilisten und Soldaten sterben?

"Ich könnte nur noch weinen, wenn ich erlebe, wie die Menschen ihrer Freiheit, ihrer Lebensträume und Zukunft beraubt werden", sagte mir dieser Tage eine nachdenkliche Faschingsprinzessin.

Walter Schnell, Vizepräsident der Landessynode der ELKB

Wir Christen erinnern uns in den Wochen vor Karfreitag an das Leiden und Sterben Jesu Christi und bereiten uns auf Ostern vor.

Die Fasten- oder Passionszeit beginnt mit dem Aschermittwoch und endet am Karsamstag. Ganz bewusst verlassen die Menschen in dieser Zeit bekannte Pfade. Wir machen einen Bogen um den Kühlschrank, die Hausbar, verzichten auf Konsum, meiden die Zigarette oder gehen mehr zu Fuß.

Im Mittelalter gab es dafür strenge Regeln. Es ging vor allem darum, beim Fasten nichts falsch zu machen. Martin Luther lehnte diese strengen Regeln und die Vorstellung ab, dass Verzicht und Askese als gute Werke vor der Hölle bewahren. Wer in der Fastenzeit auf etwas verzichtet, darf nach protestantischem Verständnis selbst entscheiden, was für ihn gut ist.

Ich sehe die Fastenzeit als Zeit der Einkehr, der Umkehr und der Besinnung.

In diesem Sinne bedeutet für mich Fasten, durch Verzicht auf Unwichtiges aufmerksam zu werden für das, was Gott mir zu sagen hat. Im Fasten merke ich, dass es guttut, die eigene Verunsicherung und Ratlosigkeit Gott anzuvertrauen und neu auf Gott zu hören. Das Fasten macht den sehnsuchtsvollen Gebetsruf aus Psalm 51 an Leib und Seele spürbar: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist."

Neu auf Gott hören - das gilt auch für die christlichen Kirchen.

Protestanten, Katholiken und Orthodoxe brauchen eine gemeinsame Stimme in den wichtigen Überlebensfragen. Wenn die Kirchen immer wieder neu aufeinander und auf Gottes Wort hören, dann haben sie etwas zu sagen zu Frieden, Klimaschutz und Gerechtigkeit.

Neu auf Gottes Wort hören - das tut uns auch gesellschaftlich gut. In diesem Jahr ist die Machtergreifung Hitlers 90 Jahre her. Wir sollten dankbar sein, dass wir in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat leben dürfen. Dieser Staat sorgt für einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen. Die Bedürfnisse der Gesamtgesellschaft werden mit denen einzelner Menschen sorgsam abgewogen. Das ist nicht immer leicht und es erfordert Zuhören und Dialogbereitschaft. Aber wir können mit Leidenschaft um gemeinsame Wege diskutieren und ringen. Gott sei Dank leben wir in dieser Freiheit. Die Passionszeit ist eine Chance darüber nachzudenken und für das hohe Gut der Demokratie einzutreten.

Mir geben die Wochen nach dem Aschermittwoch Ruhe, Zeit, Kraft, Lebensfreude und Orientierung. Das wünsche ich auch Euch!

Allmächtiger Gott, du bist bei uns, geduldig, Tag und Nacht und von großer Güte. Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen, dass diese vierzig Tage zu einer Zeit des Friedens werden. Mache uns bereit zur Umkehr und erfülle die Menschen mit deiner Liebe.

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