St. Anna ist in Augsburg mittendrin - nicht nur rein geografisch angesichts der zentralen Lage in der Nähe des Rathauses und zwischen dem katholischen Dom und der Basilika St. Ulrich und Afra. Auch, was die Bedeutung des Kirchenortes innerhalb der Stadtgesellschaft angeht.

Da ist das Evangelische Forum als Bildungszentrum mit großem Veranstaltungssaal, eine Musikschule, ein Café, eine Tiefgarage - und natürlich die Kirche selbst mit dem Fuggergrab und der -kapelle, in Erinnerung an die berühmte Stifterfamilie der Stadt. Stadtbaumeister Elias Holl hat den Kirchturm und das Gymnasiumsgebäude geplant.

St. Anna als wichtiger Ort der Geschichte 

"Mein Lieblingsort ist natürlich die Kanzel", sagt der erste Pfarrer Thomas Hegner, der die "protestantische Fahne" an diesem Ort, an dem 1525 erstmals evangelisch gepredigt wurde, mit seinem Team hochhält.

Der Ort ist geschichtsträchtig, hat doch 1518 Martin Luther dort übernachtet, als er nach dem Reichstag zu Augsburg im Oktober vor dem römischen Kardinal Cajetan seine 95 Thesen widerrufen sollte. Knapp 500 Jahre später unterzeichneten am selben Ort 1999 Vertreter der katholischen und der evangelisch-lutherischen Kirchen die gemeinsame Erklärung der Rechtfertigungslehre, eines der wichtigsten ökumenischen Dokumente.

Corona verhindert das Jubiläumsfest

2021 hätte das 700-jährige Kirchenjubiläum angestanden. Als die Jubiläumsfeiern wegen der Pandemie nicht möglich waren, fragten sich der erste Pfarrer Thomas Hegner und sein Team:

"Warum feiern wir eigentlich?"

Sie fanden aber schnell genügend Antworten, um ein dreimonatiges Jubiläumsprogramm auf die Beine zu stellen, das einige Besonderheiten zu bieten hat. Es wäre naheliegend gewesen, ein paar besondere Gottesdienste und einen Festakt zu organisieren und so an die Geschichte der Annakirche zu erinnern.

"Aber wir wollten mehr", erinnert sich Brigitte Pischner, Kirchenführerin und Mitorganisatorin der Gottesdienst-Reihe "punkt7".

Ein Buch über die Geschichten der Menschen 

Eine, die auch mehr wollte und mitorganisiert, ist Claudia Stöhler. Die Hochschuldozentin hatte die Idee, Menschen aus der Gemeinde nach ihren Geschichten zu befragen, die sie mit der Annakirche verbinden, und daraus ein Buch zu machen.

"Wir haben gezielt Menschen angesprochen", berichtet sie. Unterstützt wird sie dabei aus der Gemeinde von Barbara Jekeli, mit der sie Interviews führt und die Geschichten der Menschen aufschreibt.

Wenn die Jubiläumswochen zum 1. Oktober enden, soll das Buch fertig sein:

"Und wir sind sicher, dass danach noch viele Geschichten zu uns kommen, dass es sogar einen zweiten Teil geben könnte."

Führungen in St. Anna 

In den kommenden Wochen stehen noch einige Gelegenheiten an, St. Anna mal von einer anderen Seite kennenzulernen. Täglich um 15 Uhr führen fachkundige, "annaverliebte" Frauen und Männer durch die Kirche und haben zum Jubiläum an sieben Wochenenden besondere Führungen konzipiert, die jeweils Aspekte aus einem einzelnen Jahrhundert von der Klostergründung über den Dreißigjährigen Krieg bis zur Wiederbelebung des Ostchores in den Fokus nehmen.

Seit dem 30. Juli finden "sommerlich leichte" Gottesdienste und bei der Reihe "Hofgezwitscher" (2. und 16. August) im Leuthof kleine kostenlose Konzerte von Pop bis Jazz statt.

Jeder ist eingeladen

Das kulturelle Programm rund um das Jubiläum wartet dabei mit Überraschungen auf, die auch ein Publikum erreichen sollen, das sonst vielleicht nicht in die Kirche kommen würde: Zum Beispiel das Erzählkonzert "Engel in Fetzen" mit ostjüdischen wie chassidischen Geschichten, erzählt und gespielt mit Geige und Papier vom Künstlerduo Hedwig Rost und Jörg Baesecke am 23. September.

"Wir haben so viele Schätze, die wollen wir heben und andere einladen, das auch zu tun", sagt Brigitte Pischner. St. Anna sei schon immer ein lebendiger Ort des Glaubens gewesen - bis heute.

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