Die Kirchen protestieren weiter vehement gegen die von der Bundesregierung geplante Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär geschützten Flüchtlingen. "Eltern und Kinder gehören zusammen. Geschwister gehören zusammen. Familien gehören zusammen", sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein, den Zeitungen der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft".
Stäblein und der katholische Bischof Stefan Heße befürchten nach eigenen Worten negative Folgen für die Integration, sollte der Familiennachzug nicht mehr möglich sein. Am Mittwoch will das Bundeskabinett voraussichtlich einen entsprechenden Gesetzentwurf beraten.
"Der Zusammenhang und Zusammenhalt der Familie ist entscheidend für ein gutes Ankommen", sagte Stäblein. Wer mit seinen Nächsten in Sicherheit leben dürfe, "findet schneller Halt, lernt leichter unsere Sprache, kann sich besser integrieren und wird eher Teil unserer Gesellschaft". Deswegen sei eine großzügige Regelung sinnvoll, sagte der Berliner Bischof.
"Ethisch fragwürdig und negativ für die Integration"
Heße, der in der Deutschen Bischofskonferenz für das Thema Migration zuständig ist, sagte, Folge eines Stopps des Nachzugs werde sein, dass Bürgerkriegsflüchtlinge auf längere Zeit getrennt von ihren engsten Familienmitgliedern leben müssten. "Dies ist in ethischer Hinsicht überaus fragwürdig und wirkt sich auch negativ auf die Integration aus", sagte er. Das Grundgesetz stelle die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieses Versprechen müsse auch für schutzsuchende Familien gelten, sagte der Hamburger Bischof.
Das Bundeskabinett soll am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) beraten, der den Familiennachzug für subsidiär Geschützte für zwei Jahre aussetzen soll. So haben es Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Subsidiären Schutz erhalten Flüchtlinge, wenn sie keine individuelle Verfolgung nachweisen können, ihnen aber dennoch Gefahr für Leib und Leben im Heimatland droht, etwa wegen eines Krieges.
Kinder aus Krisengebieten können nicht mehr zu ihren Eltern
Die Aussetzung des Familiennachzugs ist für die neue Bundesregierung eine Maßnahme zur Reduzierung der Fluchtzuwanderung nach Deutschland. Subsidiär Schutzberechtigte haben anders als Flüchtlinge mit einem anderen Status seit 2016 kein Recht mehr auf das Nachholen der engsten Angehörigen. 2018 wurde für sie ein auf 12.000 Plätze pro Jahr begrenztes Kontingent für den Familiennachzug eingerichtet. Mehrheitlich konnten damit Kinder aus Krisengebieten zu ihren Eltern nach Deutschland kommen.
Auch bei Nichtregierungsorganisationen stößt das Vorhaben von Dobrindt auf Kritik. Sichere Fluchtwege würden damit geschlossen, erklärte Tareq Alaows von Pro Asyl am Dienstag. "Es ist eine Katastrophe für die betroffenen Familien", sagte er. Nach der Beratung im Kabinett muss der Bundestag über das Gesetz beraten und darüber abstimmen.
(om/epd)
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Die Anmerkungen zu den…
Die Anmerkungen zu den verheerenden Folgen für Familie und Integration stimmen alle. Hinzu kommt, dass diese Regelung Angehörige vermehrt dazu bringt selbst auf Schlepperpfaden einzureisen, was die Zahl der Zugewanderten dann nicht begrenzt, aber die vermutlich schwächeren Familienmitglieder zusätzlichen Risiken und Kosten der Schlepperei aussetzt. Allerdings sollten die Kirchen nicht immer nur mehr Migration und großzügigere Regelungen fordern. Diese Einseitigkeit der Betrachtung führt nicht nur zur Überlastung des Landes sondern schwächt auch Solidarität, die es ja dringend braucht. Die Kirchen sollten immer auch das erreichte anerkennen und ihre eigenen Möglichkeiten mit einbringen. Andernfalls entsteht der Eindruck des nie Genug, der Überforderung und schließlich der Gleichgültigkeit oder gar Ablehnung. Die Kirchen haben sicher nicht die Aufgabe für härtere Bedingungen zu werben oder gar gegen Flüchtlinge zu polemisieren, aber sie sollten die Schwierigkeiten der Realpolitik eine gute Balance zu finden auch anerkennen und die Leistung derer, die das Werkl am Laufen halten In- wie Ausländer, Neu- wie Altbürger. Wenn man einer erschöpften Gesellschaft triumphal zuruft: "Wir schicken noch ein Schiff!" und durchblicken lässt: "Ihr genügt nicht! Stengt Euch mehr an!" So stellt sie sich unabhängig von der Notwendigkeit der Menschenrettung gegen die schon hier Lebenden und verliert den Bodenkontakt und die Unterstützung. Die Kirchen sollten sich sehr selbstkritisch ansehen - nicht indem was sie tun, sondern wie sie es verkaufen und kommunizieren. Es ist auch das Problem einer Generation, die sich über die Ablehnung der Menschenverachtung ihrer Ahnen definiert und diese Haltung - die so schlecht ja nicht ist - ihren Nachkommen aufdrängen will, die aber in einer ganz anderen Position sind, in eine andere Zeit geboren sind und zudem so nur gegen die Eltern rebellieren können, indem sie genau das angreifen, was zu einer Brutalisierung und Geschichtsrevisionismus führt. Kein schönes Ergebnis für niemand und nicht zukunftsträchtig.