Gisela Bornowski war sowohl als Gemeindepfarrerin in der Hesselberg-Region, als Dekanin in Bad Windsheim und als Regionalbischöfin jeweils die erste Frau auf dieser Position.
Frau Bornowski, wie erleben Sie die aktuelle Debatte um Frauenquote und -förderung in der Landeskirche?
Gisela Bornowski: Ich weiß nicht, ob wir alleine mit einer Frauenquote weiterkommen. Denn ein Problem ist einfach: Es bewerben sich tatsächlich meist weniger Frauen als Männer auf Leitungsposten. Dabei ist es schon heute so: Wer sich als Frau bewirbt, hat alleine durchs Frausein einen Vorteil - eben, weil die ganzen Gremien, die für die Stellenbesetzungen zuständig sind, wissen, dass es da momentan ein Ungleichgewicht gibt.
Am Ende sind es aber vor allem die Rahmenbedingungen der Leitungsjobs, die Frauen abschrecken.
Können Sie das ein bisschen näher erläutern?
Das fängt schon damit an, dass es für kirchliche Leitungspositionen keine Arbeitsplatz- oder Aufgabenbeschreibungen gibt. Jede Regionalbischöfin und jeder Regionalbischof, jede Dekanin und jeder Dekanin gestaltet seine Tätigkeit neben den Grundaufgaben so, wie er es für sinnvoll hält. Manche mit mehr Präsenz, manche mit weniger, manche mit 70-Stunden-Woche, manche mit weniger. In der Wirtschaft wäre das undenkbar, dass es da keine Leitplanken gibt. Aber wir sind an diesem Thema dran.
Es heißt immer wieder, die Leitungsjobs seien vor allem nicht familienkompatibel …
... und das ist schlicht und ergreifend wahr. Denn auch in unserer Landeskirche herrscht zu oft noch die Vorstellung, dass man bei der Übernahme einer Führungsposition die Familie und das Privatleben hinten anzustellen hat. Das ist bis heute ein gesamtgesellschaftliches Problem und damit auch in der Kirche, dass Leitung oft mit einer Art Selbstaufgabe verknüpft wird, auch wenn es vielleicht nie so ausgesprochen wird. Und viele Frauen, die ich kenne, sind dazu einfach überhaupt nicht bereit.
Das klingt fast so, als würden sich Männer bis heute nie um Kinder und Familie mit kümmern wollen?
Nein, so ist das natürlich nicht. Ich erlebe das in meiner eigenen Familie auch anders. Zum einen hätte ich meine Stellen nie antreten können, wenn mein Mann seinen Job nicht aufgegeben und sich zu Hause um alles gekümmert hätte – damals gab es ja auch noch keine Kinderkrippen und so weiter. Zum anderen ist es aber schon auch so, dass sich Frauen mehr Gedanken über eine Vereinbarkeit von Job und Familie oder auch über ihre Belastbarkeitsgrenzen machen. Ich würde sagen: Sie sind achtsamer.
Das heißt im Umkehrschluss: Männer machen sich weniger Gedanken und stolpern in die Überlastung?
Nein, so pauschal kann man das sicher nicht sagen. Aber ja: Wenn es um die Frage geht, wie viel mutet man sich in welcher Position zu, wo zieht man Grenzen, sind Frauen weiter. Deshalb glaube ich ja auch, dass man mit einer Quote alleine nichts gewinnt. Es müssen sich die Rahmenbedingungen ändern. Und zwar in der ganzen Gesellschaft und in der Kirche.
Wir brauchen flexiblere Modelle, also Teilzeit und Stellenteilung, auch über Familiengrenzen hinweg. Ich denke, wir müssen da sehr viel kreativer werden.
Sie gehen in wenigen Jahren in den Ruhestand. Was bräuchte es an anderen Rahmenbedingungen, damit sich eine Frau heute gerne auf ihren Job bewirbt?
Das ist sicher sehr individuell. Aber: Das Hauptproblem ist immer die Care-Arbeit. Denn mein Job verlangt viel Flexibilität. Wenn’s irgendwo brennt, muss ich spontan sein, auch abends. Wenn das der eigene Partner nicht mitmacht, solange Kinder im Haus sind, wird es schwierig. Nur so als Idee: Alle Regionalbischöfe haben ein Dienstauto mit Fahrer. Das ist viel wert, gerade in der Fläche.
Aber so mancher Bewerberin und so manchem Bewerber wäre eine vom Arbeitgeber gestellt Haushaltshilfe oder Nanny sicher viel nützlicher.
Was würden Sie rückblickend sagen: Wurden Sie als Frau in der Kirche gezielt gefördert?
Für mich persönlich und mein Berufsleben kann ich sagen, dass ich als Frau immer gefördert und auch ermutigt und teilweise sogar aufgefordert wurde, mich auf Leitungsstellen zu bewerben. Allerdings: Ich musste mich schon immer auch beweisen in diesen Ämtern – und natürlich gab es auch Ablehnung. Nicht bei den Menschen vor Ort und auch nicht bei den Vorgesetzten, aber vor allem zu Beginn meines Berufslebens im Kreis der meist noch männlichen Kollegen. Das ist heute zum Glück die absolute Ausnahme.
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