"Ich habe mich in einem Candystorm wiedergefunden"

Frau Lubomierski, Sie haben mit einem kurzen Video auf Instagram die Debatte um eine Frauenquote in der bayerischen Landeskirche neu entfacht. Haben Sie mit so viel Zuspruch gerechnet?

Nina Lubomierski: Nein, das hätte ich tatsächlich nicht erwartet. Ich habe auch mit viel mehr Gegenwind gerechnet. Aber der kam nicht. Ich habe mich vielmehr in einem Candystorm wiedergefunden. Im März hatte eine Gruppe Frauen schon einen entsprechenden Vorstoß gewagt, aber außerhalb der Kirche keine Beachtung gefunden. Aber sie haben den Boden bereitet für die jetzige Debatte.

Sie haben offenbar einen Nerv getroffen. Der Zuspruch in den Sozialen Medien ist groß, selbst außerhalb der kirchlichen Bubble wird über das Thema diskutiert und berichtet …

Es freut uns natürlich, dass das Thema Frauenquote so groß aufgegriffen wird und dass auch das mediale Interesse da ist. Aber natürlich wäre es mir lieber, wenn wir gar nicht darüber diskutieren müssten und die Teilhabe von Frauen in der Führungsetage unserer Landeskirche eine Selbstverständlichkeit wäre.

"Die Entscheidung über eine Frauenquote liegt in letzter Instanz bei der Synode"

Das Thema ist in der Öffentlichkeit – das Eisen also sprichwörtlich heiß. Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich weiß, dass sich jetzt einige in der Synode zusammensetzen und mit der Arbeit anfangen. Wenn eine entsprechende Eingabe oder ein entsprechender Antrag eingereicht wird, muss sich das Kirchenparlament mit dem Thema befassen. Denn: Die Entscheidung über eine Frauenquote liegt in letzter Instanz bei der Synode. Auch der Landeskirchenrat kann aktiv werden und die aktuelle Debatte als Anlass nehmen, um einen eigenen Gesetzesvorschlag einzureichen. Was ich im Übrigen sehr begrüßen würde. Dann könnten wir vielleicht schon bei der nächsten Synodentagung im November über eine Frauenquote abstimmen.

Frauenquote in der Landeskirche: Wie würde das rechtlich gehen?

Seit Wochen wird über eine mögliche Frauenquote für Führungsposten in der bayerischen evangelischen Landeskirche diskutiert. Kirchenrechtlich gibt es verschiedene Wege, diese umzusetzen – aber immer braucht man dafür die Landessynode. Das Kirchenparlament ist schließlich der Gesetzgeber.

Nach der aktuell geltenden Rechtslage werden Auswahlentscheidungen in der Kirche wie auch im öffentlichen Dienst getroffen: Es gelten allein die üblichen Kriterien von Leistung, Eignung und Befähigung.

  • Der Landesbischof oder die Landesbischöfin werden in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern von der Synode gewählt. Grundlage hierfür sind die Kirchenverfassung und das Bischofsgesetz. Bei der Wahl 2023 standen zwei Frauen und zwei Männer zur Wahl, im finalen Wahlgang eine Frau und ein Mann.
  • Für die Berufung der Oberkirchenrätinnen und Oberkirchenräte, die als Abteilungsleiter im Landeskirchenamt in München oder als Regionalbischöfinnen oder -bischöfe in den Kirchenkreisen arbeiten, gibt es ein eigenes Regelwerk: das Oberkirchenräteberufungsgesetz.
  • Auch für die Ernennung von Dekaninnen und Dekanen ist mit der Pfarrstellenbesetzungsordnung eine eigene gesetzliche Grundlage vorhanden.

Möchte die Synode also eine verbindliche Frauenquote einführen, muss dann auch geklärt werden, ob sich diese nur auf einzelne Bereiche beziehen oder umfassend gelten soll. Nach Einschätzung von Kirchenjuristen ist dabei besonders zu prüfen, ob eine Quote auch bei den Stellen eingeführt werden kann, die durch eine Wahl besetzt werden.

Die Gefahr, dass sich männliche Bewerber nach der Einführung einer Frauenquote ungerecht behandelt fühlen und dann womöglich juristisch dagegen mit Erfolg vorgehen könnten, halten Kirchenjuristen für überschaubar. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seien solche Quotenregelungen ausdrücklich möglich, wenn Frauen in bestimmten Bereichen deutlich unterrepräsentiert sind.

Eine Änderung der Kirchenverfassung – die viel aufwendiger wäre als von der Landessynode mehrheitlich zu beschließende Gesetze – halten Kirchenjuristen nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) beim Thema Parität nicht für zwingend erforderlich.

Sie haben prominente Fürsprecher. Landesbischof Christian Kopp hat in einem Interview gesagt, dass die Frauenquote ein "interessanter Gedanke" sei.

Es freut mich natürlich sehr, dass Landesbischof Christian Kopp sich bei der Frage auch schon positioniert hat und sich eine Frauenquote vorstellen könnte. Ich würde es nur begrüßen, wenn der Landesbischof, der ja Mitglied im Landeskirchenrat ist, weitere Schritte mit anstoßen würde.

"Ich sehe mich nicht als Gesicht einer Kampagne"

Freut es Sie, dass Sie als Gesicht der Debatte um eine Frauenquote wahrgenommen werden?

Ich sehe mich nicht als Gesicht einer Kampagne. Ich habe ja letztlich nur meiner Enttäuschung auf Instagram Ausdruck darüber verliehen, dass erneut bei der Vergabe eines Oberkirchenrats-Postens keine Frau berücksichtigt worden war. Und das, obwohl erst Ende Februar eine Gruppe von Kirchenmitarbeiterinnen eine Petition für die Gleichstellung von Männern und Frauen in Leitungsgremien gefordert hat. Das fand ich unfassbar, dass diese Kritik offenbar nicht ernstgenommen wurde. Mein Posting war spontan, da steckt kein Masterplan dahinter.

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