Der Gemeindename solle dazu anregen, sich "bescheiden und stetig" mit der Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung eines Christen auseinanderzusetzen, sagte Pfarramtsführer Felix Breitling im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Die bislang einzige Sophie-Scholl-Gemeinde steht in Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg, wo die Familie Scholl viele Jahre lebte und Sophie in den Orten Forchtenberg, Ludwigsburg und Ulm aufgewachen ist.

München hingegen ist die Stadt, in der Sophie Scholl starb: Sie war als Mitglied der Münchner NS-Widerstandsgruppe "Weiße Rose" im Alter von 21 Jahren von NS-Richtern verurteilt und am 22. Februar 1943 in der JVA Stadelheim enthauptet worden. Beim Festgottesdienst zur Fusion am Sonntag (20.1.) predigt Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler.

Sophie Scholl: Auseinandersetzung mit Glauben

Anlässlich ihrer Gemeindefusion am 1. Dezember 2018 hatten die Protestanten der Offenbarungskirche Berg am Laim und der Rogatekirche Ramersdorf beschlossen, sich als Zeichen des Aufbruchs einen neuen, gemeinsamen Namen zu geben. Sophie Scholl sei als Namensgeberin gewählt worden, weil sie sich auf eindrucksvolle Weise mit ihrem Glauben auseinandergesetzt habe, so Pfarrer Breitling.

Um ihrem neuen Namen gerecht zu werden, plane die Sophie-Scholl-Gemeinde zum Todestag der Widerstandskämpferin am 22. Februar eine Lesung sowie eine Ausstellung zur Weißen Rose ab 18. Januar. Darüber hinaus seien Predigtreihen zum Thema Glaube und Demokratie oder eine Abendreihe zu den Tagebüchern von Sophie Scholl denkbar.

Verantwortung eines Christen in der Welt

"Der neue Name bedeutet nicht, dass wir die Guten sind, das wäre vermessen", sagte die zweite Pfarrerin der Gemeinde, Verena Übler. Der Beauftragte für die Gemeindefusion, Mathias Brandstätter, ergänzt: "Die schweigende Mehrheit gab und gibt es immer – jeder Einzelne muss in Situationen, in denen er sich unwohl fühlt, überlegen, ob er schweigt oder ob er seine Stimme erhebt." Der Gemeindename wolle Menschen anregen, sich mit dieser Frage zu beschäftigen und ihren eigenen Weg zu finden.

Das Gemeindeteam erhoffe sich durch den Namen auch Schnittstellen mit der Evangelischen Jugend München, die in der Rogatekirche ihren Dienstsitz hat und u.a. eine Arbeitsstelle zu Erinnerungsarbeit und Demokratiebildung unterhält.

Drei Partner, zwei Kirchen

Denn durch die Fusion müssen nicht nur zwei, sondern drei Partner zusammenwachsen: Seit April 2017 nutzen die Evangelische Jugend München und die Rogategemeinde die umgebaute Kirche gemeinsam. Die Kirchengemeinde hat dabei einen Nutzungsanteil der Räume von 22,5 Prozent. Ein gemeinsamer Kalender soll die Raumplanung erleichtern. Für die Wochenenden gilt derzeit die Regel: "An den geraden Wochenenden im Monat hat die Gemeinde, an den ungeraden die Jugend das Belegungsrecht", sagt Verena Übler, Rogatepfarrerin seit August 2017.

Flexibilität und Experimentierfreudigkeit sind von beiden Partnern gefragt. So feiert die Gemeinde ihren Sonntagsgottesdienst in der modernen Jugendkirche bei wechselnder Beleuchtung: von weiß gedimmt bis zu bunten Discostrahlern ist alles möglich. Erste Kooperationen gibt es bei der Ausstellung über die Weiße Rose, die ab 18. Januar in Kirche und Saal zu sehen ist. Aber auch die Grenzen der Synergie sind klar: "In der Offenbarungskirche braucht es trotz Jugendkirche einen eigenen Jugendkeller, wo die Gemeindejugend kickern, abhängen und auch mal Krach machen kann", sagt Pfarrer Breitling.

Spaziergänge und Themen-Gottesdienste für mehr Gemeinsamkeit

Schon seit zwei Jahren tagen die Kirchenvorstände der Offenbarungskirche mit ihren 3600 und der Rogategemeinde mit 1100 Mitgliedern gemeinsam, der Gemeindebrief ist schon lange fusioniert. Um diese schon gewachsenen Verbindungen noch zu vertiefen, ist Mathias Brandstätter da. Auf seiner für zwei Jahre befristeten Projektstelle will er das Gemeinschaftsgefühl stärken. Um die beiden Gotteshäuser besser bekannt zu machen, denkt er an Gottesdienst-Spaziergänge im Sommer. Gut angenommen werde bereits der monatliche Themen-Gottesdienst in Rogate: "Da schwingen sich schon manche aufs Rad, um zu kommen", sagt der gelernte Physiker. 

Sein Ziel und das der Pfarrer ist, dass die Mitglieder der Sophie-Scholl-Gemeinde sich als Einheit verstehen – und bald ganz selbstverständlich die zwei Orte nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen.