Die Chormusik im deutschsprachigen Raum leidet an dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Eine Studie unter der Leitung von Kathrin Schlemmer, die an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) die Professur für Musikwissenschaft innehat, ergab, dass jeder fünfte Chor nach wie vor nicht probt. Im Nachwuchsbereich sei häufig ein Wiederaufbau von Ensembles nötig, die in Folge der Pandemie keine Kinder und Jugendliche hätten werben können. Hinsichtlich Mitgliederzahlen und Finanzen habe sich die Situation zumindest etwas stabilisiert.

Deutlich weniger Rückmeldungen zur Umfrage

Um herauszufinden, wie es den Chören aktuell geht, sei laut Mitteilung der KU eine Befragung von 2021 in diesem Frühjahr wiederholt worden. Während es 2021 noch über 4.600 Rückmeldungen zu der Erhebung gegeben habe, zählten die Forschenden dieses Mal rund 1.000 Teilnehmende.

"Das könnte einerseits daran liegen, dass die mediale Berichterstattung im Frühjahr 2022 angesichts des Ukraine-Krieges weniger stark auf Corona fokussiert war, andererseits aber auch ein Effekt der Wiederholung sein, da die wesentlichen Probleme bereits bei der ersten Umfrage benannt wurden",

sagte Schlemmer. Es sei auch möglich, dass die Chöre, die bereits 2021 angegeben hatten, gar keine Mitglieder mehr zu haben, sich nicht noch einmal gemeldet hätten.

Rückläufige Mitgliederzahlen, finanzielle Sorgen und Nachwuchsprobleme

Rückläufige Mitgliederzahlen, finanzielle Sorgen und Nachwuchsprobleme waren laut Mitteilung die zentralen Befunde der ersten Erhebungswelle für die ChoCo-Studie ("Chöre in Coronazeiten") aus dem März 2021. Auch im Frühjahr 2022 seien unter den Befragten knapp ein Viertel der sonst aktiven Chormitglieder nicht aktiv gewesen. Dies bedeute, dass die meisten Chöre ihre ursprüngliche Mitgliederzahl noch nicht wieder erreicht haben. Acht Prozent der Chöre rechneten mit einem dauerhaften und deutlichen Mitgliederverlust.

Ein positives Ergebnis der Folgestudie stelle das verbesserte musikalische und mentale Befinden der Chormitglieder dar. Offenbar sei die Erleichterung groß, dass die als absolute Ausnahmesituation empfundenen Lockdowns vorerst vorbei seien und das gemeinsame Singen wieder erlaubt sei, stellt Schlemmer fest. Gerade Kinder- und Jugendchöre gelte es nun zu fördern, da sie in vielen Fällen vor einem kompletten Wiederaufbau stünden.

Vor diesem Hintergrund forderte ein Großteil der Befragten, das Singen in der Schulklasse zu fördern. Als Nadelöhr könne sich hier jedoch der Mangel an entsprechend pädagogisch ausgebildeten Kräften erweisen sowie der Fokus auf den Nachholbedarf in Hauptfächern. Eine gute Nachricht sei es, dass der Bund die Amateurmusik auch weiterhin finanziell fördern wolle.