14,4 Kilometer Archivgut und 3,4 Kilometer Bücher. Das macht zusammen 18,8 Kilometer Material im Landeskirchlichen Archiv der evangelischen Kirche in Bayern (LAELKB) in Nürnberg. Dazwischen sind Kostbarkeiten, die nicht jeder hier vermutet hätte. 20 davon werden vom 20. Februar bis 2. April bei der Ausstellung "Schatzkiste 2020" präsentiert. Dafür hat das gesamte Team des Landeskirchlichen Archivs seine Lieblingsstücke zusammengestellt und noch Events organisiert, die das Archiv in ganz neuem Licht zeigen sollen.
Zwei Tage lang war man vor 500 Jahren noch per Pferdekutschen von München nach Nürnberg unterwegs. Während der Fahrt ablenken konnte sich der Reisende damals, wenn er Besitzer eines Reisetaschenbuchs war, das Bibliothekar Frank Weber der Schau beigesteuert hat: eine Sammlung von sechs kunstvoll zusammengebundenen geistlichen Erbauungsbüchern aus der Zeit mit Predigten, Gesängen oder einem Katechismus, der gedreht und gewendet werden konnte, wie es dem Lesenden gerade beliebte.
Erstaunliche Fundstücke aus dem 18. Jahrhundert
Ein Kuriosum ist auch der Fund von Kollegin Sabine Reichert, die aus dem Kompendium an Zeitschriften eine Ausgabe des Wochenblattes "Der Kinderfreund" aus dem Jahr 1777 gefischt hat, das ein aufklärerisches Theaterstück namens "Edelmuth in Niedrigkeit" enthält: Ein Gärtnerjunge rettet adeligen Kindern das Leben und genießt zum Dankeschön dieselbe Erziehung wie der vornehme Nachwuchs. Das Schauspiel haben Schüler des Nürnberger Melanchthon-Gymnasiums jetzt erarbeitet und werden es am 9. März im LAELKB aufführen.
Die Tauf- und Sterbeverzeichnisse vergangener Jahrhunderte ermöglichen Nachforschungen der eigenen Herkunft
In den alten Kirchenbüchern forschen im Archiv immer wieder Menschen nach Spuren ihrer deutschen Herkunft. Oft seien dies Russlanddeutsche, erklärt die Archivmitarbeiterin Annemarie Müller. Sie ist den Lebenswegen von 66 Paaren nachgegangen, die 1766/67 dem Lockruf von Zarin Katharina II. nach Russland gefolgt waren und dort ihr Glück suchten. Deren Nachkommen wollten dann in den politischen Wirren des 20. Jahrhunderts wieder zurück in die Heimat der Vorfahren. In einem Erzählcafé kann man am 21. März mit heute in Nürnberg lebenden Bürgern russlanddeutscher Herkunft ins Gespräch kommen.
Mit solchen Veranstaltungen will sich das Archiv einer breiteren Öffentlichkeit näher bringen und dabei zeigen, dass in den Magazinen des 2013 eröffneten Hauses nicht nur das Gedächtnis der evangelischen Kirche in Bayern lagert, sondern auch Stadt- und Kunstgeschichte in einem Zeitraum vom 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart, erklären die Ausstellungsmacher.
Die Handschrift von Nikolaus Kopernikus zählt zu den herausragenden Exponaten
Bisher seien mit den Ausstellungen zu den sechs Kirchenkreisen eher innerkirchlich Interessierte angesprochen worden, erklärt LAELKB-Leiterin Andrea Schwarz, "jetzt wollten wir Sachen für jedermann zeigen". Darunter ist ein originales Manuskript des Astronomen Nikolaus Kopernikus, welches der Nürnberger Reformator Andreas Osiander veröffentlicht hat. Zu sehen sind Holzschnitte Albrecht Dürers für Bücher oder eine liturgische Handschrift für die Nürnberger Lorenzkirche aus dem Jahr 1421. Zu den vorreformatorischen Schätzen zählt auch eine Ablassurkunde aus dem Jahr 1514.
Der Archivmitarbeiter Ingmar Bucher hat sich um die Fassung des von nationalem Charakter geprägten "Luther"-Films aus dem Jahr 1927 gekümmert und zeichnet die skandalträchtige Rezeption und Zensur der damaligen bayerischen Staatsregierung nach, die massiv wegen des "Verkündigungscharakters" des Streifens protestiert hatte.
Die "Schatzkiste 2020" soll so zeigen, dass eines der größten Kirchenarchive in Deutschland für weitaus mehr steht, als für alte Gesangbücher und Bibeln.
Tipp
Die Ausstellung ist vom 20. Februar bis zum 2. April im Landeskirchlichen Archiv, Veilhofstraße 8 in Nürnberg zu sehen. Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag 10 bis 16 Uhr, Freitag 10 bis 13 Uhr und sonntag 13 bis 17 Uhr (Faschingsdienstag geschlossen).