Wie eine 8 schlängelt sich die "Straße der Romanik" durch Sachsen-Anhalt. Unter den 88 Baudenkmälern an 73 Orten auf rund 1000 Kilometer Wegstrecke der seit 30 Jahren beworbenen Tourismusroute findet man einige geistliche Zentren, die ohne ihre enge Beziehung nach Bayern so nicht oder nicht mehr denkbar wären.

Dome und Kirchen, Klöster und Burgen, Schlösser und Stadtanlagen aus dem 10. bis 13. Jahrhundert liegen an der Kulturroute, die am 7. Mai 1993 vom Tourismusverband Sachsen-Anhalt ins Leben gerufen wurde. Die Bauwerke verbinden ihre typischen Rundbögen und –fenster, wuchtige Säulen mit massiven Steinsockeln in ansonsten schlicht gehaltenen Fassaden.

Von Münsterschwarzach nach Memleben

Das Datum ist kein zufälliges, ist der 7. Mai doch Todestag Otto I., erster römischer Kaiser deutscher Nation, der eng mit der Schlacht vom Lechfeld nahe Augsburg im August 955 verbunden ist und der 973 im Kloster Memleben verstarb.

Wer heute dort die Überreste der nach der Reformation aufgegebenen geistlichen Stätte besucht, kann mittels moderner museumspädagogischer Technik und virtueller Realität die Klostermauern wieder auferstehen lassen. Archäologen graben nach "Des Kaisers Herz", wie eine aktuelle Sonderschau heißt, bei der es um die Suche nach Gefäßen oder anderen Hinweisen geht, die auf die Bestattung der Eingeweide des Kaisers hinweisen, die hier tatsächlich stattgefunden hat, bevor der Leichnam weiter in den Magdeburger Dom transportiert wurde.

Wenn hie und da mal ein Mönch anzutreffen ist, dann ist dies kein Schauspieler: Seit 2011 sind die Benediktiner aus der Abtei in Münsterschwarzach hier zu Gast, nachdem eine kommunale Stiftung seit 2008 wieder Leben in das Areal bringt. "Vor allem in der spätromanischen Krypta finden hier  Exerzitien und kulturelle Veranstaltungen mit Unterstützung der Mönche statt. Manche ziehen hier aber auch nur ein, um sich eine Auszeit zu nehmen", erklärt Götz Ulrich, Landrat des Burgenlandkreises. Die Kooperation mit Münsterschwarzach, dessen prominentester Vertreter Anselm Grün den Besucher schon von den Buchtiteln im Museumsshop am Eingang anstrahlt, gehe auf den Altlandkreis Nebra zurück, der wiederum mit dem unterfränkischen Landkreis Kitzingen, in dem das Kloster Münsterschwarzach steht, bis vor wenigen Jahren eine Partnerschaft pflegte.

Selbitzer Ordensleute auf dem Petersberg

Dauergast in einer romanischen Basilika des 12. Jahrhunderts ist seit 1999 Johannes Wohlgemuth. Zusammen mit Gleichgesinnten machte sich der Geistliche von der Communität Christusbruderschaft aus dem oberfränkischen Selbitz auf und zog in die Klosteranlage Petersberg auf einer Anhöhe 15 Kilometer nördlich von Halle an der Saale. "Ich bin einer von zwei verbliebenen Brüdern. Und mit uns beiden wird hier auch die Tradition auf dem Berg dann enden", sagt Bruder Johannes. Mittlerweile fast 80 Jahre alt, hält er aber die Tradition der öffentlichen Stundengebete und Veranstaltungen in der Erbgrablege des Adelsgeschlechts der Wettiner aufrecht.

Seit Oktober 2012 sind auch Frauen des Selbitzer evangelischen Ordens mit dabei. "Wir laden auch Gäste zum Mitleben bei einfachem Lebensstil ein", meint Susanne Schmitt. Die Ordensschwester hat die Leitung seit 2019 inne. "Jeder muss mitmachen beim ora et labora", beschreibt sie die Einkehrzeiten, zu denen sich Interessierte hier einmieten können. Das bedeutet Teilnehmen an den Gottesdiensten ebenso wie beim Abwasch helfen. Eine kleine Gruppe von Selbitzer Schwestern bildet seit 2008 im Übrigen auch einen Stadtkonvent in der Lutherstadt Wittenberg, wo vor über 500 Jahren die Reformation begann.

Schwester Susanne und Bruder Johannes
Schwester Susanne und Bruder Johannes singen im Kloster Petersberg.

Ehemaliger Kornspeicher im Kloster Helfta

Hat das Kloster Petersberg auf seinem Berg die Jahrhunderte und vor allem auch die allzu weltliche Nutzung in den Jahren der DDR nahezu unbeschadet überstanden, musste das im 13. Jahrhundert gegründete, ehemalige Zisterzienserkloster im Ortsteil Helfta der Lutherstadt Eisleben nach der Wende wieder mühsam aufgebaut werden. Der Geist der drei großen Mystikerinnen Mechthild von Magdeburg, Mechthild von Hakeborn und Gertrud der Großen, die nach der Regel des heiligen Benedikt und gemäß den Gebräuchen der Zisterzienser hier lebten, weht heute wieder durch die Mauern. Die wurden ab 1992 mit Unterstützung des aus bayerischen und sachsen-anhaltischen Kreisen gegründeten „Verbands der Freunde des Klosters Helfta“ wieder aufgebaut. Heute gehört die Anlage dem Bistum Magdeburg.

Wenn Schwester Gracia in der hellen Klosterkirche steht, hat sie immer noch das Bild vor Augen, wie es sich ihr 1999 zeigte, als sie mit sechs anderen Schwestern aus der Zisterzienserabtei Seligenthal bei Landshut hierher kam. „Eine Wand war abgerissen worden, um mit großen Maschinen rein fahren zu können“, erinnert sie sich an die Jahre, in denen die Marienkirche als Kornspeicher diente. Zu den Gottesdiensten kommen heute auch tagsüber viele Menschen aus dem Umland nebst Touristen, die im Klosterladen selbst gemachte Produkte von Seifen bis hin zu „Kloster-Gin“ kaufen.

Und wenn doch ein bisschen Heimweh nach Bayern aufkommt, dann schaut Schwester Gracia einfach auf die bronzenen Darstellungen des Kreuzwegs und auf den Ambo – die stammen vom Münchener Bildhauer Max Faller.

Ehemaliger Kornspeicher im Kloster Helfta
Gottesdienst im ehemaligen Kornspeicher im Kloster Helfta.

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