"Ungebrochen solidarisch". Ein zeitgemäßeres Motto hätte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für den diesjährigen Tag der Arbeit kaum wählen können. Da klingen die zahlreichen Brüche an, die wir erleben: nach Corona, mitten im Krieg in der Ukraine, konfrontiert mit hoher Inflation und niedrigem Wachstum, vor dem schmerzhaften Umbau unserer Energiesysteme.

Dazu kommen die vielen ungelösten Herausforderungen mit gehörigem "Bruchpotential": Wie ist dem Arbeitskräftemangel zu begegnen? Wie ist die Wohnungsnot zu lindern? Wie ist die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme zu gewährleisten? Wie kann "das deutsche Geschäftsmodell" der Exportorientierung in einer Welt autokratischer Staaten als Systemwettbewerber funktionieren?

Auf Kante genähtes Budget

Für viele Menschen sind bereits die aktuellen Brüche nicht nur feuilletonistischer Natur. Sie werden am eigenen Leib erlebt, etwa wenn die Stromsperre droht, das auf Kante genähte Budget für Lebensmittel überhaupt gar nicht mehr reicht, die Mieterhöhung schlaflose Nächte bereitet. Kommt dann noch eine unvorhergesehene Ausgabe um die Ecke, weil der Kühlschrank oder die Waschmaschine den Geist aufgibt, ist der Ofen aus.

Gerade für diese Menschen machen sich die Gewerkschaften in ungebrochener Solidarität in diesen Tagen stark. So hat man die Tarifforderungen, die insbesondere deutliche Lohnsteigerungen für die unteren Einkommensgruppen aufrufen, zu deuten.

Es geht nicht "um einen ordentlichen Schluck aus der Pulle", sondern schlicht und ergreifend darum, dass jeder Mensch in Arbeit in unserem Land von seinem, von ihrem Lohn leben kann.

Das ist nicht nur menschengerecht, sondern auch vernünftig. Die Legitimität unseres politischen und unseres Wirtschaftssystems hängt in hohem Maße daran, dass es gesellschaftliche Teilhabe für alle ermöglicht. Ja, es geht gerade in Zeiten gesellschaftlicher Brüche um gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Dass dieser auch mal trotzig erstritten werden muss, ist kein Widerspruch. Denn dieser Streit verläuft in unserem Land in lange erprobten Verfahren nach Recht und Gesetz. Am Ende steht immer eine Einigung, die beiden Tarifparteien etwas abverlangt, aber auch Frieden und Planungssicherheit beschert.

Friede ohne Gerechtigkeit ist kein Friede

Zudem ist Friede ohne Gerechtigkeit eben kein Friede. Das dürfte uns Christenmenschen ein Begriff sein. Weil Frieden im biblischen Sinn da ist, wo Menschen ihrer fundamentalen Lebenssorge befreit miteinander leben können. Und weil es dafür der Gerechtigkeit bedarf, die in der Gemeinschaftstreue Gottes zu uns Menschen erfahren wird.

Es ist die Gemeinschaftstreue, die etwa Paulus fragen lässt: "Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?" (Römer 8,31)

In der Erfahrung dieser Gemeinschaftsstreue werden wir Menschen überhaupt erst frei, von unserer eigenen Lebenssorge abzusehen und unseren Blick anderen zuzuwenden. Da kann dann Gemeinschaft entstehen. Gerade die Schwächsten, die in einem Wettbewerb der Eigeninteressen außen vor bleiben, geraten dann überhaupt wieder in den Blick. Ihre Not wird als Gemeinschaftsaufgabe verstanden.

 

Ein Mann mit Brille, er lächelt
Pfarrer Peter Lysy ist neuer Leiter beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, der Arbeitsseelsorge der evangelischen Kirche in Bayern.

 

"Ungebrochen solidarisch" ist daher ein deutliches, wegweisendes, auch durchaus trotziges Motto. Trotz all der Brüche, die wir derzeit erleben und erleiden, bleiben wir solidarisch, suchen wir die Gemeinschaft miteinander. Wir lassen uns nicht verängstigen oder vereinzeln, wir bleiben in unserer möglichen Verzweiflung nicht allein. Wir nehmen einander wahr. Wir teilen miteinander, was uns gegeben ist, an Kraft, an Wissen, an Macht, an Liebe.

"Ungebrochen solidarisch." Weil wir an einen Gott glauben, der selbst im Bruch des Todes seine Gemeinschaftstreue erwiesen hat, hat auch uns dieses Motto zum Tag der Arbeit etwas zu sagen.

Als kda Bayern, dem Dienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für alle Menschen in der Arbeitswelt, werden wir daher auch dieses Jahr zum Tag der Arbeit wieder an verschiedenen Orten in Bayern Gottesdienste feiern und auf Kundgebungen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften ungebrochene Solidarität mit den Menschen zum Ausdruck bringen, die dort vertreten sind und vertreten werden.

 

Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (kda) informiert hier über alles zum 1. Mai

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