Eine Gruppe Kultur-Touristen kommt durch das Eingangsportal des Evangelischen Zentralfriedhofs. "Darf man hier auch Radfahren?", fragt ein Teilnehmer. Gesagt, getan. Schon geht es über den geschwungenen Landschaftsweg, an Bienenstöcken und Brutkästen vorbei, unter 100-jährigen Linden- und Ahornbäumen hindurch. Ein Eichhörnchen quert die Gräberfelder. Studierende spazieren über das Areal auf ihrem Weg von der Uni in die Altstadt. Auf dem Evangelischen Zentralfriedhof herrscht alles andere als Totenruhe. Im November vor 125 Jahren wurde er eröffnet. Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten ist ein Festakt am 27. September (19 Uhr).

Der Friedhof ist ein lebensbejahender Ort. Genauso war der Gottesacker von der evangelischen Kirche Ende des 19. Jahrhunderts geplant.

Wie ein englischer Landschaftsgarten angelegt, sollte er den Lebenden Trost und Hoffnung in ihrer Trauer spenden. "Deine Toten sollen leben", heißt es in großen Lettern über dem prächtigen Eingangstor.

Damals lag das vorgesehene Areal noch weit außerhalb der Stadt, mitten im Grünen auf dem Galgenberg. Mehr als ein Dutzend Bierkeller mit Ausschank gab es dort, das Ausflugsziel war von der Altstadt aus gut zu Fuß zu erreichen. "Eisbuckel" hieß das 14 Tagwerk große Feld, unter dem die Thurn- und Taxisbrauerei ihre Bierfässer lagerte - bis zu Erfindung der "Kältemaschine" von Linde. Dann wurde der Eisbuckel mit seinem Bierausschank in den Kellergaststätten nicht mehr gebraucht, die evangelische Kirche kaufte das Gelände für ihre Toten.

Planung des Friedhofes mit Parkcharakter 

Es wurden Terrassen in Nord-Süd-Richtung angelegt und es gab einen kompletten Bepflanzungsplan, entworfen vom Landschaftsarchitekten Conrad Mayer. "Er sollte von vornherein diesen Parkcharakter haben", erläutert die Kunsthistorikerin Bettina Bauer-Spandl. Schon damals wurde der Friedhof von der Bevölkerung gelobt: "Wo unter Waldesrauschen und Vogelsang die Toten bestattet und die Angehörigen Trost finden konnten."

Das Dörnberg-Mausoleum 

Anfang des 20. Jahrhunderts kam das Dörnberg-Mausoleum dazu, der steinerne Kontrapunkt zum landschaftsgärtnerischen Park. Es ist die Privatgruft von Ernst Graf von Dörnberg, dem Stifter der Gräflich von Dörnbergerschen Waisenfondsstiftung. Dieses Monument bildet den architektonischen Abschluss des Friedhofs - und das Ziel der kunstbeflissenen Besuchergruppe. "Einen schöneren Jugendstilraum findet man in ganz Regensburg nicht", sagt der Leiter der Besuchergruppe. Seit 1981 steht das Mausoleum unter Denkmalschutz.

Der vom Architekten German Bestelmeyer erbaute Monumentalbau erinnert an frühchristliche Kirchenbauten. Dort wo der Taufstein zu erwarten wäre, befindet sich eine in den Boden eingelassene Familiengruft, in der acht weitere Angehörige der Familie Dörnberg, evangelische wie katholische, bestattet wurden.

"Von Anfang an konnten konfessionsverschiedene Ehepartner hier eine gemeinsame Grabstätte finden, aber auch Konfessionslose wurden beerdigt"", erläutert Bauer-Spandl. Sensibel reagierte der Friedhof auch auf den Trend zur naturnahen Bestattung: "Kleine Findlinge, Steine und Urnen, die ins Gelände eingelassen werden, ohne dass es große Eingriffe in das landschaftliche Umfeld gibt."

Förderung der ehrenamtlichen und sozialen Kompetenz 

Seit Jahrzehnten ist Friedhofsverwalter Martin Baumer für die Anlage verantwortlich. Von ihm stammte auch die Idee für das inklusive Friedhofscafé, das in der ehemaligen Bethalle im Oktober 2021 eingerichtet wurde. Die Gäste sitzen in dem hellen und einladenden, denkmalgeschützten Raum oder draußen im Schatten der Bäume. Bedient werden sie von Menschen mit Einschränkungen, für die das Café Vielfalt Ausbildungsort ist.

Kunst kommt in den Vordergrund 

Seit zwei Jahren gibt es wechselnde Kunstausstellungen auf dem Gelände, erläutert Martin Weindl vom Dekanat. Bis November sind noch die fotografischen Bilder von Martin Rosner zu sehen. Am 27. September wird beim Festakt auch der neue Gedenkort für Sternenkinder eingeweiht.

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