Nach der rassistisch motivierten Gewalttat von Hanau zeigen sich prominente Vertreter der Religionsgemeinschaften und aus der Politik in Bayern entsetzt. "Wenn sich bewahrheitet, was jetzt bekanntgeworden ist, dann ist diese Gewalttat ein trauriger Beleg für die brutalen Konsequenzen des Gifts, das rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise zu streuen versuchen", schrieb der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Donnerstag auf seiner Facebook-Seite.
Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, äußerte sich bestürzt. Seine Gedanken und Gebete seien bei den Opfern und ihren Angehörigen. Rechtsextremistische Täter seien nicht selten "angestachelt von bösartigen Parolen in sozialen Medien oder am Stammtisch", fügte Marx hinzu. "Darin wird in vielerlei Gestalt eine Tendenz zu einem ausgrenzenden und aggressiven Nationalismus und Rassismus sichtbar, der aus christlicher Perspektive durch nichts zu rechtfertigen ist."
Christen stünden mit allen Menschen gemeinsam ein gegen Gewalt und Terror, betonte der Münchner Erzbischof. "Das fängt bereits im Kleinen an: im Widerspruch gegen rechtspopulistische und gewalttätige Äußerungen im Netz und auch im direkten Gegenüber mit Menschen, die christliche Werte von Nächstenliebe und Solidarität für ihre Zwecke missbrauchen."
Söder: "Hanau lässt uns alle fassungslos zurück"
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich ebenfalls bestürzt. "Die brutalen und menschenverachtenden Taten in Hanau lassen uns alle fassungslos zurück", sagte Söder am Donnerstag laut einer Mitteilung. Der Rechtsstaat werde sich solchen Gewalttaten mit aller Härte und Entschiedenheit entgegenstellen. In Gedanken sei er bei den Opfern und Angehörigen. Er wünsche ihnen viel Kraft in diesen schweren Stunden und den Verletzten baldige und vollständige Genesung. Am Nachmittag ordnete Söder wegen der rassistischen Tat Trauerbeflaggung an allen staatlichen Dienstgebäuden in Bayern an.
Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm schrieb weiter: "Wer Rassismus und Ausländerfeindlichkeit sät, der muss auch damit rechnen, dass daraus brutale Gewalt erwächst." Seine Gedanken und Gebete seien bei den Opfern und ihren Familien. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Allianz für Rechtsextremismus in Nürnberg, Stephan Doll. Heute gehe es darum, Mitgefühl, Solidarität und Trauer für die Opfer zum Ausdruck zu bringen: "Wir erinnern dabei aber auch an die geistigen Brandstifter der AfD, die verantwortlich sind für eine wachsende rassistische und völkische Stimmung."
Polizei und Justiz unterschätzen rechte Gewalt in Deutschland
Jüdische Vertreter wie der Zentralratspräsident Josef Schuster aus Würzburg warnten vor einer Verharmlosung rechtsextremer Gewalt. "Zu lange ist die Gefahr durch den wachsenden Rechtsextremismus verharmlost und vernachlässigt worden." Polizei und Justiz schienen "zudem häufig auf dem rechten Auge eine Sehschwäche zu haben", sagte Schuster und ergänzte: "Das rächt sich jetzt." Es stelle sich die besorgniserregende Frage, wie sicher Minderheiten und Menschen, die sich für sie engagieren, noch in Deutschland leben könnten. Schuster forderte alle demokratischen Kräfte auf, zusammenzustehen.
Die frühere Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch forderte per Twitter, dass Politik und Justiz der massiven Zunahme von Hass und Gewalt energisch entgegentreten müsse, "bevor es zu spät ist". "Wenn sich die Berichte bestätigen, wäre dies der dritte rechtsextreme Mordanschlag in weniger als einem Jahr." Die Menschenverachtung und die Brutalität des Angriffs zeigten, wie weit die Verrohung innerhalb der Gesellschaft inzwischen vorangeschritten sei, schrieb die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern weiter.
Mahnwache der Muslime in München
Die türkisch-islamische Religionsgemeinschaft Ditib in Süddeutschland rief als Reaktion auf den rassistischen Anschlag in Hanau für Donnerstag zu einer "Mahnwache der Muslime" auf dem Karlsplatz Stachus auf. Dort wolle man ab 18 Uhr öffentlich um die Opfer "des rechtsextremen Terroranschlags trauern" und zur Solidarität mit Muslimen aufrufen.
Generalbundesanwalt Peter Frank attestierte dem mutmaßlichen Hanauer Todesschützen eine "zutiefst rassistische Gesinnung". Dies habe die Auswertung von Videobotschaften und einer Art Manifest auf der Homepage des 43-jährigen Hanauer ergeben. Zudem wiesen die Botschaften "wirre Gedanken" und "abstruse Verschwörungstheorien" auf, sagte der Generalbundesanwalt am Donnerstag.
In Hanau hatte ein Mann am Mittwochabend nach Polizeiangaben neun Menschen erschossen. Die Polizei fand den mutmaßlichen Täter und dessen Mutter danach tot in deren Wohnung.