Der Posten, den Günter Breitenbach im Januar 2011 übernimmt, ist überhaupt kein Traumjob. Der Vorvorgänger hat eine Klage wegen Körperverletzung an Diakonenschülern am Hals, der Vorgänger hat nach einem Jahr wegen "Querschüssen" das Handtuch geworfen. Dunkle Wolken hängen über dem kleinen Ort. Bei den "Rummelsberger Anstalten" muss nun ein erfahrener, besonnener Typ ans Ruder, der sich durchsetzen kann. Der damalige Würzburger Dekan Breitenbach nimmt die Aufgabe als Vorstandsvorsitzender und Rektor an.

Knapp neun Jahre später geht er in Rente und in Rummelsberg wird kaum einer bestreiten: Das Diakonie-Schiff ist wieder im ruhigen Fahrwasser.

Die Rummelsberger haben ihre Zuversicht zurück. "Ich habe den Rummelsbergern ihre Geschichte erzählt, weil es nötig war, ihr Selbstverständnis neu zu vergewissern", hat Breitenbach vor kurzem erklärt. Sein erklärter Führungsstil, offen zu sein, Vertrauen in seine Leute zu setzen und Entscheidungen transparent zu machen, hat dazu beigetragen, dass die Krise inzwischen Geschichte ist.

Das große Sozialunternehmen mit über 300 Millionen Euro Jahresumsatz im Südosten von Nürnberg hat sich umbenannt von "Rummelsberger Anstalten der Inneren Mission" in schlicht "Rummelsberger Diakonie". Geistlicher Kern des Sozialunternehmens sind die 1.700 in der Rummelsberger Brüderschaft zusammengeschlossenen Diakone und die knapp 300 Frauen zählende Gemeinschaft der Diakoninnen, die es seit 1982 gibt. Ungefähr 720 Diakone und Diakoninnen sind im aktiven Dienst.

In etwa 225 Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Flüchtlinge, Senioren und Menschen mit Behinderung in Bayern sind fast 6.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Unrentable Einrichtungen wie die Wäscherei sind geschlossen, Umorganisationen und neue Bereiche wurden auf den Weg gebracht. Die evangelische Fachakademie mit 250 Studierenden ist eine Einrichtung der Rummelsberger geworden. Das Wichern-Institut wurde geschaffen. Risikobereitschaft haben die Rummelsberger unter anderem mit dem Inklusionshotel "Anders" oder dem rollstuhlgerechten Klettergarten bewiesen.

Und Breitenbach hat sich bei großen Themen nicht weggeduckt: Die Flüchtlingsarbeit der Rummelsberger wurde verstärkt, als es nötig wurde. Gerade auf dem Höhepunkt der Flüchtlingszuwanderung 2015 waren es in Franken die Rummelsberger, die die Arbeit mit unbegleiteten jungendlichen Flüchtlingen übernahmen. Breitenbach selbst hat immer wieder das Wort erhoben und Solidarität mit den Flüchtlingen eingefordert, als die Solidarität mit den Asylsuchenden zurückging und neue Auflagen den Geflüchteten das Leben erschwerten. Gerade bei diesem Thema suchte er das intensive politische Gespräch mit der bayerischen Politik.

Der Staat müsse mehr Geld für neue Wohnungen und Wohnplätze für Menschen mit Behinderung geben, kritisiert Breitenbach die Regierung in zuvor nicht gekannter Solidarität mit dem zweiten großen fränkischen Diakonie-Player, den Neuendettelsauern. Dem Vorstoß war ein gewisser Erfolg beschieden.

Bei allem sozialpolitischen Engagement bleibt Breitenbach Seelsorger und Theologe. Wie ein roter Faden ziehen sich durch seine Amtszeit die Predigten und Andachten über die "Sieben Werke der Barmherzigkeit", dem Altarbild der Rummelsberger Philippuskirche, das das Selbstverständnis der Rummelsberger abbildet. Mit viel Humor würzt er kluge Grußworte. Mittel der Kommunikation kann für ihn aber auch die Kunst sein, wie es der kunstsinnige Mann jüngst beim Rummelsberger Forum unterstrich. Kunst sei ein Ausdruck der Lebendigkeit, "sie darf jenseits aller Zwecke einfach da sein".

Noch als Würzburger Dekan hat Breitenbach 2009 im Fall eines umstrittenen "Kunstwerks" viel dazu beigetragen, dass ein Streit um Kunst beigelegt wurde. Als auf dem Hesselberg bei Wassertrüdingen ein "Riesen-Christus", die größte Jesusstatue der Welt, entstehen sollte, holte er die zerstrittenen Parteien an einen Tisch. Der Christus wurde nicht gebaut.

Wenn er zum Jahresende 2019 in den Ruhestand geht, will der gebürtige Unterfranke aus Partenstein im Spessart in Altdorf bei Nürnberg bleiben.

Da ist er nicht weit entfernt von Rummelsberg, wo gerade etwas entsteht, das der Rektor begeistert vorangetrieben hat: das Diakoniemuseum "Diakoneum". Er selbst habe immer den Ansatz gehabt, mit Geschichte zu arbeiten, sagt er. Und er habe familiär bedingt den "Hang zum Heimatmuseum". Das Projekt habe eine Eigendynamik entwickelt, "das wird etwas Größeres", sagt der scheidende Rektor. Nicht auszuschließen, dass Günter Breitenbach dort als Historiker im Ehrenamt weiter arbeitet.