Früher hat sie gern getanzt. Schwimmen mochte sie auch. "Es gab keinen Sport, den ich nicht mochte", sagt Sieglinde Park. Dann wurde sie schwer krank: Die 59-Jährige hat Elefantiasis, eine Krankheit, bei der sich durch Lymphstau einzelne Körperteile stark vergrößern. Dank eines E-Rollstuhls blieb sie mobil. Doch vor sechs Jahren ging er kaputt. Seither streitet sich die Würzburgerin mit ihrer Kasse um einen neuen, exakt auf sie angepassten Rollstuhl. "Seit sechs Jahren sitze ich fast nur noch daheim, ich fühle mich total gefangen", klagt die 59-Jährige.

Den alten Rollstuhl zu flicken, wäre unwirtschaftlich. "Er ist verbraucht, unsicher und nicht mehr verkehrstauglich", teilt Parks Sanitätshaus mit: "Alle möglichen Teile sind ausgeschlagen, das Fahrwerk ist defekt." Sie nutzt den alten Rollstuhl nur noch im Notfall - und dann nur mit großer Angst, dass er zusammenbrechen könnte. Sie verwendet ihn, wenn sie zum Arzt muss, der Behindertenfahrdienst aber niemanden schicken kann: "Sie haben zu wenige Fahrer." Auch Behindertentaxis sind in Würzburg rar. Will man sie nutzen, muss man sie lange im Voraus bestellen.

Park ist frustriert. Die Kasse wolle sie mit einem Rollstuhl abspeisen, mit dem sie nicht klarkommt: "Ich habe ihn sechs Wochen lang ausprobiert und bin dreimal umkippt, einmal an einer Kreuzung."

Sie will exakt so einen Rollstuhl wie bisher. Es wäre technisch jedoch nicht möglich, das gewünschte Modell gemäß ihren Anforderungen umzubauen, teilte ihr die Krankenkasse mit. Diese Behauptung sei schlicht falsch, sagt das Würzburger Sanitätshaus, bei dem Park Kundin ist: "Wir sind genau auf solche Sonderbauten spezialisiert." Alle Wünsche seien "machbar".

Ein extra angepasster E-Rollstuhl sei für Sieglinde Park sehr wichtig, sagt auch Silke Trost von der Offenen Behindertenarbeit (OBA) der Würzburger Diakonie. Ohne dieses Hilfsmittel könne die 59-jährige Frau nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Oft sitzt Park zusammen mit ihrem Mann Stan eine ganze Woche lang nur in den eigenen vier Wänden. "Was hier passiert, das schreit wirklich zum Himmel", sagt die Sozialpädagogin Trost, die Park regelmäßig zu Hause besucht, um sie psychisch aufzubauen und um sie zu ermutigen, weiterzukämpfen.

Jeder Behinderte habe ein Recht auf ein individuell angepasstes Hilfsmittel, sagt Peter Stumm vom Landesverband Bayern Selbsthilfe Körperbehinderter.

Der ehemalige Polizeibeamte wurde vor 33 Jahren durch einen Dienstunfall selbst behindert, seither setzt er sich dafür ein, dass Menschen mit Handicap zu ihrem Recht kommen. Nachdem es Parks Anwältin bisher nicht gelang, die Ansprüche ihrer Mandantin vor Gericht durchzusetzen, nahm sich nun der Verwaltungsrechtler aus Buchloe im Allgäu vor wenigen Tagen der Angelegenheit an.

Ein Dorn im Auge ist Stumm, dass die Krankenkasse Park zwingen will, Kundin eines Sanitätshauses in Nordrhein-Westfalen zu werden. "Diese Kooperationen sind mafiaähnlich", sagt er. Fast durchgehend extrem negative Internet-Bewertungen bestätigen seine Aussage, dass es sich bei dem betreffenden Sanitätshaus um keine Firma mit gutem Ruf handelt. "Keine Rückmeldungen zu zig Mails, bei Reklamationen kein Kontakt, das ist unverschämt", heißt es. Oder:

"Dass die Krankenkassen mit so einem Haus zusammenarbeiten, ist mir unbegreiflich."

Doch selbst wenn die Mitarbeiter ihren Job gut machen würden, wäre es absurd, dass Park Kundin einer Firma in Nordrhein-Westfalen wird, erläutert Experte Stumm. Denn sie würde, sollte irgendetwas mit ihrem elektrischen Rollstuhl sein, keine schnelle Hilfe erhalten. "Wenn der Akku kaputtgeht, müsste die Firma aus Nordrhein-Westfahlen kommen, das örtliche Sanitätshaus dürfte nichts machen." Beziehungsweise: Sieglinde Park dürfte zwar ihr lokales Sanitätshaus mit der Reparatur beauftragen, sie bliebe dann aber auf den gesamten Kosten sitzen.

Als Erwerbsunfähigkeitsrentnerin auf Hartz-IV-Niveau könnte sie die teuren Ersatzteile oder Reparaturen nicht aus eigener Tasche zahlen. Dass Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen um Hilfsmittel kämpfen müssen, ist nichts Ungewöhnliches, sagt Werner Fack von der Diakonie Bayern: "Die restriktive Bewilligungspraxis ist problematisch." Es gebe aber Unterschiede zwischen den Kassen, sagt Fack, der bei der Diakonie für den Bereich "Unterstützung von Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung" zuständig ist.

Ob jemand das Hilfsmittel bekommt, das er benötigt, hänge auch davon ab, ob der Betreffende noch arbeitet. Denn bei Erwerbstätigen finanzieren zum Teil auch Inklusionsämter und Arbeitsverwaltungen nötige Hilfsmittel. Für ihre Rechte zu kämpfen, sei für viele Betroffene keine Kleinigkeit. Auch die Würzburger Sieglinde Park hat sich in den vergangenen Jahren schon mehrmals gedacht: "Das geht jetzt über meine Kräfte!" Man müsse bereit sein, Widerspruchsverfahren und notfalls Gerichtsprozesse durchzuziehen, sagt Diakonie-Experte Fack.

Auch die Zahlen des Sozialverbands VdK in Bayern bestätigen, dass es für behinderte Menschen schwer ist, genau das gewünschte Hilfsmittel zu bekommen, das ihnen ein trotz Beeinträchtigung selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

"Unsere Geschäftsstellen legen im Schnitt jährlich zwischen 500 bis 800 Widersprüche gegen Ablehnungen ein", sagt Sprecherin Bettina Schubarth. Die Ablehnungen beträfen alle Arten von Hilfsmitteln: "Rollstühle und weitere Mobilitätshilfen, Kopfstützen oder Sitzkissen für Rollstühle, Hörhilfen oder Bade- und Duschhilfen."

In jedem Fall prüfe der VdK, ob sich der Aufwand lohnt. Widersprüche gegen Ablehnungsbescheide werden nur dann eingelegt, wenn das Hilfsmittel auch nachgewiesenermaßen medizinisch notwendig ist. Im Falle der mehrfach kranken und behinderten Würzburgerin Sieglinde Park bestehe daran keinerlei Zweifel.