Es ist ein kurzes Gedicht, und es ist wirkmächtig. "Nach dieser Sintflut" hat die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann Ende der 1950er Jahre geschrieben. Es erschien zuerst in dem Sammelband  "Botteghe Oscure", in Rom im Frühling 1957 und wurde dann in einer Hörfunk-Aufnahme des SDR Stuttgart vom 19. Juni 1957 veröffentlicht. 

Nach dieser Sintflut/möchte ich die Taube,/und nichts als die Taube,/noch einmal gerettet sehen.
Ich ginge ja unter in diesem Meer!/flög‘ sie nicht aus,/brächte sie nicht/in letzter Stunde das Blatt.

Das Gedicht in einer Aufnahme von 2022 kann hier als Audio angehört werden.

Ingeborg Bachmann verbindet die Geschichte von Noah mit einem Tier: Der Taube. Sie möchte die Taube, "nicht als die Taube" noch einmal gerettet sehen, um nicht unterzugehen im Meer. Die Taube soll fliegen - und ihr in "letzter Stunde das Blatt" bringen. Es ist ein Zeichen der Hoffnung, der Sehnsucht, auch Verzweiflung klingt in den wenigen Zeilen durch.  Interessant an ihrer Geschichte ist vor allem der Fokus auf die Tiere. Nicht Noah ist wichtig, auch nicht die anderen Tiere - sondern nur die Taube. 

Und noch etwas fällt auf an diesem Gedicht: Die Rettung der Taube wird beschworen. Anders als in der biblischen Sintflut-Geschichte bringt die Taube nicht einen Olivenzweig als Zeichen der rettenden Küste, sondern ein "Blatt". Dieser Begriff ermöglicht nun verschiedene Interpretationen - geht es um ein Olivenblatt, weil mehr nicht geblieben ist? Oder geht es um das Schreiben, um ein leeres Blatt Papier, das nun beschrieben werden soll? Der Wunsch nach Wandel, nach Veränderung, die Hoffnung auf einen Neuanfang, sie sind greifbar und spürbar. Das macht diese Zeilen so stark.

Das Gedicht kann auch als Handlungsaufforderung gelesen werden: Wenn wir unseren Blick schärfen für alles, was Hoffnung macht, ist unser Leben besser zu ertragen. Wir können auf kleine Hinweise achten, auf eine Geste, auf ein gutes Wort. Und darin können sich auch mögliche Lösungen finden lassen.

Ingeborg Bachmann engagiert sich gegen atomare Bewaffnung

Für die Schriftstellerin waren die Jahre 1957/1958 eine Zeit ersten politischen Engagements. Nachdem sie als Hörfunkredakteurin erste Erfolge gefeiert hat, 1953 den Literaturpreis der Gruppe 47 erhält und damit bekannt wird, lebt und reist sie durch Italien und siedelt dann wieder über nach München. 1955 lernt sie während eines Symposiums in Harvard Henry Kissinger kennen, die beiden werden eine mehrjährige Liebesbeziehung haben, obwohl er verheiratet und sie liiert ist.

In einem Brief an Paul Celan von Ende März 1958 beklagt sie "die politische Entwicklung in Deutschland".  Im März und April 1958 protestiert sie gemeinsam mit den Autoren Henze und Enzensberger in einer Unterschriftenaktion gegen die atomare Bewaffnung der Bundesrepublik Deutschland (Bundestagsbeschluss vom 25.03.1958), von Hans Weigel heftig gerügt mit Verweis auf ihren Status als "Dame" und als "Gast" in der Bundesrepublik.

1958 begegnet Bachmann auch Max Frisch, beide verlieben sich und versuchen, eine offene Beziehung zu führen, doch das Arrangement misslingt. Als sich Max Frisch von ihr trennt, verkraftet dies Bachmann nicht und muss sich mehrmals ins Krankenhaus einweisen lassen.  1965 zieht Bachmann zurück nach Rom. Sie wird nur noch sporadisch Gedichte schreiben. Sie wird Alkohol- und Tablettenabhängig und erleidet im September in ihrer Wohnung schwere Verletzungen bei einem Brand, den sie beim Einschlafen mit einer brennenden Zigarette verursacht hat. Sie starb am 17. Oktober 1973 im Alter von 47 Jahren im Krankenhaus an den Folgen der tödlichen Entzugserscheinungen.

Ihr Nachlass befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek und ist dort im Literaturarchiv einzusehen. 

 

Meine Existenz ist eine andere, ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nichts, wenn ich nicht schreibe, ich bin mir selbst vollkommen fremd, aus mir herausgefallen, wenn ich nicht schreibe. […] Es ist eine seltsame, absonderliche Art zu existieren, asozial, einsam, verdammt, es ist etwas verdammt daran.

Ingeborg Bachmann

Ausstellung "Bibel meets Pop"

Die Plakat-Ausstellung "Bibel meets Pop" stellt die wichtigsten Menschen aus dem Alten und dem Neuen Testament vor. Über Bilder, Redewendungen oder Zitate von Prominenten lässt sie die Geschichte lebendig werden – und ermöglicht es damit den Besucherinnen und Besuchern, einen persönlichen Zugang zur Bibel zu finden. Über einen QR-Code auf den Postern gelangen die Besucherinnen und Besucher auf die Webseiten der digitalen Ausstellung. Hier gibt es Audio-Beiträge oder Videos sowie ausführliche Texte zu den einzelnen Personen der Bibel.

Die Plakat-Ausstellung "Bibel meets Pop" kann gebucht werden in den Formaten A1, A2 und A3. Sie eignet sich für den Einsatz in Bildungswerken und Volkshochschulen, Gemeinden und Kommunen, Werken und Diensten.

Hier geht es zur Plattform ausstellung-leihen.

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