In Geroldshausen im Kreis Würzburg ist am Sonntag der Deportation der letzten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger vor 80 Jahren gedacht worden. Die kleine unterfränkische Gemeinde hatte im 19. Jahrhundert ein florierendes jüdisches Gemeindeleben - vergangenes Jahr war sie in die Schlagzeilen geraten, weil auf dem Kriegerdenkmal der Name eines KZ-Arztes unter den Gefallenen des Zweiten Weltkrieges aufgelistet war. An der Gedenkfeier nahm auch der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, der in Würzburg lebende Josef Schuster, teil.

Dass 49 Prozent der Deutschen einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zufolge einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit ziehen wollten, bezeichnete Schuster als erschreckend.

Für Überlebende des Holocaust und auch deren Nachfahren bis in die dritte Generation seien die Traumata "weiterhin präsent", erläuterte er: "Für sie ist ein Schlussstrich schlicht nicht möglich."

Der Würzburger Landrat Thomas Eberth nannte die steigende Zahl an Übergriffen auf jüdische Menschen entsetzlich; "Hier ist der Staat, hier ist jeder von uns gefordert, sich gegen Rassismus und Gewalt zu stellen."

Die ehemalige Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amtes für die Beziehungen zu Jüdischen Organisationen und Antisemitismus-Bekämpfung, Michaela Küchler, sagte am Sonntagmorgen, sie sei dankbar, dass man in Geroldshausen "entsprechend der historischen Fakten, den Namen Wirths" vom Kriegerdenkmal entfernt hat. Sie mahnte, dass Antisemitismus nach wie vor in der Mitte der Gesellschaft präsent sei und bekämpft werden muss. Die Diplomatin Küchler stammt ursprünglich aus der nur wenige Kilometer von Geroldshausen entfernten Gemeinde Reichenberg.

Höchste Dichte jüdischer Gemeinden damals in Mainfranken

Dass im Jahr 1817 in Geroldshausen 74 der 233 Dorfbewohner jüdischen Glaubens waren, sei ein Beispiel dafür, dass es vor der Schoa in Mainfranken "die höchste Dichte jüdischer Gemeinden" in ganz Deutschland gegeben habe, erinnerte Zentralrats-Präsident Schuster. Mit der Deportation von Abraham Maier, Salomon Bierig, Theresa Bierig und Emma Maier im Jahr 1942 durch das NS-Regime endete die mehr als 600-jährige gemeinsame Geschichte jüdischer und nichtjüdischer Menschen in Geroldshausen. An diese vier Opfer wurde beim Gedenkakt am Sonntag besonders erinnert.

Die Gemeinde Geroldshausen hatte vergangenes Jahr überregional Aufmerksamkeit erregt, weil auf dem dortigen Kriegerdenkmal unter den Namen der Gefallenen auch ein umstrittener Name stand: Dr. Eduard Wirths. Der 1909 geborene Wirths war SS-Mitglied, ab 1942 KZ-Arzt, zuerst in Dachau, später in Auschwitz. Er war Vorgesetzter von Josef Mengele, selektierte Häftlinge selbst oder organisierte die Selektionen und war so an ihrer Ermordung in Gaskammern beteiligt. Nach öffentlichem Druck hatte die Gemeinde schließlich im April 2021 entschieden, die Inschrift zu entfernen.

Schuster lobte "die Verantwortlichen in Geroldshausen", dass sie im vergangenen Jahr die Courage hatten, "die Unanständigkeiten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit" zu korrigieren. Er bezeichnete es gleichwohl als "schändlich", dass Wirths Name überhaupt "so lange auf dem Denkmal" stand. Der Zentralratspräsident sagte, es gebe im heutigen Deutschland "revisionistische Kräfte", die "die Last von Auschwitz, Treblinka, Sobibor, Majdanek, Bergen-Belsen und all dieser Orte" abschütteln wollten:

"Erinnern und Gedenken müssen gepflegt, aber sie müssen auch verteidigt werden."

Geroldshausen beteiligt sich auch am "DenkOrt Deportationen" in Würzburg - das Besondere daran ist: Auf dem Platz vor dem Würzburger Hauptbahnhof stehen verschiedene Gepäckstück-Skulpturen, jede steht für Deportierte aus einer unterfränkischen Gemeinde. Je ein "Duplikat" der Gepäckstücke steht in den Heimatgemeinden der Menschen im öffentlichen Raum. So wird zentral in Würzburg an die Opfer der Deportationen zwischen 1941 und 1944 erinnert, aber auch in den früheren Wohnorten der NS-Opfer. Das Geroldshäuser "Duplikat" wurde am Sonntag ebenfalls offiziell eingeweiht.

Neben Schuster, Küchler und den lokalen Politikern nahm an der Gedenkveranstaltung auch Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, teil