Musste das sein? War es das wirklich wert, Herr Merz?

In der vergangenen Woche haben die Parteien der demokratischen Mitte vorgeführt, wie man sich selbst zerlegt. In einem historischen Vorgang erhielt am Mittwoch erstmals ein CDU-Antrag mit den Stimmen der rechtsextremen AfD eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Was da mit 348 zu 345 Stimmen durchs Parlament ging, war kein Gesetz und hat keine rechtliche Bindewirkung. Aber der politische Flurschaden ist immens. Dies umso mehr, als dann am Freitag ein zweiter Anlauf zu einem "Zustrombegrenzungsgesetz" scheiterte. Merz und die Union waren blamiert, die AfD feixte.

Der Fall der "Brandmauer"

Der Fall der "Brandmauer" war ein unerträglicher Vorgang. Unsäglich war in der Folge aber auch, wie die Bundestagsabstimmung zum nächsten 1933 stilisiert und der CDU-Chef als Rechtsextremer diffamiert wurde.

Seit 2015 und Kanzlerin Merkels offenen Grenzen hat die deutsche Gesellschaft eine Menge geschafft. Doch die ungeregelte und illegale Migration ist Deutschland über den Kopf gewachsen. Es kommen zu viele, die nicht hier sein dürften. Und es bleiben zu viele, die nach Recht und Gesetz das Land längst hätten verlassen müssen. Mit dem Pochen auf einer wirksameren Zuwanderungsbegrenzung haben Friedrich Merz und die Union einen Nerv in der Bevölkerung getroffen: Mehr als zwei Drittel der Bürger (68 Prozent) sind der Meinung, Deutschland sollte weniger Flüchtlinge aufnehmen als bislang.

Auch Grüne und SPD haben allen Grund zur Buße

Bei aller berechtigten Erschütterung über den "Tabubruch" der letzten Woche: Auch Grüne und SPD hätten allen Grund zur Buße. Dass die AfD so stark wurde, wie sie jetzt ist, liegt an allen Parteien. Es kann auf Dauer nicht gut gehen, gegen große Mehrheiten in der Bevölkerung anzuregieren. Nicht nur in der Migrationsfrage, auch in vielen anderen Politikbereichen und Kulturkampfthemen scheinen sich die Parteien der angeblichen Mitte von der tatsächlichen Mitte der Gesellschaft und vom "Common Sense" verabschiedet zu haben. Verbunden sind diese Politiken oft mit einem autoritären Anspruch der überlegenen Moral und des richtigen Bewusstseins, das allen, die diese Haltungen nicht teilen, heimlich oder offen abgesprochen wird.

Grüne und SPD haben es sich hinter der "Brandmauer" zu bequem gemacht. Die Brandmauer wird auch dazu instrumentalisiert, um den von einer klaren Mehrheit in der Bevölkerung gewünschten deutlichen Politikwechsel im Bereich des Streitthemas Migration zu behindern, zu verschleppen oder zu verunmöglichen.

Auch sie hatten also ihre Rolle beim Trauerspiel im Bundestag. Ein Stück, bei dem man alle Beteiligten am liebsten an den Ohren gezogen hätte. Und eines, von dem nur eine Partei profitiert: die AfD. Man wird diese leider nicht wegdemonstrieren können. Aus den Parlamenten bekommt man sie nur mit überzeugenderer Politik.

Kommentare

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Florian Meier am Di, 04.02.2025 - 20:38 Link

Teilen des Kommentars ist ja zuzustimmen, mich stört hier aber die unbewiesene Behauptung davon profitiere nur die AfD, was die Anhänger selbiger gerne als Mantra unter solche Texte setzen. Dabei ist diese Prophezeihung durchaus zu hinterfragen. Es ist keineswegs die einzige Option bei Frust über die Verhältnisse nur eine Partei zu wählen, die zudem keineswegs nach Auffassung aller das Abendland und die eigenen Gartenzwerge retten wird auch wenn sie stark ist und mittlerweile wohl eine feste Anhängerschaft hat. Es gibt zahlreiche weitere Kleinparteien, die Option des kleineren Übels oder sogar die, dass man die Debatte für überspannt hält und ganz andere Entscheidungskriterien wählt z. B. das Klimaticket, die Hutfarbe des Bürgermeisters, der Zustand der Schule der Kinder oder das hirnverdampfende Gras und seine legislative Wertung. Zumindest die Möglichkeit könnte man ja in Betracht ziehen. Ich würde mir etwas weniger mediale Hyperventilation wünschen. Das Problem sehe ich übrigens weniger in der Verteufelung des März als der Sturheit der Position, wo doch jeder merkt, dass gerade diese eigentlich nicht in die Zeit passt.