Mein Vater ist nicht wirklich drin in kirchlichen Debatten. Aber dieses Thema hat sogar er aufgeschnappt. Eine Evangelische Kirche in Nürnberg habe auf Druck Konservativer und Rechter eine queere Ausstellung geschlossen. Wie das denn sein könne, meint er, man müsse doch zu seinen Grundsätzen stehen.

Problem war nicht Queerness, sondern Porno

Ich habe das zum Anlass genommen, mir die Diskussion ein bisschen näher anzusehen. Angefangen mit den fraglichen Bildern der Ausstellung "Jesus liebt" von Rosa von Praunheim.

Sehr schnell habe ich den Eindruck, an dieser Ausstellung stört nicht der queere, sondern der Porno-Charakter.

Ich gehe fest davon aus, dass auch heterosexuelle Darstellungen von Hardcore Gruppen-, Anal- und Oralsex, mittendrin Jesus, das alles unter dem Dach einer Kirche, für einiges an Widerspruch gesorgt hätten. Auch, wenn die anstößigeren Bilder in einem Adults-Only-Teil der Ausstellung zu sehen waren – wie es sie früher in Videotheken gab.

Auf sozialen Medien wären derartige Bilder sofort gesperrt worden – egal um welche Geschlechter es geht. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung bleibt nun mal wieder die Verknüpfung mit der Queerness hängen: "Schwulen geht’s ja immer nur um Sex".

Eine Verengung, die der Communtiy sowieso schon nachhängt. Vorurteile finden also hier mal wieder ihre Bestätigung. Ein schwuler Kollege aus einer Freikirche schreibt mir in Bezug auf die Ausstellung:

"Ich kämpfe in meinem Gemeindebund genau gegen das Vorurteil der zügel- und morallosen Schwulen an, da sind genau solche Sachen Wasser auf die Mühlen der Fundis."

Die Ausstellung hat – angesichts der Natur der Bilder wenig überraschend – für viel Aufsehen gesorgt und provozierte durch eine reißerische Berichterstattung im Sommerloch auch viele verstörte und auch verstörende Nachrichten, die auf die Gemeinde einprasselten. Der Kirchenvorstand hat daher beschlossen, die Ausstellung zu schließen, da ein sinnvoller Dialog so nicht mehr möglich war.

Kunst soll provozieren, aber nicht in der Kirche

Rosa von Praunheim findet das nicht schlimm, er lässt sich mit dem Satz zitieren: "Ich war begeistert natürlich, dass da eine Reaktion ist. Ist doch schön, wenn Leute sich aufregen." Aus Sicht des Künstlers ist das nachvollziehbar. Kunst an sich kann, darf und soll provozieren und Grenzen austesten. Dass man auch mal wieder in der Zeitung steht, mag ein angenehmer Nebeneffekt sein.

Für Kunst in der Kirche kann das meines Erachtens nicht gelten.

Gerade beim Queer-Thema, wo die Kirche ein ernstzunehmender Safe Space sein will, sollte Kunst clever Denkmuster infrage stellen und zum gegenseitigen Verstehen verlocken. Nicht durch Provokation für Aufregung, Vorurteilsbestätigung und Streit sorgen, sodass am Ende die Gräben und die Mauern höher sind als vorher.

Für diesen Sonntag ist uns der Predigttext "Ihr seid das Salz der Erde.... Ihr seid das Licht der Welt" mitgegeben. Wenn das Christentum eine Kontra-Kultur zum Gegenwärtigen sein soll, dann soll es gerade nicht die um sich greifende Kultur der Polarisierung befördern, sondern Menschen helfen, hinter ihren Feindbildern andere Menschen zu erkennen. Sie mit den Augen Jesu, mit den Augen der Liebe zu anzuschauen.

Man möchte mal unterstellen, dass die Ausstellung in der Kirche Gutes bewirken wollte. Es bleibt aber zu konstatieren, dafür war sie nicht geeignet. 

Was bleibt ist:

  • Bei den einen der Eindruck, dass die Evangelische Kirche so Auftrags-vergessen und zeitgeistig ist, dass sie Pornos in ihren Räumen aushängt.
  • Bei den anderen, dass die Evangelische Kirche es mit ihrer Offenheit gegenüber queeren Menschen wohl nicht so ernst meint, wenn sie bei scharfer Kritik einknickt.

Am Ende stehen tiefere Gräben und ein doppelter Bankrott. Weit über Nürnberg hinaus.

Das ist schade.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden

sonntagsblattevasw70 am So, 30.07.2023 - 10:13 Link

Danke für den tollen Kommentar lieber Kollege Henkel! Als ich erstmal von der Ausstellung hörte dachte ich auch: das kann doch nicht im Sinne homosexuellen Menschen sein, wieder einmal nur auf die Sexualität reduziert zu werden. So schade, dass sich die Egidienkirche auf eine solche Verengung eingelassen hat. Ich hätte mich gefreut, Bilder zu sehen, auf denen Queerness endlich als normal und alltäglich sichtbar wird, beim Einkaufen, in der Schule, im Altenheim. Auch die verächtlichen Aussagen, die der Künstler über Kirche macht im Interview mit der regionalen Presse, zeigen, dass sein Anliegen eigentlich ein liebloses! ist. Schade Schade Schade!

PeterG am So, 30.07.2023 - 09:06 Link

Vielen Dank für den ausgewogenen Kommentar! Ja, Pornographie hat in einer Kirche nichts zu suchen (ich erinnere mich an freizügige Aufnahmen in einer Kirche, da sprach keiner von den Rechten und Fundis!). Auch ohne Kritik hätte diese Ausstellung dem Ansehen homosexueller und/oder queeren Menschen geschadet.