"Alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022." Das hatte der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schon letzten Herbst verkündet. Nun steht dieser sagenumwobene Frühlingsbeginn vor der Tür – und die Ampel ist offenbar wild entschlossen, ihren Freedom Day durchzuziehen. Klar, Frühling, Freiheit – hmmm, wie das duftet!

"Ein diffuses Bauchgefühl der Unlust, das sich aus Ermüdung und Überreizung speist, ist selten ein guter Ratgeber."

Nach zwei Jahren Pandemie hat großer Bevölkerungsteil keinen Bock mehr

Ganz ehrlich: Natürlich habe auch ich die Schnauze voll von Abstand halten und Masken tragen. Nach zwei Jahren Pandemie hat ein großer Teil der Bevölkerung keinen Bock mehr. Sehr verständlich. Aber ein diffuses Bauchgefühl der Unlust, das sich aus Ermüdung und Überreizung speist, ist selten ein guter Ratgeber.

Besser ist da schon der Blick auf die nackten Zahlen, und der verheißt leider überhaupt nichts Gutes. Präziser: Nichts, was das ohnehin fragwürdige Gefasel von einem angeblichen Freedom Day auch nur im Ansatz rechtfertigen würde. 

"Jeden Tag sterben mehr als 200 Menschen an Covid. Das sind im Monat circa 6.000. "

Es ist verdammt nochmal kein Freedom Day

Um zuerst mal mit diesem schrecklich falschen Begriff aufzuräumen: Die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee war ein Freedom Day. Der Fall der Berliner Mauer war ein Freedom Day. Wenn es in Deutschland nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben ist, in Innenräumen einen Mund-Nase-Schutz zu tragen, ist das alles mögliche – unter den aktuellen Bedingungen komplett fahrlässig, zum Beispiel, aber mit sehr großer Sicherheit kein Freedom Day. 

Denn in der Realität, die sich leider nicht für unser Bauchgefühl interessiert, eilen wir weiter von Rekord zu Rekord, wenn es um Neuinfektionen geht. Jeden Tag sterben mehr als 200 Menschen an Covid. Das sind im Monat circa 6.000. 

Nichts davon ist hinnehmbar, geschweige denn "normal". "Mit dem Virus leben" ist angesichts der beschämend niedrigen Impfquote in Deutschland, insbesondere unter Menschen über 60, schlicht noch viel zu früh. 

Freiheit mit Rücksichtslosigkeit verwechselt

Aber das ficht die Ampel offenbar nicht an. Freiheit wird in Deutschland eben schon seit längerem gern mit Rücksichtslosigkeit verwechselt. Und die Pandemie-Bekämpfung war von Anfang an nicht vor allem auf das Vermeiden von Leid und Tod, sondern auf das Vermeiden des Zusammenbruchs von Wirtschaft und anderer Systeme ausgerichtet. 

"Am besten schützen Masken nun mal, wenn möglichst viele sie tragen."

Insofern ist das sture, realitätsfremde Festhalten an erheblichen Lockerungen natürlich konsequent. Es bleibt dennoch oder gerade deshalb zu hoffen, dass möglichst viele schlauer und geduldiger sind als die Bundesregierung – und auch nach dem Ende der Maskenpflicht in geschlossenen Räumen die Maske aufbehalten. Denn am besten schützen Masken nun mal, wenn möglichst viele sie tragen. Und das ist angesichts der Zahlen leider weiterhin wichtig.