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Der letzte Brief Bonhoeffers an seine junge Verlobte Maria von Wedemeyer steht auf einem Papierbogen, der zum Ende hin knapp wurde. Er schrieb ihn am 19. Dezember 1944 aus der Berliner Gestapo-Haft.

In dem berüchtigten Kellergefängnis gab es keine Sprecherlaubnis und keine Besuche, viele Gefangene wurden gefoltert. Maria von Wedemeyer durfte Bonhoeffer nicht sehen, sie durfte aber jeden Mittwoch ein Paket abgeben. Dabei beeindruckte sie den Kriminalkommissar Franz-Xaver Sonderegger offenbar so, dass er insgesamt drei Briefe Bonhoeffers passieren ließ.

Dem zweiten Brief war ein Gedicht angefügt, das er als Weihnachtsgruß für seine Verlobte und die beiden Familien geschrieben hatte. Der Text beginnt mit den Zeilen "Von guten Mächten treu und still umgeben" und hat insgesamt sieben Strophen.

Hat Bonhoeffer ein Lied schreiben wollen? Er arbeitete in seiner Haft intensiv mit dem Gesangbuch, doch es passt keine gängige Melodie zum metrischen Muster des Gedichts. "Von guten Mächten treu und still umgeben", weiß sich Bonhoeffer in seinem Gedicht, "behütet und getröstet wunderbar."

"Von guten Mächten": Der letzte Brief Dietrich Bonhoeffers

Diese bekenntnishafte Botschaft an seine Braut und an die beiden Familien steht am Anfang des Lieds und bildet dessen theologisches Zentrum. In diese Gewissheit
nimmt er seine Lieben mit hinein: "So will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr."

Im Begleitbrief schreibt Bonhoeffer: "Es sind nun fast zwei Jahre, dass wir aufeinander warten, liebste Maria." Wie sehr ihn die Trennung von der Braut, seiner Familie und Freunden in der Haft belastete, kommt in seinen Briefen nur selten zum Ausdruck.

In seinem letzten Brief schreibt er sogar, er habe sich noch keinen Augenblick allein gefühlt: "Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto deutlicher habe ich die Verbindung mit Euch gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. Du, die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergessene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor..."

Hat Bonhoeffer mit "Von guten Mächten" ein Engellied geschrieben?

In der letzten Strophe variiert Bonhoeffer sein Bekenntnis aus dem Eingangsvers, bezieht dann aber die Angeredeten ein: "erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns..." Vom Ich/Ihr-Bekenntnis der Eingangsstrophe weitet sich die Perspektive bis zur wir/Gott-Aussage des Schlussverses. Mit dem Gedicht lädt er seine Braut ein, diesen Perspektivwechsel mitzugehen.

Es lag ihm vermutlich fern, sie nur mit der erbaulichen Quintessenz der Schlussstrophe zu grüßen. In seinem Brief deutet Bonhoeffer an, was er mit "guten Mächten" meint: "Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: 'zweie die mich decken, zweie, die mich wecken', so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder." Hat Bonhoeffer also ein Engellied geschrieben? Die Passage nimmt jedenfalls seinem Ansatz, ein religionsloses Christentum formulieren zu wollen, die Strenge.

Dass Bonhoeffer dennoch von böser Gegenmacht umgeben war, kommt in der zweiten Strophe zum Ausdruck: "Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last..." Besonders nach dem Fund ihn belastender Dokumente sieht Bonhoeffer ungewiss in die Zukunft; er war sich der persönlichen Risiken bewusst, als er in den aktiven Widerstand gegen Hitler eintrat.

Er war sich auch darüber klar, dass Glaube und Gebete keine glückliche Rettung erzwingen können. "Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand..." bezeugen seine Bereitschaft zur Nachfolge Christi bis in den Tod.

"Von guten Mächten": Die Schlussstrophe findet sich auf Postkarten, Todesanzeigen und Kalenderblättern

Bereits 1939 schrieb er in einer Auslegung von Psalm 119: "Sollte aber Gott einem der Seinen wirklich den Kelch des Leidens um Christi willen bis zum bitteren Ende am Kreuz und Tod zu trinken geben – wessen er doch zu allen Zeiten immer nur wenige gewürdigt hat –, so hat er gewiss ihr Herz vorher so bereitet, dass sie es gerade sind, die es mit starkem Glauben in ganz neuer und vollmächtiger Weise bezeugen: Wohl denen, die im Gesetz des Herrn wandeln."

Dass sich Bonhoeffer jedoch nicht nach dem Martyrium sehnt, sondern nach der "Welt und ihrer Sonne Glanz", kommt in den Versen 4 bis 6 zum Ausdruck. Hier wendet sich das Gedicht in einer für Bonhoeffer charakteristischen Weise: Nicht sein jenseitiges Seelenheil ist Bonhoeffer wichtig, sondern das Leben in der diesseitigen Welt – als ganzheitliches Leben im dankbaren Gedenken an das Vergangene.

Der Theologe Jürgen Henkys schrieb, es gebe keine andere geistliche Dichtung seit dem Zweiten Weltkrieg, die sich so im allgemeinen Fundus der Leit- und Lebenssprüche eingenistet habe, wie die Schlussstrophe dieses Lieds. Man trifft sie auf Kalenderblättern und Postkarten, in Todesanzeigen und in Freundschaftsbüchern. Entscheidenden Anteil an der Popularität hatte die Vertonung von Siegfried Fietz – trotz aller Kritik daran.

Das Gedicht: Von guten Mächten

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Dietrich Bonhoeffer, Von guten Mächten, in seinem Brief an Maria von Wedemeyer aus dem Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin, Prinz-Albrecht-Straße, 19. Dezember 1944.

"Von guten Mächten" als Plakat erhältlich

3,00 €

Das Gedicht "Von guten Mächten treu und still umgeben" des evangelischen Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer wurde im Dezember 1944 in der Gestapo-Haft verfasst. Es ist Bonhoeffers letzter erhaltener theologischer Text. Das heute viel gesungene geistliche Lied erhalten Sie bei uns als künstlerisch gestaltetes Poster. Erhältlich unter: Sonntagsblatt Shop.

Format: DIN A2 – 42x59,4 cm, zweimal gefalzt
Auflage: 1. Auflage März 2020
Abbildung: dekorativ gestaltetes Poster
© epv.de/Susanne Kuhlendahl

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Das Gedicht "Von guten Mächten treu und still umgeben" des evangelischen Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer wurde im Dezember 1944 in der Gestapo-Haft verfasst. Es ist Bonhoeffers letzter erhaltener theologischer Text. Die hochwertige Aluminium-Tafel im Format A1 eignet sich für Gemeinderäume, Schulen, Bildungseinrichtungen.

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Bitte bestellen Sie die Alu-Platte per Mail unter online@epv.de

Materialsammlung zu Dietrich Bonhoeffer

Auf der Seite www.ausstellung-leihen.de stellt der Evangelische Presseverband für Bayern (EPV) Informations- und Arbeitsmaterialien aus seinem eigenen Medienhaus sowie aus weiteren Institutionen zur Verfügung. Die multimedialen Inhalte sollen Sie, Ihre Schulklasse, Konfirmanden, Jugendgruppe oder Gemeinde dabei unterstützen, den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer besser kennenzulernen.