Probenendspurt in Oberammergau: Nur noch wenige Tage bleiben Spielleiter Christian Stückl, um den 42. Passionsspielen in der Geschichte des Dorfes den letzten Schliff zu verpassen. Entsprechend groß ist der Druck: "Jetzt ist grad die richtig harte Zeit", sagte Stück im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Zum ersten Mal werde in Kostümen geprobt und die einzelnen Szenen samt Musik aneinandergereiht.
Seine Stimmungslage reiche abhängig vom Probengeschehen "von sehr gut bis sehr schlecht". Er könne in einem Moment "total z'wider" sein und im nächsten Moment wieder zuversichtlich. "Es ist ein ständiges Gefühlsbad", sagte der Regisseur, der die Oberammergauer Passion bereits zum vierten Mal inszeniert.
Ursprünglich war die 42. Spielzeit der Oberammergauer Passion für das Jahr 2020 geplant gewesen. Wegen der Corona-Pandemie wurde sie um zwei Jahre verschoben. Vom 14. Mai bis 2. Oktober werden nun rund 500.000 Menschen zu dem fünfstündigen Theaterstück über "das Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus" erwartet.
Herr Stückl, in knapp einer Woche ist Premiere - was ist noch zu tun in Oberammergau?
Stückl: Jetzt ist grad die richtig harte Zeit. Jetzt wird das erste Mal in den Kostümen geprobt, jetzt werden das erste Mal die einzelnen Szenen aneinandergebaut, die musikalischen Stücke müssen jetzt laufen - es ist wirklich im Augenblick richtig heftige Probenarbeit. Das geht so bis zum letzten Tag.
"Man ist ständig in einem Gefühlsbad."
Wie ist die Stimmung?
Stückl: Von sehr gut bis sehr schlecht. Du hast so Tage, wo Deinem Gefühl nach einfach nichts funktioniert. Das ist total abhängig davon, wie die Proben laufen, wie alles vorwärts geht. Ich kann in einer Sekunde total z'wider werden, und im nächsten Augenblick geht's mir wieder gut. Man ist ständig in einem Gefühlsbad.
Das Corona-Thema hat die Passion seit zwei Jahren im Griff. Rechtzeitig vor Beginn der Spielzeit dürfen Theater wieder alle Plätze belegen, es gibt keine G-Regeln und keine Maskenpflicht mehr. Welche Vorkehrungen treffen Sie trotzdem noch?
Stückl: Wir testen nach wie vor jeden Tag alle Spieler, alle Kinder, bevor sie zur Probe gehen. Wir haben ja gar nicht die Möglichkeit, mit Maske zu proben oder zu spielen. Wir sitzen nah aufeinander, jeder ist dem anderen ausgeliefert, deswegen machen wir ganz sorgfältig weiter. Das ist im Augenblick allen noch lieber, weil es eine gewisse Sicherheit gibt. Täglich sind das etwa 1.000 Tests. Dafür haben wir ein eigenes Testzentrum aufgestellt.
"Vorletzte Woche hatten wir neue Tests, dann waren plötzlich am Tag 20 Leute positiv."
Wie oft haben Sie positive Fälle?
Stückl: Vorletzte Woche hatten wir neue Tests, dann waren plötzlich am Tag 20 Leute positiv. Die wurden dann mit anderen Tests nachgetestet, dann waren sie wieder negativ. Aber im Schnitt ziehen wir schon jeden Tag einen oder zwei raus, die dann in Quarantäne bleiben.
Was machen Sie, wenn zum Beispiel beide Jesus-Darsteller gleichzeitig krank oder in Quarantäne wären?
Stückl: Dann spielen wir an diesem Tag nicht. Das ist nicht bei jeder Rolle so. Wenn zum Beispiel der Herodes ausfällt könnte man sagen, wir überspringen die Szene, oder ich spiel's. Aber wenn uns der Jesus oder der Judas oder eine andere Hauptfigur wegbricht, geht das nicht, dann muss man die Vorstellung ausfallen lassen.
Sie würden spontan als Herodes oder in einer anderen Nebenrolle auf der Bühne stehen?
Stückl: Ich wär' extrem froh, wenn's nicht dazu kommen würde.
"Wir wissen, dass sich die Situation plötzlich ändern kann."
Auf welche Eventualitäten bereiten Sie sich mit Blick auf Corona noch vor?
Stückl: Wir proben jetzt seit Monaten mit dieser Krankheit. Ich merke, dass man sich im Theater dran gewöhnt hat, man spricht auch nicht ständig drüber. Wir wissen, dass sich die Situation plötzlich ändern kann. Aber manchmal soll man sich vielleicht erst dann Gedanken machen, wenn's soweit ist.
Seit 24. Februar herrscht in der Ukraine Krieg. Hat das das Stück noch beeinflusst?
Stückl: In dem Text kommt Krieg relativ oft vor. Aber das war schon vorher unser Eindruck, dass wir umgeben sind von Kriegen und von Auseinandersetzungen. Auf den Ukraine-Krieg kann man im Stück nicht direkt Bezug nehmen, trotzdem spielt er natürlich eine Rolle. Einfach dadurch, wie man jetzt manche Sätze hört.
"Es kommt ja sowieso alles anders, als man denkt."
Was wünschen Sie sich für die 42. Spielzeit der Passion?
Stückl: Ich habe gar keinen besonderen Wunsch. Ich hoffe, dass alles gut hinhaut, dass wir eine saubere Premiere über die Bühne bringen, dass die Leute gesund bleiben, dass alles geht. Aber es kommt ja sowieso alles anders, als man denkt.
Sind Sie nervös, dass jetzt noch was schief gehen könnte?
Stückl: Nein. Wir werden's jetzt einfach spielen.