Am höchsten Feiertag in der jüdischen Religion wird nicht gefeiert. In diesem Jahr beginnt er mit dem Sonnenuntergang am Sonntag (24. September) und endet mit Anbruch der Nacht am Montag (25. September). 

Jom Kippur ist der "Versöhnungstag" zwischen Gott und dem Menschen. Aber bis es soweit ist, muss der Mensch sich noch ein bisschen anstrengen.

Denn Gott sitzt seit dem jüdischen Neujahrsfest Rosh Hashana (Jom Kippur ist zugleich Abschluss von zehn Bußtagen, die mit dem Neujahrsfest Rosch Haschana (15. bis 17. September) begonnen haben) über dem "Buch des Lebens" und schaut sich die Taten aller Menschen – auch der nichtjüdischen – einmal genauer an.

Und da die meisten nicht besonders gut abschneiden, weil alle doch hin und wieder ein bisschen betrügen, lügen oder ihr Wort nicht halten, gibt Gott den Menschen an Jom Kippur eine allerletzte Chance, ihre Fehler zu bereuen. Deshalb wird an Jom Kippur 25 Stunden lang gefastet.

Nicht nur fromme Jüd*innen, auch viele säkulare verzichten von Sonntagabend ab Sonnenuntergang bis Montagabend wieder bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Körperpflege, Arbeit und jede Art von Ablenkung. "Denn wer nicht fastet an diesem Tage, der wird aus seinem Volk ausgerottet werden," heißt es in der Tora. (3. Mose 23, 29)

Zum "Kol Nidre" in die Synagoge

Vor dem Abendgottesdienst, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, findet das Kol Nidre statt. Das ist genau genommen kein Gebet. Der Kantor singt einen vorgegebenen Text, eine juristische Formel, mit der sich die Gläubigen von den Versprechen lossagen, die sie Gott gegeben haben und nicht einhalten konnten.

Der Kantor beginnt langsam und leise auf Aramäisch zu singen. Der Gesang wird mehrmals wiederholt, immer lauter und ergreifender. Alle Gemeindemitglieder sind weiß gekleidet, denn an Jom Kippur tragen gläubige Jüd*innen ihr weißes Bußgewand, in dem sie nach dem Tod auch beerdigt werden.

Jom Kippur feieren auch säkulare Jüd*innen

Beim Kol Nidre trifft man auch auf Jüd*innen, die sonst nicht in die Synagoge gehen. Es ist ein wenig wie bei den Christ*innen an Weihnachten: Für viele ist es das einzige Mal im Jahr, dass sie das Gotteshaus betreten, denn das Kol Nidre gehört fest zur jüdischen Tradition.

Fromme Jüd*innen verbringen den ganzen Montag in der Synagoge und beten bis zu zehn Stunden. Das rituelle Blasen des Schofars, des Widderhorns, beendet dann den Jom Kippur.

Freude trotz strenger Vorschriften

Trotz des strengen Fastens und der Buße überwiegt am großen Versöhnungstag dennoch das Gefühl der Freude. Die Freude darüber, dass Gott dem Menschen letztendlich doch wieder vergibt und ihn ins Buch des Lebens einträgt.

In einem bekannten Gebet, das zu Jom Kippur gesprochen wird, heißt es:

Am Anfang des Jahres geschrieben
Und am Versöhnungstag gesiegelt (...):
Wer leben wird und wer sterben wird
Wer durch Feuer und wer durch Wasser
Wer bleibt und wer flieht (...)
Wer erhoben wird und wer erniedrigt wird
Wer reich wird und wer verarmt

Leonard Cohens Song "Who by fire" geht auf den Text eines Gebetes für die hohen Feiertage vor Jom Kippur zurück. Er komponierte das Lied, nachdem er 1973 vor israelischen Soldaten während des Jom-Kippur-Kriegs gesungen hatte.

Wer durch Feuer
Wer durch Wasser
Wer in der Sonne
Wer in der Nacht
Wer als Strafe Gottes
Wer durch irdisches Gericht
Wer in den Wonnen des Mai
Wer durch Siechtum
Und wer - wer entscheidet das?

Nicht nur für fromme Jüd*innen ist klar: Zuletzt entscheidet Gott.

Leonard Cohen: »Who By Fire«.

Die Ursprünge von Jom Kippur werden im dritten Buch Mose, im hebräischen Teil der Bibel, geschildert.

In biblischer Zeit war der Versöhnungstag der einzige, an dem der Hohepriester das Allerheiligste des Tempels betrat. Zudem lud man die Sünden des Volkes symbolisch auf einen Bock, der dann in die Wüste geschickt wurde. Darauf geht der sprichwörtliche Sündenbock zurück.

Brauch des Kappores-Schlagens

In ultraorthodoxen Gemeinden hat sich ein alter Brauch aus Persien gehalten, das sogenannte Kappores-Schlagen. Dabei schwenkt der Rabbi am Vorabend von Jom Kippur dreimal ein Huhn über den Kopf der Gläubigen. Das Tier wird danach rituell geschlachtet, es steht stellvertretend für die Sünde.

Am Versöhnungstag zünden gläubige Juden in ihrem Haus ein Licht zur Erinnerung an die verstorbenen Angehörigen an, das 24 Stunden brennen soll. Zum Ende des Tages erklingt das Schofar, das Widderhorn.

 

mit Material des epd