Neue Zeiten haben neue Kraft.
Es gibt so viele gute Ideen.
Lasst sie uns miteinander teilen
— und uns für ihre Umsetzung engagieren!

Mit diesem Slogan warb die evangelische Kirche für das Zukunftsforum 2020. Ziel der Online-Konferenz mit rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war es, den kirchlichen Transformationsprozess zu begleiten. Der Kongress wolle Impulse setzen und nutzte dafür  Großgruppendiskussionen. In unserem Newsticker begleiten wir die Tagung.
 

KirchederZukunft
Blick auf den Startbildschirm der Tagung "Kirche ist Zukunft"

22. September, 9.35 Uhr

"Kirche ist Zukunft" – mit diesem Slogan hatte die evangelische Kirche für die Teilnahme am Zukunftsforum 2020 geworben. Nach massiven technischen Problemen musste die Tagung frühzeitig abgebrochen werden. Christian Sterzig, Leiter der Stabsstelle Digitalisierung, lädt am Dienstagabend (22. September, 20 Uhr) zu einer Zoomkonferenz ein. Bei dem virtuellen Treffen sollen die TeilnehmerInnen ihre Eindrücke schildern. Vor allem soll es aber darum gehen, Ideen und Anregungen zu sammeln, wie es denn nun weitergehen kann.

21. September, 10 Uhr

Auf Twitter listete #kircheistzukunft am Tag der Tagung ganz weit oben. Doch nach dem Abbrauch der Zukunftskonferenz schwankte die Stimmung in den sozialen Medien stark zwischen Enttäuschung, Verwunderung und Wunsch nach Fortsetzung.

Warum wurde für die Tagung nicht eine andere Technologie verwendet, lautete einer der Kritikpunkte an dem Format. Wozu diente der anonyme Chat, wo es doch um Vernetzung gehen sollte? Warum wurde nicht auf bestehende funktionierende Formate zurückgegriffen? Andere forderten eine Fortsetzung mit anderen Mitteln, plädierten für Zoomkonferenzen oder kirchliche Chatgruppen oder Fortsetzung zu einem anderen Zeitpunkt. 

Chats zu sechs verschiedenen Themen - Mehr als 1000 Kommentare

Freitag, 18. September; 12.39 Uhr: Dann klappt es - und in Nürnberg, wo sich einige TeilnehmerInnen zum realen Treffen verabredet haben, wird es still. Sie haben ihre Laptops aufgeschlagen und tippen nun ihre Ideen und Antworten in das Tool. Die erste Runde soll vor allem Ideen und Stimmen einsammeln. Die Akteure sind deshalb anonym, was eine Person in der Runde über die "Kirche in digitaler Kultur" bemängelt.

Sie schreibt: "Wahrscheinlich war ich zu blauäugig mit meinen Erwartungen an den heutigen. Aber ehrlich, Leute: Nicht moderierte, anonyme Chatrooms sind doch heutzutage keine Arbeitsgruppen mehr. Es ist doch fast eine Karikatur, dass wir in einem solchen Setting über eine Kirche der Zukunft in digitaler Kultur uns auseinandersetzen müssen. Es gibt doch wesentlich bessere Kommunikationsmöglichkeiten und 500 Teilnehmende kann man auf einem Online Kongress in 10 Arbeitsgruppen packen, sodass diese noch vernünftig miteinander in einen moderierten Austauschprozess kommen." Andere halten dagegen und meinen, dies sei ja die erste Runde, weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Kollaboration sollen noch folgen. Einige TeilnehmerInnen fragen sich, wie mit den vielen Antworten umgegangen werden soll.

Wie dem auch sei: Nach einer Stunde in dem Chatroom versiegen langsam die Kommentare, und auch die zehn Stimmen, die jeder abgeben kann, sind verteilt. Erst kurz vor der Mittagspause können die anderen Fokusfragen angesehen und ebenfalls kommentiert werden. Die Zahl der Kommentare bei den einzelnen Themen variiert stark - manchmal gibt es über 30 Antworten, dann aber auch nur zwei oder drei Kommentare. Unter dem Stichwort "Aufhören lernen" äußern sich zum Beispiel 37 Personen. Dort steht der Wunsch:

"Wir müssen gemeinsam die Kunst des Aufhörens lernen. Nich alles, was mal gut war, ist noch gut. Wir brauchen Freiheit zum Aufhören - damit Energie frei wird... vielleicht für Neues."

Unter der Rubrik "neue Entscheidungswege" wünscht sich eine Person, Angst und Kontrollwahl abzubauen, dazu gibt es 18 Kommentare, eine andere Person appelliert an den Mut, Entscheidungen zu treffen, hier stehen 16 Kommentare.

Die Wünsche und Anregungen der TeilnehmerInnen sind vielfältig. Mal geht es um die Struktur der Organisation Kirche, dann um Einzelfragen wie eine Startup-Kultur in der Kirche, neue Gemeindeformen, mehr Risikofreude und Methodenkompetenz in der Führungsetage. Auch die Frage nach der Kirchensteuer wird an verschiedenen Orten gestellt. Sollte es Marketing geben für die Kirchensteuer - oder braucht es neue Formen der Mitgliedschaft oder eine Kultursteuer?

Bis zur Mittagspause sind über tausend Kommentare zusammengekommen. Diese sollen zusammengetragen und auch dokumentiert werden, erklärt Frank Schomburg von Nextpractice. Ab 14 Uhr soll es weitergehen mit dem Zukunftskongress.

 

Update 14.40 Uhr: Die technischen Probleme reißen nicht ab... Ein Teilnehmer schreibt: "Die technische Umsetzung ist nah dran an Realsatire..."

Der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, stellt sich direkt nach der Pressekonferenz vor die Livekamera und erklärt, dass die Veranstaltungen abgebrochen werden muss. Er freue sich auf die vielen kreativen Ideen, die nun in einer zweiten Runde angeschaut werden könnten. Er entschuldigte sich ausdrücklich für die Probleme und erklärte: "Wir haben heute auch die Verletzlichkeit eines solchen Systems erlebt". Dennoch wolle er den vielen Menschen danken, die das Format mit vorbereitet hätten. Ulrike Greim, die Rundfunkbeauftragte der EKM, erklärt: "Das mit der Digitalierung üben wir noch. das ist die Realität." - und verweist auf den schönen Nachmittag mit Sonne, den die Teilnehmenden nun genießen können.

Die Reaktionen auf dem Twitterkanal, der den Hashtag #kirchistzukunft trendet, sind gegensätzlich. Einige fühlen sich in ihrer Einschätzung bestätigt und kritisieren das Format. Aber es gibt auch viele positive Stimmen. Eine Teilnehmerin schreibt:

"Wir geben nicht auf. Wir brechen ab! Lernen aus den Erfahrungen und wir gehen hoffentlich mit vielen Erkenntnissen in einen zweiten Versuch!"

Um 15.54 Uhr wird das Zukunftsforum abgebrochen. Die Veranstalter erklären, es werde eine Fortsetzung geben. Die Erkenntnisse aus den einzelnen Workshops sollen weiter bearbeitet werden.

 

Über diese Fokusfragen wurde diskutiert:

  1. Stellen Sie sich vor, 2030 steht Ihnen eine Vielzahl smarter Technologien zur Verfügung, mit denen Sie Ihre täglichen Arbeitsprozesse effizienter gestalten können, die aber auch die Kommunikation des Evangeliums verändert haben. Welche mentalen Weichenstellungen und welche konkreten Tools haben sich für diese Entwicklung als förderlich erwiesen? Welche Hindernisse haben wir hierfür aus dem Weg räumen müssen?
  2. Stellen Sie sich vor, Kirche und Diakonie haben ihre Position als gestaltende zivilgesellschaftliche Akteure festigen können. Welche Formen der Kommunikation des Evangeliums waren für diese Entwicklung besonders wichtig und entfalteten große Reichweite? Welche Hindernisse haben wir hierfür aus dem Weg räumen müssen?
  3. Stellen Sie sich vor, die evangelische Kirche hat sich zu einer dynamischen, serviceorientierten Organisation weiterentwickelt. Welche Prinzipien der Entscheidungsfindung garantieren sowohl Geschwindigkeit als auch Einigkeit? Welche Hindernisse haben wir hierfür aus dem Weg räumen müssen?
  4. Stellen Sie sich vor, die evangelische Kirche im Jahr 2030 zeichnet sich durch eine Vielfalt von Parochien und anderen Ausdrucks- und Sozialformen des Glaubens aus. Welche Formen der Zusammenarbeit fördern und charakterisieren die neu entstandene Struktur? Welche Hindernisse haben wir hierfür aus dem Weg räumen müssen?
  5. Stellen Sie sich vor, die evangelische Kirche hat ihre vielfältigen Stakeholder aktivieren können und neben der Kirchensteuer neue Formen finanzieller Teilhabe gefunden. Welche neuen Ansätze haben Teilhabe und Bindung an die Kirche verstärkt und sich positiv auf die finanzielle Handlungsfähigkeit ausgewirkt ? Welche Hindernisse haben wir hierfür aus dem Weg räumen müssen?
  6. Stellen Sie sich vor, die evangelische Kirche erfreut sich 2030 trotz weniger Personalstellen mehr Menschen, die bereit und befähigt sind, Verantwortung zu übernehmen. Wodurch zeichnet sich Führungshandeln in der mittleren Ebene aus, wenn netzwerkartige Strukturen eine größere Rolle spielen als zuvor ? Welche Hindernisse haben wir hierfür aus dem Weg räumen müssen?
Tagung Kirche ist Zukunft
Screenshot des Chats der Tagung Kirche ist Zukunft

Freitag, 18. September, 11 Uhr. Der Start ist sehr holprig. An den Stationen vor Ort ist auf den Leinwänden zum Teil kein Ton zu hören, viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer können sich gar nicht einwählen - und sehen erst einmal: Nichts.

Elf Leitsätze für aufgeschlossene Kirche

Als Grundlage der Tagung dienten unter anderem die "Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche", die Ende Juni 2020 veröffentlicht wurden.

Die darin enthaltenen Thesen sollen vor dem Hintergrund der prognostizierten Entwicklung der Kirchenmitgliedschaft und dem damit verbundenen Rückgang finanzieller Ressourcen diskutiert werden.

Resonanz- und Kulturanalyse

Als weitere Grundlage wurde zudem eine Resonanz- und Kulturanalyse durchgeführt, bei der 87 qualitative Interviews geführt wurden und die insbesondere die Perspektive der mittleren Leitungsebene wiedergeben soll.

Diese sieht der Studie zufolge die Notwendigkeit, Kirche als Bewegung zu verstehen - im Sinne einer Wertegemeinschaft, die das bisherige Erfolgskonzept "Kirche als Institution" langfristig ablösen soll.

Die meisten befragten Personen äußerten aber auch die Skepsis, ob die Kirche mit dem Tempo der gesellschaftlichen Veränderungen Schritt halten kann. Die Mehrheit der Befragten nimmt eine wachsende Distanz zwischen der Kirche und den Lebensentwürfen heutiger Menschen wahr, die aus Sicht der Befragten positiv konnotiert sind durch Individualität, Selbstverantwortung, Flexibilität, Partizipation.

Großgruppendiskussion

Für das gesamte Zukunftsforum wird mit einer interaktiven Software gearbeitet. In Großgruppendiskussionen können die Nutzer miteinander über einen Chat ins Gespräch kommen.

Doch auch hier gab es einige technische Probleme - so wurde kein Thema angezeigt und die virtuellen Diskussionsteilnehmer landeten im Leeren.

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Monika (nicht überprüft) am Sa, 19.09.2020 - 03:38 Link

Egal was Kirche macht, die Mitglieder zählen werden sinken! Denn nicht nur die Kirche tritt öffentlich auf. Auch ehemalige Opfer sexueller Gewalt sind präsent und schreiben wie mit ihnen umgegangen wird. Auf David ev. Mobbing in der Ev. Kirche schreiben Opfer unfassbare Schicksalsberichte. Sie sind erwerbsunfähig. Statt einer Entschädigung bekommen sie Drohungen. Zu schweigen. Wie soll Kirche so wachsen? Niemand mit moralischem Gewissen kann in einer Gemeinschaft sein in der Grundrechte mit Füßen getreten werdem