Im Blick auf ihre eigene Entwicklung sind die Kinder und Jugendlichen die vielleicht nicht körperlich, jedoch psychisch und sozial verletzlichste Personengruppe in dieser Pandemie. Die aktuelle Situation wirkt wie ein Brennglas für vielen Themen, die Kinder und Jugendliche auch sonst bewegen.

Eine Schulseelsorgerin aus einer Grundschule berichtet:

"Auf einmal waren die ganz kleinen, alltäglichen Gespräche erst einmal weg."

Die Schülerinnen und Schüler waren weg. Was ich vorher einfach mal schnell nachfragen konnte – "Wie geht es dir?" –, oder auch andersherum: "Frau Schmid, haben Sie mal kurz Zeit für mich?", das fiel alles weg. Ich glaube, mir war noch nie so bewusst wie jetzt, wie viele Tür- und-Angel-Gespräche ich eigentlich Tag für Tag führe. Und dann machte ich mir natürlich Sorgen gerade um die Schülerinnen und Schüler, die ich schon eine ganze Zeit begleite. Wie werden sie wohl die jetzige Zeit überstehen? Wen haben sie nun als Ansprechpartner? Wenn Familie ein Teil des Problems ist? Wie kann ich sie auch jetzt in dieser Zeit gut unterstützen?

Auch die Eltern waren über die Anrufe froh

Sehr schnell wurde klar, dass es ja nicht nur mir so mit diesen Überlegungen ging. Auch die Klassenleitungen kamen auf mich zu. So entwickelten wir gemeinsam ein Netz für unsere Schülerinnen und Schüler: Wir teilten auf, wer welche Schülerinnen und welche Schüler besonders im Blick hatte. Dann rief ich "meine" Schülerinnen und Schüler an. Natürlich gab es auch Familien, bei denen ich deutlich spürte: "Was wollen Sie denn jetzt auch noch von uns?" Aber häufig schlug das dann schnell um. Und gerade die Eltern waren es, die mir zurückmeldeten, wie froh sie über diesen Anruf gewesen seien. Endlich mal einer, der auch ihre Nöte, Sorgen, Gedanken, Anstrengungen mit anhörte.

Diese Wahrnehmung und diese Resonanz gerade vonseiten der Eltern war neu für mich und machte deutlich, wie wichtig es gerade jetzt in dieser Zeit der Pandemie ist, mit der ganzen Familie in Kontakt zu sein. Zusätzlich hat dieser spezielle Blick auf unsere Schülerinnen und Schüler uns als Kollegium noch einmal ganz neu zusammengebracht.

Initieren von Kontakt, Gesprächen und "Atmosphäre"

Aber nicht nur Einzelgespräche kennzeichnen Schulseelsorge. Auch das bewusste Initiieren von Kontakt, Gesprächen, ja "Atmosphäre" ist wichtig. So berichtet eine Schulseelsorgerin aus der Realschule: "Je länger die Pandemie dauerte, desto deutlicher wurde die allgemeine Gereiztheit –
und das nicht nur bei Schülerinnen und Schülern, sondern auch im Kollegium und bei den Eltern. Kein Wunder, so lange, wie das jetzt geht! Dem wollte ich ein bisschen gegensteuern und initiierte das Projekt "Ich bin nice-Challenge".

Drei Wochen lang bekamen alle Gruppen Aufgaben, mit denen sie jeweils einer anderen Gruppe etwas Gutes tun konnte. Das wurde gut angenommen, und jeder war dankbar, ein paar "good vibes" zu empfangen, aber auch zu geben. Insgesamt ein tolles Projekt, um Resilienz und gegenseitige Achtung füreinander zu stärken.

Erst einmal identifizieren, was die aktuellen Themen der Schülerinnen und Schüler sind

Ein Schulseelsorger aus der Berufsschule berichtet, wie konzentriert und zielgerichtet auf die Bedürfnisse der Auszubildenden eingegangen werden konnte: "Als dann die Schule wieder begann, erarbeiteten wir in unserem Krisenteam eine Mischung aus Impulsen für den Unterricht und einer konzertierten Ansprechbarkeit von Schulpsychologen, Beratungslehrern und Schulseelsorgern. Zunächst waren uns so einfache Impulse wie "Meine Gedanken kreisen um … " wichtig, um erst einmal zu identifizieren, was die aktuellen Themen unserer Schülerinnen und Schüler sind. Und was da rauskam, war ein bunter Strauß von der Angst um die Zukunft und die Ausbildungsstelle genauso wie Liebeskummer, der durch die Pandemie häufig verschlimmert wurde, weil man Konflikte eben nicht direkt miteinander austragen konnte.

Für andere war aber auch gerade die Einsamkeit eines der quälendsten Erlebnisse, während wieder andere davon berichteten, wie Menschen in ihrer Familie an Covid-19 erkrankten, manche auch starben. Mithilfe dieses so einfachen Impulses ergaben sich dann schon fast automatisch die Gespräche im Anschluss, sodass wir recht schnell und umfassend anknüpfen und helfen konnten."

Der Bedarf an Schulseelsorgerinnen und -seelsorger wächst

Um die 175 evangelische Schulseelsorgerinnen und -seelsorger kümmern sich in Bayern um ihre Schülerinnen und Schüler. Leider noch nicht flächendeckend, doch wächst der Bedarf wie auch die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer, die diesen Bedarf für ihre Schule erkennen. Daher bietet das Religionspädagogische Zentrum Heilsbronn Beratung und Fortbildungen in diesem Bereich an. Pfarrerin Meike Hirschfelder hilft als Referentin für Schulseelsorge gerne weiter.

Kontakt

Pfarrerin Meike Hirschfelder
RPZ Heilsbronn,
Abteigasse 7
91560 Heilsbronn

Tel. (0 98 72) 50 91 30,
E-Mail: meike.hirschfelder@rpz-heilsbronn.de

Mehr Informationen: handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php

Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung"

Seelsorge und Beratung

In der neuen Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung" stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

Folge 1: Landwirtschaftliche Familienberatung der Landeskirche

Folge 2: Telefonseelsorge

Folge 3: Gehörlosenseelsorge

Folge 4: Schulseelsorge

Folge 5: City-Seelsorgestellen

Folge 6: Seelsorge in Alten- und Pflegeheimen

Folge 7: Gemeindeseelsorge

Folge 8: Klinikseelsorge

Folge 9: Polizeiseelsorge

Folge 10: Notfallseelsorge

Folge 11: Seelsorgeausbildung

Folge 12: Studierendenseelsorge

Folge 13: Gefängnisseelsorge

Folge 14: Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diakonie

Folge 15: Militärseelsorge

Folge 16: Schwerhörigenseelsorge

Folge 17: Flughafenseelsorge

Folge 18: Blinden- und Sehbehindertenseelsorge