Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die kommende Synode?

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Obwohl das Büro das Landessynode alles unternommen hatte, dass die Herbstsynode nach zwei digitalen Tagungen endlich in Präsenz stattfinden kann, haben wir uns angesichts der besorgniserregenden Corona-Entwicklung jetzt schweren Herzens doch entschieden, die Synode digital durchzuführen. Auch die Mehrheit der Synodalen votierte am Wochenende für eine digitale Synode mit einem Kernteam vor Ort in Geiselwind. Auch als digitale Tagung bleibt die Tagung öffentlich und kann per Livestream im Internet verfolgt werden. Inhaltlich wird es neben der Einbringung des Haushalts 2022 um den Erneuerungsprozess unserer Landeskirche gehen. Mit einem Blick in Richtung Frühjahrssynode zum Thema "Zukunft der Kirche" wird Kirchenrat Thomas Prieto Peral Informationen zu erfolgreichen Projektförderungen (PuK-/ m.u.t./ Kasualprojekte) geben. Die Arbeitsgruppe "Jugend in Verantwortung" stellt in einem Bericht die Ergebnisse der dreijährigen Beratungen vor. Oberkirchenrat Prof. Dr. Hans-Peter Hübner wird einen Impulsvortrag zum Jubiläum unserer Kirchenverfassung halten. Es wird einen Bericht aus der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt geben. Außerdem wird Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern einen Bericht aus dem Kirchenkreis Nürnberg geben. Ich freue mich auch auf den Eröffnungsgottesdienst am Sonntagabend um 18 Uhr mit der Predigt von Kirchenrat Prof. Dr. Ralf Frisch, der ebenfalls online übertragen wird.
 

Welche großen Linien sehen Sie für die kommende Herbstsynode und für die gesamte Synodalperiode?

Der große Bogen über der Synodalperiode 2020-2026 ist die Transformation unserer Kirche. Die Leitfrage lautet: Wie können wir die Zukunft unserer Kirche angesichts der sich abzeichnenden gesellschaftlichen Veränderungen attraktiv gestalten? Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind deutlich benannt. Durch den umfangreichen Maßnahmenkatalog des Zukunftsprozesses "Profil und Konzentration" haben wir auch bereits Handlungsfelder markiert und Handlungsimpulse gesetzt. Diese orientieren sich an dem, was wir als "PuK-Dreieck" bezeichnen. Wenn wir den Raum des Evangeliums gestalten wollen, dann müssen wir zunächst den Auftrag und die Menschen und dann erst die Strukturen im Blick haben. Die Corona-Pandemie hat manches verändert, aber auch sichtbar gemacht, was für uns wesentlich ist.
 

Die stärkere Einbindung junger Menschen in die Kirche lag Ihnen immer ganz besonders am Herzen. Zeichnen sich da erste Erfolge oder Konsequenzen ab? 

Nun, dieser Wunsch erfüllte sich durch die Synodalwahl ja quasi wie von selbst: Wir haben neben den berufenen Jugendsynodalen viele junge Synodale unter 30 Jahren oder knapp darüber. Wichtig ist, dass dies auch in Zukunft keine Ausnahmeerscheinung bleibt. Wir müssen uns weiterhin fragen, wie wir auch künftig junge Menschen für die Gremienarbeit auf allen Ebenen unserer Landeskirche gewinnen können. Erklärtes Ziel der Arbeitsgruppe "Jugend in Verantwortung" ist, dass 20% aller Synodalen unter 30 Jahre alt sind. Die von mir immer wieder propagierte Netzwerkarbeit in unserer Landeskirche sollte sich an diesem Ziel orientieren. Dabei muss die Frage gestellt werden, wie junge Menschen motiviert werden können, sich in den Kirchenvorständen, in den Dekanatsbezirken und in der Landessynode zu engagieren. Die Arbeitsgruppe hat dazu Vorschläge erarbeitet. Darüber hinaus sind eine gute, vertrauensvolle Kommunikation, eine gezielte Vernetzung zwischen Synodalen und Jugendlichen sowie der Kontakt zwischen dem Landessynodalausschuss und jungen Synodalen das A und O für das Miteinander von Christinnen und Christen aller Generationen.
 

Nach Ihrer Wahl haben Sie betont, dass es auf die "Nähe der Kirche zu den Menschen" ankomme. Wie wirkt sich da die Corona-Krise aus? Sehen Sie neue Formen, z.B. digital, wie mehr Menschen über die traditionellen Angebote hinaus von der Kirche erreicht werden können? Welche Rolle kann die f.i.t.-Initiative von Diakonie und Landeskirche spielen, für die Sie sich wiederholt stark gemacht haben? 

Es hat einen Digitalisierungsschub während der Corona-Krise in der evangelischen Kirche gegeben. Dadurch sind neue Vernetzungsmöglichkeiten entstanden. Ich denke da nicht nur an die digitalen Andachten und Gottesdienstangebote. Ich vermute, dass es auch künftig vermehrt hybride Verkündigungsformate geben wird. Allerdings wird durch eine digitale Kirche nicht für alle in gleicher Weise die adäquate Form von Nähe hergestellt. Corona führt viele Menschen – Ältere und Jüngere! – in bittere Einsamkeit. Nachbarn und Freunde sterben. Kontakte brechen ab. Aber Menschen sehnen sich danach, angesprochen zu werden. Kinder vermissen ihre Freunde und Klassenkameraden. Hier entsteht ein neues Aufgabenfeld für die Ehrenamtlichen in unseren Kirchengemeinden. Auch offene Kirchen waren, sind und bleiben Zufluchtsorte während der Pandemie. Ideal ist es, wenn es in diesen offenen Kirchen auch Ansprechpersonen gibt.

Leider ist der Erfolg der f.i.t-Projekte nicht so nachhaltig, wie ich es erhofft hatte. Das Erfolgsgeheimnis des Projektdesigns hatte die Kooperation von örtlicher Diakonie und Kirchengemeinde gefördert. Aus meiner Sicht ist dies unbedingt noch ausbaufähig.
 

Als Synodalpräsidentin sind Sie sozusagen die oberste Ehrenamtliche. Hat Corona die Situation der Ehrenamtlichen verändert? Brauchen die vielen Frauen und Männer, die sich ehrenamtlich für ihre Kirche engagieren, mehr Anerkennung oder bessere Bedingungen?

Die Coronazeit war für alle sehr anstrengend, auch für die Ehrenamtlichen. Auch hier wurde Vieles in den digitalen Bereich verlegt, aber nicht alles, vor allem nicht Nähe und Seelsorge, lässt sich digital abbilden. Im Bereich der Erwachsenenbildung in den Kirchengemeinden konnte Vieles nicht angeboten werden. Hier braucht es einen Neuaufbau. Von einigen Kirchengemeinden habe ich gehört, dass sich gerade während der Corona-Pandemie viele neue Menschen für neue Projekte, die während der Pandemie entstanden sind, haben gewinnen lassen. Selbst diese Phase, in denen das Ehrenamt vielerorts komplett still stehen muss, kann also eine Zeit sein, in der sich kleine Dinge positiv verändern. Aber es gab auch Kirchengemeinden, denen die ehrenamtliche Arbeit weggebrochen ist und die nun vor einem Neuanfang stehen. Anfang Dezember wird der Ehrenamtspreis verliehen – diesmal an zwölf inspirierende Projekte, die in der Zeit der besonderen Herausforderungen der Pandemie mit ehrenamtlichem Engagement das kirchliche Leben an vielen Stellen heller und bunter gemacht haben. Dass diese Preisverleihung mitten in einer heftigen neuen Coronawelle geschieht, ist traurig, inspiriert aber vielleicht gerade deshalb zu innovativen Ideen.
 

Die Landeskirche steht in einem Spagat zwischen organisatorischen Fragen und Sparzwängen und grundsätzlichen inhaltlichen Fragen, wie einer neuen Ausrichtung. Befürchten Sie, dass wegen der aktuellen Herausforderungen die inhaltlichen Punkte zu kurz kommen?

Der Grundidee von "Profil und Konzentration" ist, dass zunächst über die Inhalte und dann über die Strukturen nachgedacht wird. Viele haben in diesem Geist von PuK mit der Arbeit an Zielen und Meilensteinplänen begonnen. Ich hoffe, dass erfolgreiche Umsetzungen eine Sogwirkung erzeugen und Anderen Lust machen, ebenfalls neu zu denken. Aber die Herausforderungen durch die Umsetzung der Landesstellenplanung sind gerade auch in den Kirchengemeinden sehr groß. Eigentlich braucht es hier insgesamt mehr professionelle Begleitung.
 

Die Synode insgesamt, aber auch Sie selbst ganz persönlich, sind ein wesentlicher Motor für das umfassende kirchliche Reformkonzept "Profil und Konzentration". Wieweit ist dieses Großprojekt inzwischen gekommen, wo sehen Sie noch Defizite und Handlungsbedarf?

PuK ist kein Projekt, sondern ein Prozess. Auch in den vergangenen Monaten ist dieser Prozess weitergegangen. Momentan steht die Umsetzung des Lindauer Maßnahmenkatalogs an. Die Priorisierung und die konkreten Umsetzungen von Zielen brauchen Mut. Vor wenigen Wochen hat sich die PuK-Begleitgruppe mit dem Landesbischof und mir zu einem sehr kreativen Projekttag getroffen. Mit einer Standortbestimmung und dem Skizzieren des Weges über die Frühjahrssynode 2022 zum Thema "Zukunft der Kirche" bis zur Gemeinsamen Konferenz der kirchenleitenden Organe im Juli 2022 in der Evangelischen Akademie Tutzing zeichnet sich ein Plan ab, der konkrete Meilensteine formuliert. Zudem können wir an ersten sehr schönen Ergebnissen sehen, dass der neue Weg erfolgreich ist. Ich nenne hier das KonfiLab und ein Beispiel aus meinem Dekanat: das Café Krempl – ein Schülercafé der Evangelischen Jugend mitten in Erlangen, dessen Existenz am seidenen Faden hing. Da es ein wichtiger außerschulischer Treffpunkt für Jugendliche ist, wollten das Dekanat und die ej das Projekt nicht aufgeben. Mit Projektmitteln aus dem PuK-Fördertopf und in einer Kooperation mit dem Stadtjugendring Erlangen ist das Projekt wieder zu einem attraktiven Treffpunkt mit Zukunftsperspektive geworden: Es gibt im Café ein Angebot für ein regelmäßiges Mittagessen. An festen Nachmittags- oder Abendzeiten unter der Woche öffnet das Café Krempl für offene Jugendarbeit und bietet einen entspannten und geschützten Aufenthaltsraum für Jugendliche.
 

Hat Corona die Kirche grundlegend verändert und eventuell sogar neue Chancen eröffnet?

Corona hat das deutlich werden lassen, was wir 2017 in besonderer Weise gefeiert haben: Kirche muss sich immer wieder verändern, um in unterschiedlichen Zeiten dem Geist des Evangeliums treu zu bleiben. In der Krise ist der Mut gewachsen, Neues auszuprobieren. Diesen Mut unterstützen wir mit dem m.u.t-Förderprogramm und ermöglichen so missionale ungewöhnliche Startup-Projekte in einem Team von Tandempartnern. Die Popup-Kirche in Landshut ist zum Beispiel ein solches Projekt.
 

Welches Bild von Kirche streben Sie an, wohin soll die Reise des großen "Tankers Kirche" gehen?

Mein Bild von Kirche habe ich schon 2014, als ich gewählt wurde, vor Augen geführt. Und dieses Bild hat sich nicht geändert. Es ist das Bild eines dynamischen Netzwerks. Dies ist kein neues Bild, und es ist weder eine Erfindung von mir noch eine Erfindung der Digitalisierung. Es ist das Bild der frühchristlichen Gemeinden, die sich in der Kraft des Geistes auf den Weg in eine neue Zeit machten. Die ersten Christen waren allein im Rückenwind dieses Geistes unterwegs. Sie fanden keine Strukturen vor, derer sie sich bedienen konnten. Im Gegenteil. Vielleicht führt uns die Zukunft ja an diesen geistesgegenwärtigen und resonanzstarken Anfang des Christentums zurück!