Weil die Sennfelder die Tradition immer noch sehr genau befolgen, und zwar das ganze Dorf von ganzem Herzen, erklärte die UNESCO ihr Friedensfest sowie die ähnliche Feier im benachbarten Gochsheim vor zwei Jahren zum Immateriellen Kulturerbe. Heuer kommt eine Neuerung hinzu: Am 14. August feiert man auf dem Dorfplatz den genauen Tag der wiedererlangten Reichsfreiheit: 18 Uhr mit dem Schweinfurter Dekan Oliver Bruckmann und Landrat Florian Töppner. Ende August beginnen dann acht Tage, deren Verlauf "absolut eng getaktet ist", so der Sennfelder Bürgermeister Oliver Schulze: Herantragen und Errichten des Freiheitsbaums, Gottesdienst, bestimmte Tanzfolgen und Partnerkonstellationen, Grenzsteinbegehung, Nachfeiern.

Dieser Ritus unterscheidet das Friedensfest noch mehr als die Jahreszeit von den – auf den ersten Blick vergleichbaren – Maibaumfesten. "Dass die Abläufe bis heute erhalten sind", ist für den Vorsitzenden des Volkstrachten-Erhaltungsvereins Die Semflder, Helmut Büschel, ein Grund für die Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe. Und: "Wichtig ist, dass die Basis der Friedensschluss und die Erlangung der Freiheit sind." Damit sei, ergänzt der evangelische Pfarrer Stefan Stauch, das Friedensfest "ein Vorbild für Europa".

Die UNESCO fand gute Gründe in Franken

Die UNESCO stützte sich bei ihrer Zertifizierung auf Gutachten der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik (Uffenheim) und von Trachtenexperten. 300 Mitglieder hat der Sennfelder Trachtenverein – bei 4600 Einwohnern. Bürgermeister Schulze gefällt es besonders gut, dass das Friedensfest "bei Jung und Alt hohe Akzeptanz hat. Meine vierjährige Tochter weiß schon, dass Sennfeld Anfang September im Ausnahmezustand ist. Da liegt was in der Luft".

Bedeutung gewann das Friedensfest auch durch seine Geschichte. Alt-Bürgermeister und Freizeithistoriker Emil Heinemann sieht erste Wurzeln schon im 12. Jahrhundert, als Sennfeld Königsgut war. Es entwickelte sich zum Reichsdorf mit dem Recht auf freie Religionswahl. Schon früh schloss sich die Gemeinde den Lutheranern an – und machte sich so für den Fürstbischof im nahen Würzburg zu einer missliebigen Enklave im katholischen Hochstift.

Als das Reichsdorf im Dreißigjährigen Krieg verwüstet wurde und die Überlebenden in umliegenden Orten Zuflucht gefunden hatten, sah der Fürstbischof eine gute Gelegenheit, Sennfeld zu annektieren. Erst der Westfälische Friedensvertrag sprach den Sennfeldern ihre Reichsfreiheit wieder zu. Das wurde ab 1649 mit dem Friedensfest gefeiert.

Tiefer Volksglaube

Heinemann hebt hervor, was Sennfeld vom benachbarten Gochsheim – und auch vom viel größeren Augsburger Friedensfest – unterscheidet: "Bis zum Frieden von Münster haben die Sennfelder einen 14-jährigen Rechtsstreit durchgestanden. Dabei war die Bevölkerung über die Region versprengt. Wie konnten die den Justiziar bezahlen? Das ist ein kleines Wunder. Die Leute müssen überzeugt gewesen sein und einen tiefen Volksglauben gehabt haben."

Überzeugt von ihrer Tradition sind sie immer noch. Trachtenvereins-Vorsitzender Helmut Büschel fand auch heuer wieder 30 junge Leute, die in Sennfelder Tracht zu authentischer Folklore auf dem Dorfplatz tanzen – die Burschen auch mit ganz kleinen Mädchen.

Heimatforscher Emil Heinemann hebt einen weiteren Aspekt des Friedensfests hervor: Es verlaufe immer friedlich, weil in Sennfeld an alkoholischen Getränken ausschließlich Bier – in Gochsheim Wein – ausgeschenkt werde, keine Schnäpse, deren Konsum ja eher einmal aggressiv mache.

Termine am Friedensfest-Wochenende

Wenn Gochsheim und Sennfeld gleichzeitig feiern, konkurrieren sie nicht um Gäste, betont Bürgermeister Oliver Schulze. Vielmehr besuchen sich Abordnungen beider Gemeinden gegenseitig. Diese Visiten haben im mehrtägigen Ablauf der Friedensfeste längst ihren festen Termin gefunden.

Dass das Feiern nicht zu viel Arbeitszeit kostet, darauf hat die Obrigkeit geachtet. Sennfeld und Gochsheim mussten ihre Kirchweih-Termine auf das Friedensfest-Wochenende legen. Die Dörfler reagierten gelassen. Sie planten für schlechtes Wetter am ersten Septemberwochenende kurzerhand das zweite als Nachspieltermin ein. Und feiern inzwischen an jedem zweiten Septembersonntag jährlich auch ihre "Nachkirchweih".