Der Sänger Xavier Naidoo überraschte die Öffentlichkeit am Dienstagabend mit einem neuen Video, in dem er sich für das Verbreiten von Verschwörungstheorien entschuldigt. "Ich war von Verschwörungserzählungen geblendet", sagt Naidoo. Er habe Dinge gesagt und getan, die er heute bereue.

Ukraine-Krieg soll Umdenken ausgelöst haben

Anlass seines Umdenkens sei der Ukraine-Krieg, führt Naidoo aus. Die brutale russische Invasion habe ihn "bestürzt und aufgerüttelt", sagt er und erklärt zudem, seine Frau stamme aus der Ukraine. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse habe er sich kritisch mit seinen eigenen Äußerungen in der Vergangenheit auseinandergesetzt:

"Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe."

Und damit nicht genug: Für seine "verstörenden Äußerungen" möchte Naidoo sich entschuldigen.

"Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus sind mit meinen Werten nicht vereinbar. Und ich verurteile diese aufs Schärfste."

Soweit, so gut. Natürlich ist Naidoos Schritt zunächst mal sehr zu begrüßen. Es ist nicht zu unterschätzen, dass ein derart prominenter Anhänger von Verschwörungsquatsch sich öffentlich distanziert. Ob hinter dem Schritt wirklich ernsthaftes Umdenken oder, wie manche vermuten, wirtschaftliche Überlegungen stehen, ist dabei zweitrangig: Das Signal als solches zählt. Und das ist gut. 

Wovon genau distanziert sich Naidoo?

Allerdings frage ich mich schon, wovon sich Naidoo denn eigentlich genau distanziert. Denn schon lange vor der Corona-Pandemie fischte der Mannheimer Sänger tief im Trüben, trat bei einer Veranstaltung der Reichsbürger auf, hielt Deutschland für ein besetztes Land und behauptete, der Antichrist persönlich stecke hinter der Klimaschutzbewegung Fridays For Future.

Nach Beginn der Pandemie drehte er den ohnehin schon verstörenden Ton dann noch lauter. Was er über seinen Telegram-Kanal verbreitete bzw. verbreiten ließ, spottet jeglicher Beschreibung und soll an dieser Stelle keine weitere Verbreitung finden. Nur so viel: Ganz unverhohlener, offener Antisemitismus inklusive jüdischer Weltverschwörung sowie Rassismus inklusive dem rechtsradikalen Märchen vom "Krieg gegen die weiße Rasse". 

Starker Tobak, um es mal vorsichtig auszudrücken. Und um das alles hinter sich zu lassen und als das zu erkennen, was es ist, nämlich kruder Verschwörungswahn und Rassismus, genügte der Einmarsch Putins in die Ukraine? 

Naidoo soll Ross und Reiter nennen

Wenn es wirklich so war, umso besser. Das würde bedeuten, dass der Ausweg aus dem Labyrinth einfacher ist als viele glauben. Trotzdem sollte Naidoo, wenn es ihm mit seiner Entschuldigung ernst ist, nun auch bitte Ross und Reiter nennen. "Gegen Antisemitismus und Rassismus" zu sein, ist in der Bundesrepublik Deutschland eine Standardbehauptung, die ohnehin jede*r für sich beansprucht, auch Antisemit*innen und Rassist*innen.

Naidoo sollte stattdessen lieber ganz klar benennen, was er da für gefährlichen Dreck verbreitet hat – und zwar explizit und an einzelnen Beispielen, nicht einfach nur pauschal. Und er sollte die Namen derer nennen, die ihn offenkundig auf diesen Weg gebracht haben, darunter der libertäre Oliver Janich, aber sicher auch noch weitere neorechte Vor- und Querdenker*innen.

Kurzum: Dieser Weg wird ganz sicher kein leichter sein, aber es würde sich lohnen, ihn zu gehen. Und zwar konsequent bis zum Ende.