Geboren am 24. April 1897 als Tochter des jüdischen Bankiers Adolf (später Abraham) Karminski und seiner Frau Selma, wurde Hannah Karminski am renommierten Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin zur Erzieherin und in Hamburg am Sozialpädagogischen Institut unter Gertrud Bäumer zur Sozialarbeiterin ausgebildet.

Als Leiterin eines jüdischen Mädchenclubs in Frankfurt am Main begegnete sie Anfang der 1920er-Jahre ihrer Mentorin Bertha Pappenheim (1859-1936), die 1904 den Jüdischen Frauenbund gegründet hatte – einen Verein, der sich für die Förderung der Volkserziehung, die Erleichterung des Erwerbslebens jüdischer Frauen und Mädchen und die Stärkung des jüdischen Gemeinschaftsbewusstseins stark machte. 

1924 wurde Hannah Karminski Herausgeberin der "Blätter des Jüdischen Frauenbunds". Später war sie zeitweise als Geschäftsführerin des Vereins und ab 1933 zudem im Bereich der jüdischen Selbsthilfe beziehungsweise der weiblichen Selbsthilfe tätig. Nach der Auflösung des Jüdische Frauenbunds im Zuge der Novemberpogrome 1938 arbeitete Hannah Karminski für die Abteilung Wohlfahrt der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland", eine 1939 vom NS-Regime eingerichtete Dachorganisation jüdischer Gemeinden und Vereinigungen.

Hannah Karminski: Pflichtbewusstsein trotz Sehnsucht nach Freiheit

Im Rahmen dieser Tätigkeit war Karminski insbesondere an der Organisation der Auswanderung von Frauen sowie an der Organisation und an der Durchführung von Kindertransporten nach England beteiligt. Einige dieser Transporte begleitete Karminski selbst dorthin – doch sie kehrte jedes Mal nach Berlin zurück, obwohl sich für sie immer wieder Möglichkeiten zur Flucht aus Deutschland ergaben.

"Natürlich habe ich nach Euch sehr große Sehnsucht, aber ich glaube immer noch, dass mein Hierbleiben etwas Sinn hatte und hoffe zuversichtlich auf ein Wiedersehen", schrieb Hannah Karminski 1941 an ihre Schwester Erna Berlowitz, der 1939 zusammen mit Karminskis Eltern die Flucht in die Schweiz gelungen war.

Trotz ihrer schwierigen Situation verlor Hannah nie ihre Lebensfreude und ihren Humor. In den Briefen, die sie ihrer Schwester während ihrer letzten Lebensjahre zwischen 1940 und 1942 schrieb, schwärmte Hannah ihr beispielsweise von einem gelungenen Balladenabend oder einer schönen Jom Kippur-Feier vor. Und in einem Brief, den Hannah wenige Monate vor ihrer Deportation am 01.03.1942 verfasste, richtete sie sich an ihren Vater, der sich dank der von seiner Tochter geschickten Fotos nun davon überzeugen haben können, dass sie "noch gar keine grauen Haare habe und noch ganz passabel aussehe".

Hannah Karminski und ihre Lebensgefährtin Paula Fürst

Immer wieder erwähnte Hannah Karminski die Reformpädagogin Paula Fürst, die sie durch die gemeinsame Arbeit bei der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland kennengelernt hatte, in ihren Briefen. Paula wurde Hannahs Lebensgefährtin und lebte ab 1939 zusammen mit ihr am Kaiserdamm in Charlottenburg. Neben Paula Fürst wurden die ebenfalls für die Reichsvereinigung tätigen Sozialarbeiterinnen Cora Berliner und Hildegard Böhm zu Hannah Karminskis wichtigstem Anker im Leben. 

"Zu bewundern gibt es wirklich nichts", schrieb Hannah Karminski, die es als ihre moralische Pflicht ansah, den in Deutschland verbliebenen jüdischen Frauen und Kindern zu helfen, im November 1941 an ihre Schwester Erna.

"Auch bei uns gibt es Alltag und Menschliches – aber im Ganzen ist es schon eine der Größe der Zeit entsprechende Haltung".

Man spürt die tiefe Trauer in ihren Briefen, nachdem ihre geliebte Lebensgefährtin Paula Fürst im Juni 1942 verhaftet und deportiert wurde. Wenige Monate später schrieb Hannah Karminski die letzten Zeilen an ihre Schwester. Am 09. Dezember wurde auch sie verhaftet und am 4. Juni 1943 in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Heute erinnern die Hannah-Karminski-Straße im Berliner Ortsteil Charlottenburg sowie ein Stolperstein in der Oranienburger Straße 22 in Berlin-Mitte an die mutige, selbstlos agierende Sozialarbeiterin.

Literatur und Quellen

  • Helene-Lange-Archiv im Landesarchiv Berlin, B Rep. 235-20, MF-Nr. 1183
  • Gudrun Maierhof (2002) Selbstbehauptung im Chaos: Frauen in der jüdischen Selbsthilfe. 1933-1943. Campus Verlag, Frankfurt/ Main.
  • Gudrun Maierhof (2006): "'Ich bleibe, um meine Pflicht zu tun.' Hannah Karminski (1897–1942).” In "Jüdische Wohlfahrt im Spiegel von Biographien", herausgebracht / herausgegeben von Sabine Hering, 220-228. Frankfurt/Main.
  • Gudrun Maierhof: Hannah Karminski (1897-1943) in "Reihe Widerstand", 248-250 in "Soziale Arbeit. Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete" (2013, 62. Jahrgang), herausgegeben vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen.
  • Prof. Dr. Sabine Toppe (2023): Jüdischer Frauenbund, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv.
  • Prof. Dr. Sabine Toppe (2021): Verfolgung, Vertreibung, Flucht und Emigration jüdischer Sozialarbeiterinnen im Nationalsozialismus, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv.
  • Hannah Karminski Collection (Hannah Karminski, 1897-1942; Ottilie Schoenewald, 1883-1961) / Leo Baeck Institute London/ Marianne Breslauer / Shlomo Mayer, LBI Jerusalem.

Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen Nationalsozialismus"

Die Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus" stellt Frauen vor, die sich mutig gegen das NS-Regime gestellt haben. Diese Frauen halfen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern, besorgten gefälschte Papiere, organisierten den Widerstand oder verteilten Schriften. Die Ausstellung zeigt prominente und weniger bekannte Frauen aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern und verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Widerstands sowie die Bedeutung dieser Geschichte für uns heute. Das Dossier mit den Porträts aller Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus finden Sie unter diesem Link.

Die Plakatausstellung ist ab 299 Euro in den Formaten A1, A2 und A3 erhältlich. Die Ausstellung eignet sich besonders für Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken, Schulen, Volkshochschulen, aber auch für Gemeinden, Kommunen oder Verbände. LeihnehmerInnen erhalten kostenloses Pressematerial sowie eine Plakatvorlage und Pressefotos für die Werbung.  Weitere Infos zur Ausstellung: ausstellung-leihen.de/frauen-widerstand-ausstellung

Diese Frauen sind Teil der Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus”:

  1. HANSCHE, Hildegard (1896-1992)  
  2. VADERS, Maria (1922-1996)  
  3. INAYAT KHAN, Noor-un-Nisa (1914-1944) 
  4. SEIDENBERGER, Maria (1927-2011) 
  5. STREWE, Lucie (1887-1981) 
  6. BEEK, Cato Bontjes van (1920-1943) 
  7. MOLTKE, Freya Gräfin von (1911-2010) 
  8. ROTHE, Margaretha (1919-1945) 
  9. BERGER, Hilde (1914-2011) 
  10. LEBER, Annedore (1904-1968) 
  11. KARMINSKI, Hannah (1897-1943) 
  12. OVEN, Margarethe von (1904-1991) 
  13. FITTKO, Lisa (1909-2005) 
  14. HAAG, Lina (1907-2012) 
  15. ABEGG, Elisabeth (1882-1974) 
  16. MENSAH-SCHRAMM, Irmela (*1945) 
  17. REICHERT-WALD, Orli (1914-1962)
  18. KERN, Katharina Käthe (1900-1985)

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