Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen Unterschied machen: Wenn Cato Bontjes van Beek während des Zweiten Weltkriegs mit ihrer Schwester in der Berliner S-Bahn sitzt, steckt sie den französischen Zwangsarbeitern, die an der Station Westkreuz zusteigen, gelegentlich eine Packung Zigaretten, ein Butterbrot oder ein Stück Seife zu.

Cato wird am 14. November 1920 in Bremen geboren, sie gilt als wildes und mutiges Mädchen, die Mutter ist Tänzerin und Malerin, der Vater Keramiker. Sie wächst in der kleinen Künstlerkolonie Fischerhude in Norddeutschland auf und hat ein ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit, so ihr Bruder: "Sie war unglaublich zäh", erinnert er sich, und habe sich für seine Verteidigung mit anderen Jungs geprügelt. Mit elf Jahren zieht sie nach Amsterdam zu ihrer Tante Nelly und Onkel Jan Greve, wo sie die Deutsche Schule besucht.

Cato Bontjes van Beeks Liebe zum Fliegen

Nach der Scheidung der Eltern geht Cato im Alter von 17 Jahren als Au-Pair nach England. Der Familienvater Mr. Beesley erteilt ihr Fahrunterricht und ermöglicht ihr einen Flug in einem offenen Doppeldecker. "Zum erstenmal im Leben in der Luft – Junge, Junge, das war schön […]", berichtet sie ihren Eltern. Sie verliebt sich in John Hall, mit dem sie sich später auch verloben wird.

1938 kehrt Cato nach Berlin zurück und beginnt eine Ausbildung zur Keramikerin in der Werkstatt ihres Vaters. Um weiter fliegen zu können, geht sie zur NS-Frauensegelfluggruppe Berlin und lässt sich dort zur Segelfliegerin ausbilden. Sie beginnt eine Ausbildung im Ingenieurbüro Heyse & Eschenburg, dann wird sie zum Reichsarbeitsdienst nach Blaustein in Ostpreußen geschickt.

"Ich hatte einen seltsamen Traum. Mir träumte, ich sei zum Tode verurteilt worden, zusammen mit noch anderen. Warum und was ich verbrochen hatte, weiß ich nicht. Nach dem Urteil wurden wir gleich zum Hinrichtungsplatz geführt", notiert Cato 1939, nicht ahnend, wie sehr dies später zutreffen würde.

Über ihren Freund, den Journalisten Heinz Strelow, lernt sie 1941 Libertas und Harro Schulze-Boysen kennen. Der Jurist und Offizier im Luftfahrtministerium und Arvid Harnack, Ökonom und Oberregierungsrat, bilden das Zentrum einer aktiven Widerstandsgruppe, die "Rote Kapelle". Die Widerstandsgruppe unterstützt Menschen bei der Flucht ins Ausland, sammelt Material über Verbrechen der Nationalsozialisten und sucht Kontakte zu anderen Oppositionellen.

"Ihr Alten redet nur – dann müssen wir Jungen es eben tun!", sagt Cato einmal ihrem Vater Jan.

Cato unterstützt die Gruppe bei der Verbreitung und bei der technischen Herstellung des "Agis-Flugblattes". Darin steht: "Niemand kann mehr leugnen, dass sich unsere Lage von Monat zu Monat verschlechtert. Ein Endsieg des nationalsozialistischen Deutschland ist nicht mehr möglich. Hitler geht unter, ebenso wie Napoleon untergegangen ist. Wer die Zukunft des Volkes weiterhin mit dem Geschick Hitlers gleichsetzt, begeht ein Verbrechen."

Cato verschickt die Flugblätter an prominente Nazis über verschiedene Postämter, um nicht aufzufallen. Im späteren Ermittlungsbericht der Gestapo heißt es, der Text sei "sehr geschickt" formuliert und richte sich "vornehmlich an bürgerliche Intellektuelle". Er sei an alle in Berlin akkreditierten Korrespondenten geschickt sowie an Mitarbeiter des Propagandaministeriums geschickt worden. 260 Exemplare seien "sichergestellt" worden.

Cato Bontjes van Beek: Todesurteil für wegen Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats und zur Feindbegünstigung

Doch im Sommer 1942 wird ein Funkspruch entschlüsselt und liefert der Gestapo erste Namen. Harro Schulze-Boysen und andere Mitglieder der "Roten Kapelle" werden von der Gestapo festgenommen, mehr als 110 Personen werden verhört, 76 von ihnen wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Cato Bontjes van Beek wird am 20. September 1942 verhaftet. Im Polizeigefängnis am Alexanderplatz schreibt sie Briefe an Freunde und Familie, bis zuletzt hofft sie auf ein paar Jahre Zuchthaus.

Die Eltern stellen Gnadengesuche. Selbst als Reichsmarschall Hermann Göring vorschlägt, die Todesstrafe in eine "angemessene Freiheitsstrafe" umzuwandeln, lässt sich Adolf Hitler nicht umstimmen.

Am 5. August 1943 wird Cato Bontjes van Beek wegen Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats und zur Feindbegünstigung zum Tode verurteilt. Das Urteil wird in Berlin-Plötzensee vollstreckt. Die Hinrichtungen erfolgen im Dreiminutentakt. Cato Bontjes van Beek wird als Vorletzte um 19.42 mit dem Fallbeil getötet. Mit ihr sterben an diesem Tag 13 junge Frauen und drei Männer.

Kurz vor ihrem Tod schreibt sie an ihre Mutter:

"Meine Mama, es ist nun soweit, und ich werde nur noch ein paar Stunden unter den Lebenden sein. Die Ruhe, die ich mir immer für diese letzten Stunden gewünscht habe, ist nun auch wirklich bei mir und sie gibt mir viel Kraft."

Die Leiche wird noch am selben Tag für fragwürdige Forschungszwecke in die Anatomie der Berliner Charité gebracht. Und sie fügt hinzu: "Schade, dass ich nichts auf der Welt lasse ausser der Erinnerung an mich".

Cato Bontjes van Beeks Mutter prozessierte jahrelang, bis das Unrechtsurteil aufgehoben und ihre Tochter als Widerstandskämpferin rehabilitiert wurde. Ein Verfahren gegen den damaligen Ankläger, Obergerichtsrat Manfred Roeder, verläuft im Sande. Der Anatom der Charité, Hermann Stieve, wurde ebenfalls nicht belangt. Er blieb auch nach 1945 auf seinem Lehrstuhl an der Charité.

Helmut Schmidt über Cato Bontjes van Beek

Der junge Wehrpflichtsoldat und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt schrieb in Zeit Online am 28. Mai 2003 über Cato: "Ich bin ihr nur wenige Male begegnet, aber ich erinnere sie als überaus temperamentvoll, vielseitig interessiert und voller Unternehmungslust. Jedoch war es nicht sie, auch nicht ihre Schwester Mietje, die mich damals als jungen Soldaten öfter am Wochenende nach Fischerhude gezogen hat, sondern vielmehr ihre Mutter Olga. In deren gastfreundlichem kleinen Haus atmete man die Luft der Musik, der Malerei, der Keramik. Für mich ist […] vor allem das Bontjes-Haus in der Bredenau ein Innbegriff der Freiheit geworden – so erinnere ich sie bis heute".

Mietje Bontjes van Beek schrieb später über ihre gefährlichen Aktionen auf den S-Bahnhöfen: "Beim Aussteigen konnte man es immer einrichten, sich unbeobachtet unter die Gefangenen zu mischen. Dies musste stets sehr schnell geschehen und dauerte nur ein paar Sekunden. Der Zug hielt an, man ließ einige Leute aussteigen, wartete kurz und sprang aus dem Abteil auf den Bahnsteig, wo die Gefangenen bereits vorüberzogen. Mit gespielter Eile drängelte man sich durch einen Trupp, übergab einen Zettel oder nahm blitzschnell einen Brief entgegen und hastete dem Ausgang zu".

Im Gefängnis am Alexanderplatz schrieb Cato an den Mitgefangenen Rainer Küchenmeister über ihren Prozessausgang: "Von der Liebe zu den Menschen habe ich in meinem Schlußwort gesprochen. Es war mir ja auch nie zuvor so klar, wie sehr ich Deutschland liebe. Ich bin ja keine Kommunistin.

Rainer, als ich wusste, jetzt kannst du noch etwas sagen, um dein Leben zu retten, da gab es keine Politik mehr für mich, sondern einzig und allein stand vor mir das Bild, daß es nur eines gibt, und das ist die Liebe der Menschen untereinander. Ich bin kein politischer Mensch, ich will nur eines sein, und das ist: ein Mensch.

Nennt man dies nun: dem Tod ins Auge sehen. Es verpflichtet zu so vielem. Ich habe nicht um mein Leben gebettelt. Rainer, da hat der Mensch gezeigt, was er ist – nicht bei der Beweisaufnahme, sondern bei seinem Schlusswort. Ich werde das nie vergessen – sollte ich leben bleiben, jedes andere Urteil ist mir egal. Nur leben will ich, leben, leben!"

Literatur und Quellen

Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen Nationalsozialismus"

Die Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus" stellt Frauen vor, die sich mutig gegen das NS-Regime gestellt haben. Diese Frauen halfen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern, besorgten gefälschte Papiere, organisierten den Widerstand oder verteilten Schriften. Die Ausstellung zeigt prominente und weniger bekannte Frauen aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern und verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Widerstands sowie die Bedeutung dieser Geschichte für uns heute. Das Dossier mit den Porträts aller Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus finden Sie unter diesem Link.

Die Plakatausstellung ist ab 299 Euro in den Formaten A1, A2 und A3 erhältlich. Die Ausstellung eignet sich besonders für Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken, Schulen, Volkshochschulen, aber auch für Gemeinden, Kommunen oder Verbände. LeihnehmerInnen erhalten kostenloses Pressematerial sowie eine Plakatvorlage und Pressefotos für die Werbung.  Weitere Infos zur Ausstellung: ausstellung-leihen.de/frauen-widerstand-ausstellung

Diese Frauen sind Teil der Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus”:

  1. HANSCHE, Hildegard (1896-1992)  
  2. VADERS, Maria (1922-1996)  
  3. INAYAT KHAN, Noor-un-Nisa (1914-1944) 
  4. SEIDENBERGER, Maria (1927-2011) 
  5. STREWE, Lucie (1887-1981) 
  6. BEEK, Cato Bontjes van (1920-1943) 
  7. MOLTKE, Freya Gräfin von (1911-2010) 
  8. ROTHE, Margaretha (1919-1945) 
  9. BERGER, Hilde (1914-2011) 
  10. LEBER, Annedore (1904-1968) 
  11. KARMINSKI, Hannah (1897-1943) 
  12. OVEN, Margarethe von (1904-1991) 
  13. FITTKO, Lisa (1909-2005) 
  14. HAAG, Lina (1907-2012) 
  15. ABEGG, Elisabeth (1882-1974) 
  16. MENSAH-SCHRAMM, Irmela (*1945) 
  17. REICHERT-WALD, Orli (1914-1962)
  18. KERN, Katharina Käthe (1900-1985)

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