"Hilde Berger hat an Schindlers Liste mitgetippt - und sie hat sich selbst, ihren damaligen Freund und einige weitere Freunde daraufgesetzt und dafür andere Namen gestrichen, wohl wissend, was das wahrscheinlich für die Betreffenden bedeuten würde."

Reinhard Hesse, Professor für Philosophie und Ethik, stellte die Geschichte der Holocaust-Überlebenden zusammen. Darin ist auch die Außenwahrnehmung eines ihrer Vorgesetzten enthalten, Berthold Beitz, der viele Jahre nach dem Kriegsende über die Geschehnisse schreibt: "Hilde Berger war eine gut aussehende Frau, ein intelligenter Mensch und eine starke Persönlichkeit." Sie "hat im Berlin der frühen 30er Jahre gegen die Nazis gekämpft und dafür im Zuchthaus gesessen. Sie hatte Überzeugungen, für die sie einstand."

Hilde Berger rettete Menschenleben mit Berthold Beitz

Hilde Berger, in Berlin in eine jüdische Familie geboren, wurde ab 1941 in Arbeits- und Konzentrationslagern in Polen festgehalten. Wegen ihrer literarischen Bildung konnte sie dort wiederholt eine verbesserte Stellung als Sekretärin erlangen. Dadurch kam es zu Bekanntschaft mit Berthold Beitz, der während der Besetzung Polens dort Direktor der "Karpaten-Ölgesellschaft" gewesen war.

Durch ihre Fähigkeiten bekam sie Schutz vor stattfindenden Pogromen und "Säuberungsaktionen", da sie mit anderen jüdischen Angestellten zur "Rüstung" Deutschlands beitrug. Wiederholt wurde sie von Juden wegen ihrer Nähe zu Beitz gefragt, diesem Geld und Schmuck anzubieten, damit er ihnen Schutz bot. Sie setzte sich für diese Menschen ein, jedoch ohne eine Gegenleistung anzunehmen. Dagegen gab sie die Hilfesuchenden vor Beitz als Freunde oder Verwandte aus – mit der Bitte, ihr den Gefallen zu tun, sie zu schützen. Andere Mitarbeitende der "Rüstung" hatten diese Situation genutzt, um daraus ein Geschäft zu machen, was für Hilde aber nicht in Frage kam.

Hilde Bergers Mitwirken an Schindlers Liste

Bekannt geworden ist Hilde Berger als Figur des Widerstands vor allem durch ihre Mitwirkung an "Schindlers Liste": Nachdem Beitz 1944 von der Wehrmacht eingezogen worden war, hatte Hilde ihren Schutz in Boryslaw verloren. Da die Wehrmacht sich von der russischen Grenze nach und nach zurückzog, wurde das Arbeitslager geschlossen.

Sie wurden in Zügen "wie Vieh" in das Konzentrationlager Plaszow transportiert. Durch ihren Ruf als fähige Sekretärin konnte sie jedoch auch dort wieder zum Tippen von Texten eingesetzt werden, allerdings unter beständiger Verachtung und herabwürdigenden Bedingungen.

Als im Herbst 1944 auch dieses Konzentrationslager geräumt und Spuren verwischt werden sollten, tippte Hilde einige Listen für den Abtransport. Darunter befand sich auch "Schindlers Liste": Oskar Schindler war – außerhalb des Lagers – zum Direktor einer Munitionsfabrik bestimmt worden. Er setzte sich dafür ein, dass alle "seine Juden" – die Arbeiter der Fabrik – durch den Transport an einen sicheren Ort gerettet würden.

Die Liste dieser Namen tippte Hilde Berger mit und setzte tatsächlich sich, ihren damaligen Freund und weitere Freunde mit darauf.

Der Transport wurde dann allerdings nach Auschwitz geleitet. Dort angekommen, schreibt Berger, hätten sie alle Hoffnung auf Überleben verloren. Dort seien jeden Tag neue Züge voller Menschen angekommen, die dann massenweise in die "Sauna" geführt wurden, um vergast zu werden. Glücklicherweise wurde die komplette Gruppe der "Liste Schindlers" nach einem Monat verlegt. Zwar in ein weiteres Konzentrationslager, nämlich Brünnlitz, aber es befand sich in der Auflösung.

Hilde Bergers Rettung

Zwei Wochen vor Kriegsende verschwanden Lagerleiter und die meisten SS-Wachen. Am 9. Mai 1945 wurde die Gruppe von Schindler zusammengerufen und offiziell für frei erklärt. Sie sollte lediglich noch die Ordnung im Lager wahren, bis Identitätsdokumente zum Reisen erstellt wurden.

Nach einer Reise nach Polen, wo Berger keine Angehörigen mehr finden konnte, wanderte sie zu einer Freundin nach Stockholm aus. Hilde Berger war gerettet.

Woher hatte Sie den Mut und die Kraft gehabt, sich und andere wieder und wieder im Arbeitslager und Konzentrationslager in Positionen zu bringen, um gerettet zu werden? Von Außenstehenden als "Hildes Situationsphilosophie" bezeichnet hielt sie sich an folgenden Grundsatz:

"möglichst nicht an mich selbst zu denken, sondern mich um andere zu kümmern, denen es schlechter ging als mir, die längere Haftzeiten hatten, von der Gestapo gefoltert worden waren und dauerhaft körperliche Schädigungen erlitten hatten."

Literatur und Quellen

  • Hesse, Reinhard: "Ich schrieb mich selbst auf Schindlers Liste", Die Geschichte von Hilde und Rose Berger. Psychosozialverlag, Gießen 2013.

Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen Nationalsozialismus"

Die Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus" stellt Frauen vor, die sich mutig gegen das NS-Regime gestellt haben. Diese Frauen halfen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern, besorgten gefälschte Papiere, organisierten den Widerstand oder verteilten Schriften. Die Ausstellung zeigt prominente und weniger bekannte Frauen aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern und verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Widerstands sowie die Bedeutung dieser Geschichte für uns heute. Das Dossier mit den Porträts aller Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus finden Sie unter diesem Link.

Die Plakatausstellung ist ab 299 Euro in den Formaten A1, A2 und A3 erhältlich. Die Ausstellung eignet sich besonders für Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken, Schulen, Volkshochschulen, aber auch für Gemeinden, Kommunen oder Verbände. LeihnehmerInnen erhalten kostenloses Pressematerial sowie eine Plakatvorlage und Pressefotos für die Werbung.  Weitere Infos zur Ausstellung: ausstellung-leihen.de/frauen-widerstand-ausstellung

Diese Frauen sind Teil der Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus”:

  1. HANSCHE, Hildegard (1896-1992)  
  2. VADERS, Maria (1922-1996)  
  3. INAYAT KHAN, Noor-un-Nisa (1914-1944) 
  4. SEIDENBERGER, Maria (1927-2011) 
  5. STREWE, Lucie (1887-1981) 
  6. BEEK, Cato Bontjes van (1920-1943) 
  7. MOLTKE, Freya Gräfin von (1911-2010) 
  8. ROTHE, Margaretha (1919-1945) 
  9. BERGER, Hilde (1914-2011) 
  10. LEBER, Annedore (1904-1968) 
  11. KARMINSKI, Hannah (1897-1943) 
  12. OVEN, Margarethe von (1904-1991) 
  13. FITTKO, Lisa (1909-2005) 
  14. HAAG, Lina (1907-2012) 
  15. ABEGG, Elisabeth (1882-1974) 
  16. MENSAH-SCHRAMM, Irmela (*1945) 
  17. REICHERT-WALD, Orli (1914-1962)
  18. KERN, Katharina Käthe (1900-1985)

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