"Der Islam gehört zu Deutschland", das ist ein Wort, das Politikern gerne über die Lippen kommt, wenn über die Integration hier lebender Muslime debattiert wird. Dass es aber Formen des Islamismus gibt, die ganz sicher nicht zu Deutschland gehören, wurde vorvergangene Wochen in Hamburg deutlich. Bei einer genehmigten Demonstration forderten mehr als 1000 Islamisten der Gruppe "Muslim interaktiv" unter "Allahu akbar"-Rufen die Errichtung eines Kalifats.
Das Kalifat ist eine islamische Regierungsform, die ihren Ursprung im 7. Jahrhundert hat. Ein Kalif gilt als autoritär herrschender weltlicher und geistlicher Führer, als Rechtsprechung gilt im Kalifat die Scharia, die von Gott gesetzte Ordnung im Islam.
"Das Kalifat ist die Lösung"
"Das Kalifat ist die Lösung" war auf den Schildern der Islamisten zu lesen. Die Lösung wofür? Ein Kalifat bedeutet das Ende der Demokratie und der freiheitlichen Gesellschaft. Die Gleichberechtigung von Frauen, gleichgeschlechtliche Liebe oder Religionsfreiheit haben in dieser Herrschaftsform keinen Platz.
In Deutschland wird nun debattiert, ob man ein Kalifat einfach so fordern darf. Sicher ist: Die der verbotenen Organisation Hizb ut Tahrir nahestenden Gruppe "Muslim interaktiv" dürfte sich durch ihren Auftritt ermutigt sehen. Sicher ist auch: Mit Verboten allein ist dem Treiben nicht beizukommen. Die neue islamistische Bewegung in Deutschland versammelt sich nicht mehr in Hinterhof-Moscheen, sondern organisiert sich im Internet. Popkulturelle Attribute und Islam-Influencer geben der Bewegung eine Dynamik, mit der die Politik nicht mithalten kann.
Es ist nicht so, dass aus umgarnten Islamisten irgendwann überzeugte Demokraten würden
Probleme mit dem Islamismus wurden zu lange aus falsch verstandener Toleranz in eine Tabuzone verschoben – von naiven Politikern, aber auch von Bischöfen und Synoden. Es ist eben nicht so, dass aus umgarnten Islamisten irgendwann überzeugte Demokraten würden. Wer Probleme wie Ehrenmorde, muslimischen Antisemitismus, Clankriminalität, Frauenverachtung und Integrationsverweigerung angesprochen hatte, wurde oft schnell des antimuslimischen Rassismus bezichtigt und in eine rechtsradikale Ecke gestellt.
Die Kirchen sollten auch hier klar und entschieden Hass und Hetze entgegentreten, wie sie es im Umgang mit Rechtsradikalen bei jeder Gelegenheit fordern. Sie sollten liberalen Muslimen wie Abdel-Hakim Ourghi oder Ahmad Mansour eine Stimme geben – Menschen, die seit Jahren teils unter Polizeischutz für eine Integration des Islam in den demokratischen Rechtsstaat einstehen. Und die Kirchen sollten sich einer nötigen Leitkulturdebatte nicht verweigern, sondern sie offensiv angehen.
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