Mit Gedenkveranstaltungen und Gottesdiensten wird alljährlich am 20. Juli an den Widerstand gegen Hitler und das Attentat vom 20. Juli 1944 erinnert. Der Staatsstreich der Männer um Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg misslang.

Die Verschwörer wurden hingerichtet, die Familien verfolgt. Hitler und sein Regime wollten die Familien der Attentäter "bis ins letzte Glied ausrotten". Das war keine leere Drohung. Oft verbrachten die Ehefrauen viele Monate im Gefängnis, ihre Kinder wurden in Heime gesteckt und unbenannt.

Frauen im Widerstand gegen Hitler

Einige Ehefrauen wussten sehr genau, was ihre Männer taten, andere wurden zum Schutz kaum informiert. Die Historikerin Frauke Geyken geht in ihrem Buch "Wir standen nicht abseits. Frauen im Widerstand gegen Hitler" einigen Schicksale nach. Sie zeigt, wie vielfältig der Widerstand war - und wie massiv er das Leben der Familien lange nach Kriegsende prägte.

Marie Louise von Schelihas Mann wurde getötet

Marie Louise von Scheliha (1904-2003) wusste nicht viel über die Aktivitäten ihres Mannes. Der Diplomat Rudolf von Scheliha war entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und aktiv an den Planungen zum Staatsstreich gegen Adolf Hitler beteiligt. Am 22. Dezember 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet. Wenige Stunden später wurde Marie Louise verhaftet und in das Gerichtsgefängnis in die Kantstraße gebracht. Dort wurde sie wiederholt verhört und bedroht und erst am 6. November wieder entlassen. Ihren Mann sah sie nie wieder.

In den letzen Kriegstagen floh die Marie Louise mit ihren Töchtern über Prag ins bayerische Niederstätten. In dem ehemaligen Schloss der Fürsten von Hohenlohe-Jagstberg bewohnte die Familie einen Kellerraum und ernährte sich überwiegend von Pilzen, Beeren und Fallobst. An Weihnachten 1945 bestand das Festmahl aus einer Dose Erbsensuppe und einer Dose Pfirsichen aus einem Care-Paket.

Annedore Leber unterstützte aktiv den Widerstand

Ganz anders Annedore Leber (1904-1968). Sie unterstützte aktiv den Widerstand ihres Mannes Julius Leber und war in die Vorbereitungen zum Umsturz vom 20. Juli 1944 eingeweiht. Als Leber im Mai 1933 im Gefängnis saß, fuhr sie mehr als 500 Kilometer, um ihren Mann für eine Viertelstunde zu sehen. Julius Leber verbrachte mehrere Jahre im Konzentrationslager in Esterwegen und Sachsenhausen.

Im Mai 1937 kam er frei und suchte Kontakt zum Widerstandskreis um Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Am 5. Juli 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet. Annedore Leber kämpfte um ihren Mann. Zwar gelang es ihr, die Hinrichtung hinauszuzögern. Verhindern konnte sie sie nicht. Am 5. Januar 1945 wurde Leber hingerichtet.

Männer des Widerstands galten als Verräter

Nach Kriegsende trafen die Frauen und Familien des 20. Juli auf eine Gesellschaft, die von ihrem Schicksal nichts hören wollte. Ihre Männer galten als Landesverräter, die Frauen bekamen keinerlei finanzielle Unterstützung, die Kinder wurden geächtet und isoliert. Oft führten die Frauen viele Jahre einen einsamen Kampf um die Rehabilitierung ihrer hingerichteten Männer. Marie Louise von Scheliha musste bis 1995 warten, bis das Urteil gegen ihren Mann aufgehoben wurde. Die Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 bemüht sich seit Kriegsende um eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Zeitgeschichte.

Gedenkveranstaltungen zum 20. Juli

Annedore Leber tat nach dem Tod ihres Mannes alles, um das Thema Widerstand in die Öffentlichkeit zu bringen. Sie förderte den Zusammenhalt der Witwen und engagierte sich für die Gedenkveranstaltungen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Leber war auch die erste Frau, die sich an einer biografische Skizze über ihren verstorbenen Ehemann versuchte - und 1954 ein Buch veröffentlichte mit kurzen biografischen Skizzen verschiedener Widerstandskämpfer. Doch erst in den 1980er Jahren wurde der 20. Juli zum festen Bezugspunkt im Geschichtsbewusstsein der Deutschen.

Die Frauen des Widerstands, das waren neben Leber und Scheliha auch Freya von Moltke, Sophie Scholl, Clarita von Trott zu Solz, Rosemarie Reichwein, Antje Hasenclever oder Barbara von Haeften. Bis heute sind viele Quellen zu den Frauen noch nicht erschlossen worden, schreibt die Historikerin Frauke Geyken. Es sei an der Zeit, die Leistungen dieser Frauen zu würdigen.

 

Frauke Geyken: Frauen im Widerstand gegen Hitler

Immer wieder ist von den Männern des Widerstands die Rede, aber was ist mit den Frauen? Dass neben Sophie Scholl auch viele andere mutige Widerständlerinnen gegen das Hitler-Regime gekämpft haben, ist kaum bekannt. Frauke Geyken erzählt einfühlsam, wie sie in den Widerstand kamen, was sie antrieb, ob und wie sie entdeckt wurden und warum man sie nach 1945 so lange vergessen hat. Eine mitreißende Hommage an den Kampf von Frauen für Freiheit und Gerechtigkeit. Sophie Scholl war 21 Jahre alt, als sie die Flugblätter der "Weißen Rose" verteilte. Cato Bontjes van Beek arbeitete im gleichen Alter für die "Rote Kapelle". Die Kommunistin Antje Havemann engagierte sich mit 30 Jahren für ein geeintes, freies, sozialistisches Europa. Die Schneidermeisterin Annedore Leber kämpfte mit Mitte 30 an der Seite der Attentäter vom 20. Juli, und die gleichaltrige vierfache Mutter Rosemarie Reichwein unterstützte den "Kreisauer Kreis". Frauke Geyken versteht es meisterhaft, die unterschiedlichen Lebensgeschichten dieser und anderer Frauen miteinander zu verflechten. Sie schildert, wo sich die Wege kreuzten, welche Rolle die Ehemänner spielten und wie die Frauen mit Erniedrigungen, Verurteilungen und Anfeindungen selbst noch in der Nachkriegszeit umgegangen sind. Zur Sprache kommen auch Frauen wie Inge Aicher-Scholl und Marie Louise von Scheliha, deren Leben nach 1945 von dem erstaunlich mühsamen Kampf um Anerkennung des Widerstands bestimmt war.

Frauke Geyken: Wir standen nicht abseits - Frauen im Widerstand gegen Hitler.
C.H. Beck Verlag München, 2014. 352 Seiten mit 49 Abbildungen. Gebunden. ISBN 978-3-406-65902-7, 24,95 Euro

 

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