Januar 2022: Corona und der "neue Jesus"

Das dritte Corona-Jahr startet mit der vagen Hoffnung auf Besserung in Bezug auf das Virus. Die wird es tatsächlich geben – doch von vorne. Im Januar 2022 ist das Thema jedenfalls noch allgegenwärtig.

Das zeigt sich auch in der Diskussion um den Tennis-Star Novak Djokovic. Der weigert sich, die seinerzeit für eine Einreise nach Australien nötige Impfung zu vollziehen und darf nicht zu den Australian Open reisen. Sein Vater erklärt Nole daraufhin kurzerhand zum "neuen Jesus". Ja, so sahen Debatten Anfang 2022 aus, Spoiler: Es wird auch im Laufe des Jahres nicht besser. 

Februar 2022: Krieg in der Ukraine – die Zeitenwende

Aus heutiger Sicht kaum zu glauben, aber der Februar fängt eigentlich ganz gut an. Zumindest in München. Dort beschließt die Stadt, ab sofort das rassistische N-Wort zu ächten – Aktivist Jireh Emanuel spricht von einem historischen Erfolg

Weniger erfreulich sind die Olympischen Winterspiele. Diese finden, der katastrophalen Menschenrechtslage in China ungeachtet, in Peking statt. Der Uigure Ümit Hamit nimmt kein Blatt vor den Mund – und spricht im Sonntagsblatt-Gespräch von "Genozid-Spielen"

Ende Februar, genauer am 24. und damit kurz nach den Winterspielen, eskaliert Russland dann den seit 2014 schwelenden Krieg mit der Ukraine – und geht zum offenen Angriffskrieg über. Eine Zeitenwende, wie Bundeskanzler Scholz es auszudrücken beliebt. Aus einem schnellen Sieg über die Ukrainer*innen, den Putin sich wohl erhofft hatte, wird jedoch nichts.

Ein brennendes Auto liegt auf dem Dach

März 2022: Krieg überlagert alles

Der März steht weitestgehend unter dem Eindruck des eskalierten Ukraine-Kriegs. Die Anteilnahme ist sehr groß, was sich auch in der Hilfsbereitschaft für die hunderttausenden ankommenden Geflüchteten ausdrückt. Wobei sich manche nicht ganz zu Unrecht fragen, warum diese Hilfsbereitschaft eigentlich nicht für alle in Deutschland Schutzsuchenden gilt

Am 20. März enden dann schließlich fast alle Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Von einem Freedom Day mag trotzdem kaum jemand sprechen – und das nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine. 

Vom 27. bis 31. März tagt in Geiselwind die Landessynode bei ihrer Frühjahrstagung. Auch hier steht das Thema Ukraine unweigerlich im Raum. Und auf der Tagesordnung: Die Synodalen besprechen es in einer Aktuellen Stunde. Pawlo Schwarz, Bischof der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine, ist per Video zugeschaltet. Abgesehen davon dreht sich viel um die Zukunft der Kirche. Synodalpräsidentin Preidel möchte sich darauf besinnen, was Menschen an der Kirche attraktiv finden. Und Landesbischof Bedford-Strohm ist überzeugt: "Die Botschaft von der Liebe Gottes ist eine richtig starke Botschaft."

Das findet übrigens auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer. In einem exklusiven Interview spricht sie mit dem Sonntagsblatt über ihren christlichen Glauben und wie sie die Erfahrungen in ihrer Kirchengemeinde geprägt haben.

April 2022: Die neue Normalität – aber Ostern

Im April dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine schon zwei Monate. Und so schrecklich es klingt, viele Menschen gewöhnen sich langsam daran. Das Interesse am Schicksal der Ukrainer*innen, das zu Beginn noch fast jeden brennend interessierte, lässt nach. Die Menschen beginnen, den Blick wieder nach innen zu richten. 

Und was sie dort finden, ist nicht immer schön. Nach zwei Jahren Pandemie, die zwar offiziell mehr oder weniger für beendet erklärt wurde, bleibt durch den Krieg in der Ukraine und vor allem dessen in Deutschland spürbare Folgen (etwa steigende Lebensmittelpreise) keine Zeit, durchzuatmen. Wir fragen Expert*innen, was Menschen helfen kann, gut durch die sich gegenseitig überlagernden Krisen zu kommen. Die antworten unter anderem: Darüber sprechen. Und zuversichtlich bleiben, soweit es geht. 

Nichts könnte in dieser bleiernen Zeit, die von Apathie und Resignation geprägt ist, besser passen, als Ostern. Das Fest des Lebens, des Triumphes über den Tod. Die Ostermärsche für den Frieden erfahren wieder mehr Zulauf, und natürlich drehen sich auch die meisten Osterpredigten um das Thema Frieden. 

Außerdem eröffnet in Nürnberg das erste Bibelmuseum Bayerns seine Türen – Ende April zeigt sich eine Sprecher zufrieden mit der Resonanz.

Maria und Jesus bei den Passionsspielen 2022 in Oberammergau
Maria und Jesus bei den Passionsspielen 2022 in Oberammergau.

Mai 2022: Passionsspiele in Oberammergau starten mit zwei Jahren Verspätung

Zwei Jahre lang mussten sie warten, doch im Mai können die Passionsspiele in Oberammergau endlich loslegen. Und wieder einmal zeigt sich, dass sich die Geschichte Jesu' immer wieder aufs Neue aktuell ist. So passt der sich jeder politischen Mission konsequent verweigernde Jesus von Regisseur Christian Stückl hervorragend in eine Zeit, da die Kirchen versuchen, ihre Friedensethik unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs neu auszurichten. 

Interessant auch, wie Stückl seinen Judas agieren lässt: Nicht von Geldgier getrieben, sondern ein politischer Kämpfer, der Jesus gerne mit weltlicher Macht statt göttlicher Gewalt ausgestattet sähe. Mit dem Darsteller Cengiz Görür, dem ersten muslimischen Hauptdarsteller bei den Passionsspielen, haben wir darüber und über vieles anderes gesprochen

Derweil rückt Olaf Scholz bei einer Diskussion auf dem Katholikentag Klimaaktivist*innen in die Nähe von Nazis. Damit gibt er einen Vorgeschmack auf die hitzigen Diskussionen, die es im Herbst über Klimaproteste geben wird.

Die Affenpocken kommen in Deutschland an – und die Aids-Hilfe warnt sowohl vor Panikmache als auch vor Hetze gegen Schwule.

Juni 2022: Pfingsten auf dem Hesselberg

Und auch im Juni endet eine zweijährige Pause: Der bayerische Kirchentag auf dem Hesselberg kann wieder stattfinden. Und offenbar haben viele Evangelische ihn vermisst: Am Pfingstmontag strömen Tausende auf den Berg. Sie erleben dort unter anderem einen wie immer bestens aufgelegten Landesbischof sowie den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Vor allem aber freuen sich viele, altbekannte Gesichter wiederzusehen. 

Ende Juni steigt dann das Musikfest ION in Nürnberg. Im Vorfeld sprechen wir mit der Ausnahme-Sängerin Hania Rani über ihre Musik und ihr Verhältnis zu Glaube und Spiritualität. Und natürlich sind wir auch bei den vielen Konzerten in der fränkischen Metropole unterwegs.

Juli 2022: Finanzminister besteht auf kirchlicher Trauung

Ist das schon das Sommerloch? Im Juli diskutiert ganz Deutschland über den Finanzminister Christian Lindner. Dieser möchte unbedingt kirchlich heiraten. Das Dumme ist nur: Er ist kein Kirchenmitglied mehr. Die Empörung bei manchen ist groß. Wir sehen die Sache dagegen eher gelassen

Ansonsten? Nun, es ist Sommer. Also gehen gleich mehrere Hitzewellen durch Deutschland. Ein Teil der Kühlungsstrategie können dabei Kirchen sein

Ein Mann steht im Wasser, vor ihm eine Luftmatratze, die ein Jugendlicher hält
Pfarrer Mattia Bernasconi hält einen Gottesdienst im Meer ab.

August 2022: Winnetou und noch mehr Hitze

Wer im Juli dachte, die tiefste Stelle des Sommerlochs sei bereits erreicht, wurde im August eines besseren belehrt. Gefühlt mehrere Wochen lang tobt in Deutschland eine wilde Diskussion um ein Kinderbuch. Cancel Culture vs. Winnetou, lautet die Diagnose, und wie immer basiert das auf einer unsinnigen Zuspitzung und Dramatisierung völlig harmloser Vorgänge

Die weiterhin drückende Hitze treibt aber auch ganz andere Blüten: So feiert ein italienischer Pfarrer seinen Gottesdienst kurzerhand am Strand. Bekleidet nur mit einer Badehose. Mit einer Luftmatratze als Altar. 

Ganz so weit muss man nicht gehen, aber auch in Bayern werden Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten gefeiert. Wo dabei die Grenzen und Herausforderungen liegen, haben wir Leute gefragt, die sich von Berufs wegen mit sowas auskennen. 

Im August endet außerdem eine für viele schöne Zeit: Drei Monate lang war der Öffentliche Nahverkehr in Deutschland dank des 9-Euro-Tickets erschwinglich. Nun läuft es aus, die Politik streitet über eine Nachfolgeregelung. Dabei sprach alles dafür, das Angebot zu verlängern.

September 2022: Der Ökumenische Rat der Kirchen trifft sich – und streitet

Eigentlich hat das Treffen des Weltkirchenrats in Karlsruhe noch am 31. August begonnen, doch die Tagung fällt überwiegend in den September. Dabei zeichnen sich mehrere Kontroversen ab, allen voran die zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und den Ukrainisch-Orthodoxen.

Für Diskussionen sorgt auch das Verhältnis zu Israel. Einige Mitgliedskirchen plädieren dafür, der Bewertung von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch zu folgen und die Besatzungspolitik in den palästinensischen Gebiete als Apartheid zu bezeichnen. Andere, darunter die EKD, lehnen den Begriff ab. Man einigt sich letztlich darauf, sich nicht einig zu sein. 

Der scheidende bayerische Landesbischof Bedford-Strohm wird indes in den Zentralausschuss des ÖRK gewählt

Streit gibt es auch um das Gedenken an das Olympia-Attentat im September 1972. Die Angehörigen der Opfer drohen sogar damit, die Veranstaltung platzen zu lassen. Es kommt letztlich aber doch zu einer Einigung

Oktober 2022: Irans Frauen protestieren

Bereits seit Ende September erlebt Iran eine Protestwelle immensen Ausmaßes. Eine junge Kurdin, Jina Mahsa Amini, wird von der "Sittenpolizei" verhaftet, weil ihr Hijab angeblich nicht vorschriftsgemäß saß. Sie stirbt im Gewahrsam. Der Journalist Omid Rezae glaubt, dass die daraufhin ausgebrochenen Proteste den Sturz des Regimes bewirken können. Und die zum Christentum konvertierte Deutsch-Iranerin Saghar Kia erklärt, warum sie aus dem Land geflohen ist

Außerdem immer spürbarer: Steigende Energiekosten und Lebensmittelpreise – bei vielen Menschen in Deutschland wird das Geld knapp. Wir fragen bei verschiedenen Organisationen nach, was Menschen konkret tun können.

Ende Oktober gibt es dann wieder die üblichen "Halloween oder Reformationstag"-Debatte. Unsere Bloggerin Frau Religionslehrerin sagt übrigens: Beides

Synodale stimmen in Amberg ab
Synodale stimmen in Amberg ab

November 2022: Synoden, Kulturkämpfe und die WM

Es wird kälter, es wird dunkler, und die Debatten werden leider auch nicht gehaltvoller. An einem abgehängten Kreuz in einem Tagungssaal in Münster sowie eigentlich schon länger geplanten Konzepten für Bibelsprüche am wiederaufgebauten Berliner Schloss entzündet sich der nächste Shitstorm. Die Behauptung: Die Grünen wollen das christliche Abendland abschaffen. Die Realität ist weit langweiliger.

Außerdem tagen gleich zwei Synoden. Zunächst die EKD-Synode in Magdeburg. Ende November dann die bayerische Landessynode in Amberg. Letztere dreht sich vor allem um die Finanzen, aber auch die Bischofswahl, die im März 2023 ansteht, ist Thema. 

Und dann war da ja auch noch die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer. Die startet in Katar, einem Land, das es mit Menschenrechten nicht besonders genau nimmt. Der Versuch des DFB, darauf angemessen zu reagieren, geht allerdings komplett schief. 

Gleichzeitig eskaliert die Diskussion um die Proteste von Klimaaktivist*innen zusehends. EKD-Synoden-Präses Anna-Nicole Heinrich plädiert für eine Kooperation mit der "Letzten Generation". Der für seine Container-Aktionen bekannte Jesuitenpater Jörg Alt klebt sich selbst mit anderen Aktivist*innen auf der Straße fest und verteidigt die Aktionen gegen Kritik. Und Protestforscher Simon Teune erklärt, warum Protest manchmal stören und nerven muss.

Dezember 2022: Es weihnachtet sehr

Das Jahr biegt auf die Zielgerade ein, und wir wissen alle, was das bedeutet: Weihnachtszeit. Dieses Jahr auch unter dem Vorzeichen der Energiekrise: Dürfen wir überhaupt noch Weihnachtsbeleuchtung aufhängen

Was entgegen anderslautender Verschwörungsmythen nach wie vor geht: Weihnachtsmärkte. In diesem Jahr auch wieder ohne Beschränkungen. Die zehn schönsten in Deutschland haben wir hier gesammelt

Und solltet ihr noch das Bedürfnis haben, Geld zu spenden: Hier findet ihr ein paar Ideen dazu. Das geht schließlich auch nach Weihnachten noch.